Schmolck, Benjamin: Der mit Rechtschaffenen Hertzen Zu seinem Jesu sich nahende Sünder, In auserlesenen Buß- Beicht- und Comunion-Andachten. Chemnitz, 1736.vor der Beichte, in der Kirche. mich lüsterte zu viel nach der verbornenFrucht; und also blieb das Hertz in Sa- tans Netze hangen, der Leib und Seele nur mit sich zu stürtzen sucht. Ach! was ergreiff ich nun? Ich höre GOttes Dräuen/ sein Bogen ist gespannt, sein Pfeil schon drauf gelegt. Ach! darff ich Aerm- ster denn gar nicht um Gnade schreyen? Ist niemand, der mit mir noch ein Erbar- men trägt? Ach Vater! darff ich noch die Augen auf dich richten? Ist auch ein böses Kind noch deiner Gnade werth? Ich weiß sonst keinen Ort, wohin ich kön- te flüchten, schau das verlohrne Kind, das ietzund wiederkehrt. Hier lieg ich, HErr/ für dir, und will in Angst zerfliessen. Ach! höre nur ein Wort: Ach! Ach! Barmhertzigkeit! Laß mich nur einen Blick, nur einen Blick geniessen, mein Hertze stirbt mir sonst vor lauter Hertzeleid. Mach mit mir, was du wilt, ich will es alles leiden, nur stoß mich ewiglich aus deiner Gnade nicht. Denn soll ich ohne Trost von deinen Augen scheiden, so ist der Stab schon da, den mir dein Urtheil bricht. Sind meiner Sünden viel, so le- ge doch dargegen die Tropffen, die dein Sohn vor mich vergossen hat, diß Blut schreyt E 2
vor der Beichte, in der Kirche. mich lüſterte zu viel nach der verbornenFrucht; und alſo blieb das Hertz in Sa- tans Netze hangen, der Leib und Seele nur mit ſich zu ſtürtzen ſucht. Ach! was ergreiff ich nun? Ich höre GOttes Dräuen/ ſein Bogen iſt geſpañt, ſein Pfeil ſchon drauf gelegt. Ach! darff ich Aerm- ſter denn gar nicht um Gnade ſchreyen? Iſt niemand, der mit mir noch ein Erbar- men trägt? Ach Vater! darff ich noch die Augen auf dich richten? Iſt auch ein böſes Kind noch deiner Gnade werth? Ich weiß ſonſt keinen Ort, wohin ich kön- te flüchten, ſchau das verlohrne Kind, das ietzund wiederkehrt. Hier lieg ich, HErr/ für dir, und will in Angſt zerflieſſen. Ach! höre nur ein Wort: Ach! Ach! Barmhertzigkeit! Laß mich nur einen Blick, nur einen Blick genieſſen, mein Hertze ſtirbt mir ſonſt vor lauter Hertzeleid. Mach mit mir, was du wilt, ich will es alles leiden, nur ſtoß mich ewiglich aus deiner Gnade nicht. Denn ſoll ich ohne Troſt von deinen Augen ſcheiden, ſo iſt der Stab ſchon da, den mir dein Urtheil bricht. Sind meiner Sünden viel, ſo le- ge doch dargegen die Tropffen, die dein Sohn vor mich vergoſſen hat, diß Blut ſchreyt E 2
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vor der Beichte, in der Kirche.
mich lüſterte zu viel nach der verbornen
Frucht; und alſo blieb das Hertz in Sa-
tans Netze hangen, der Leib und Seele
nur mit ſich zu ſtürtzen ſucht. Ach! was
ergreiff ich nun? Ich höre GOttes
Dräuen/ ſein Bogen iſt geſpañt, ſein Pfeil
ſchon drauf gelegt. Ach! darff ich Aerm-
ſter denn gar nicht um Gnade ſchreyen?
Iſt niemand, der mit mir noch ein Erbar-
men trägt? Ach Vater! darff ich noch
die Augen auf dich richten? Iſt auch ein
böſes Kind noch deiner Gnade werth?
Ich weiß ſonſt keinen Ort, wohin ich kön-
te flüchten, ſchau das verlohrne Kind, das
ietzund wiederkehrt. Hier lieg ich, HErr/
für dir, und will in Angſt zerflieſſen.
Ach! höre nur ein Wort: Ach! Ach!
Barmhertzigkeit! Laß mich nur einen
Blick, nur einen Blick genieſſen, mein
Hertze ſtirbt mir ſonſt vor lauter Hertzeleid.
Mach mit mir, was du wilt, ich will es
alles leiden, nur ſtoß mich ewiglich aus
deiner Gnade nicht. Denn ſoll ich ohne
Troſt von deinen Augen ſcheiden, ſo iſt der
Stab ſchon da, den mir dein Urtheil
bricht. Sind meiner Sünden viel, ſo le-
ge doch dargegen die Tropffen, die dein
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Zitationshilfe: | Schmolck, Benjamin: Der mit Rechtschaffenen Hertzen Zu seinem Jesu sich nahende Sünder, In auserlesenen Buß- Beicht- und Comunion-Andachten. Chemnitz, 1736, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_andachten_1736/95>, abgerufen am 16.02.2025. |