die Sonne und der Mond meiner Sterblichkeit er- innern, die Morgenröthe, die hervor bricht, und die Nacht, die alle Abend wieder kommt, würden meinen Augen den Anfang und das Ende meiner Tage vor- stellen; wie diese anfangen und ein Ende nehmen, also wird auch der Tag meines Lebens zu Ende lauf- fen; denn der Mensch fähret hin, da er ewig bleibet, und der Tod klopfft so leicht an die Palläste der Gros- sen und Mächtigen der Welt, als an die niedrige Hütten der Armen und Geringen.
Darum gieb mir, o grosser GOtt! bey der Ehre, die du mir gegeben hast, auch die Gnade mich selbst zu besitzen, und meine Seele vernünfftig und heilig zu regieren: Und da ich vor die Wohlfahrt meiner Untergebenen zu sorgen verbunden bin, so laß mich dabey vor die ewige Wohlfahrt meiner eigenen See- len zu sorgen nicht vergessen; damit ich nicht un- glücklicher sey, als der allergeringste, wann mich der Tod ihnen wird gleich machen.
Die Würde, worein du mich, o allein weiser GOtt! gesetzt hast, ist groß; aber die Bürde, die ich trage, ist noch grösser: Meine Verrichtungen sind groß, aber meine Verantwortung noch grösser: Dar- um gieb mir, wie dem Salomon, ein weis- und be- ständiges Hertz, das Volck wohl zu regieren, das du mir anvertrauet hast: Laß dein Wort meine Rathsleute seyn, und die Weisheit, die um deinen Thron ist, alle meine Thaten regieren: Gieb, daß ich dein Gesetz liebe, dich, den HErrn meinen GOtt! fürchte mein lebenlang, und in deinen Wegen wan-
dele;
Gebett eines Regenten oder Obrigkeit.
die Sonne und der Mond meiner Sterblichkeit er- innern, die Morgenröthe, die hervor bricht, und die Nacht, die alle Abend wieder kommt, würden meinen Augen den Anfang und das Ende meiner Tage vor- ſtellen; wie dieſe anfangen und ein Ende nehmen, alſo wird auch der Tag meines Lebens zu Ende lauf- fen; denn der Menſch fähret hin, da er ewig bleibet, und der Tod klopfft ſo leicht an die Palläſte der Groſ- ſen und Mächtigen der Welt, als an die niedrige Hütten der Armen und Geringen.
Darum gieb mir, o groſſer GOtt! bey der Ehre, die du mir gegeben haſt, auch die Gnade mich ſelbſt zu beſitzen, und meine Seele vernünfftig und heilig zu regieren: Und da ich vor die Wohlfahrt meiner Untergebenen zu ſorgen verbunden bin, ſo laß mich dabey vor die ewige Wohlfahrt meiner eigenen See- len zu ſorgen nicht vergeſſen; damit ich nicht un- glücklicher ſey, als der allergeringſte, wann mich der Tod ihnen wird gleich machen.
Die Würde, worein du mich, o allein weiſer GOtt! geſetzt haſt, iſt groß; aber die Bürde, die ich trage, iſt noch gröſſer: Meine Verrichtungen ſind groß, aber meine Verantwortung noch gröſſer: Dar- um gieb mir, wie dem Salomon, ein weis- und be- ſtändiges Hertz, das Volck wohl zu regieren, das du mir anvertrauet haſt: Laß dein Wort meine Rathsleute ſeyn, und die Weisheit, die um deinen Thron iſt, alle meine Thaten regieren: Gieb, daß ich dein Geſetz liebe, dich, den HErrn meinen GOtt! fürchte mein lebenlang, und in deinen Wegen wan-
dele;
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Gebett eines Regenten oder Obrigkeit.
die Sonne und der Mond meiner Sterblichkeit er-
innern, die Morgenröthe, die hervor bricht, und die
Nacht, die alle Abend wieder kommt, würden meinen
Augen den Anfang und das Ende meiner Tage vor-
ſtellen; wie dieſe anfangen und ein Ende nehmen,
alſo wird auch der Tag meines Lebens zu Ende lauf-
fen; denn der Menſch fähret hin, da er ewig bleibet,
und der Tod klopfft ſo leicht an die Palläſte der Groſ-
ſen und Mächtigen der Welt, als an die niedrige
Hütten der Armen und Geringen.
Darum gieb mir, o groſſer GOtt! bey der Ehre,
die du mir gegeben haſt, auch die Gnade mich ſelbſt
zu beſitzen, und meine Seele vernünfftig und heilig
zu regieren: Und da ich vor die Wohlfahrt meiner
Untergebenen zu ſorgen verbunden bin, ſo laß mich
dabey vor die ewige Wohlfahrt meiner eigenen See-
len zu ſorgen nicht vergeſſen; damit ich nicht un-
glücklicher ſey, als der allergeringſte, wann mich der
Tod ihnen wird gleich machen.
Die Würde, worein du mich, o allein weiſer
GOtt! geſetzt haſt, iſt groß; aber die Bürde, die ich
trage, iſt noch gröſſer: Meine Verrichtungen ſind
groß, aber meine Verantwortung noch gröſſer: Dar-
um gieb mir, wie dem Salomon, ein weis- und be-
ſtändiges Hertz, das Volck wohl zu regieren, das
du mir anvertrauet haſt: Laß dein Wort meine
Rathsleute ſeyn, und die Weisheit, die um deinen
Thron iſt, alle meine Thaten regieren: Gieb, daß ich
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Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/485>, abgerufen am 22.11.2024.
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