Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

Bild:
<< vorherige Seite

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
wust/ nicht anders vermeinete/ als daß meine
Reise-Gefärthen thöricht wären. Als ich aber
gefragt was dieses hin und wieder lauffen bedeu-
te? gaben mir die Haasen-Köpffe zur Antwort:
Wenn einen ein Haase übern Weg lieff oder be-
gegnete/ so sey es ein böses Zeichen; wenn man
aber alsobald dreymahl umkehrete und zurück
gienge/ hätte es keine Noth. Und also furch-
ten sich die Helden für einen Haasen. Hier in
diesem Capitel aber/ klingets anders/ wenn es
heist: Wenn einem ein Wolff/ Bär/ oder der-
gleichen wilde Bestie begegnet/ so sey es ein gut
Zeichen. Solche Leute/ die dieses glauben/ die
haben eine rechte Löwen Art; denn der Löwe
gehet allen grimmigen Thieren unerschrocken
entgegen/ aber für einen ohnmächtigen Hauß-
Hahn laufft er/ und fürchtet sich. Dieses thut
aber der Löwe aus Unvernunfft/ als eine Be-
stie; hätte er aber Verstand wie ein Mensch/
so würde er solche Thorheit vielleicht nicht bege-
hen. Vernünfftige Menschen aber solten sich
billich schämen/ daß sie offt so gar albern Fabeln
und Narren-Possen nachhängen. Es sage
mir doch nur einer die geringste Ursach/ warum
oder wie eine wilde grimmige Bestie/ als ein
Wolff/ Bär/ wilder Eber und dergleichen einen
könne Glück anzeigen? Es ist ja viel eher zu be-

sorgen

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
wuſt/ nicht anders vermeinete/ als daß meine
Reiſe-Gefaͤrthen thoͤricht waͤren. Als ich aber
gefragt was dieſes hin und wieder lauffen bedeu-
te? gaben mir die Haaſen-Koͤpffe zur Antwort:
Wenn einen ein Haaſe uͤbern Weg lieff oder be-
gegnete/ ſo ſey es ein boͤſes Zeichen; wenn man
aber alſobald dreymahl umkehrete und zuruͤck
gienge/ haͤtte es keine Noth. Und alſo furch-
ten ſich die Helden fuͤr einen Haaſen. Hier in
dieſem Capitel aber/ klingets anders/ wenn es
heiſt: Wenn einem ein Wolff/ Baͤr/ oder der-
gleichen wilde Beſtie begegnet/ ſo ſey es ein gut
Zeichen. Solche Leute/ die dieſes glauben/ die
haben eine rechte Loͤwen Art; denn der Loͤwe
gehet allen grimmigen Thieren unerſchrocken
entgegen/ aber fuͤr einen ohnmaͤchtigen Hauß-
Hahn laufft er/ und fuͤrchtet ſich. Dieſes thut
aber der Loͤwe aus Unvernunfft/ als eine Be-
ſtie; haͤtte er aber Verſtand wie ein Menſch/
ſo wuͤrde er ſolche Thorheit vielleicht nicht bege-
hen. Vernuͤnfftige Menſchen aber ſolten ſich
billich ſchaͤmen/ daß ſie offt ſo gar albern Fabeln
und Narren-Poſſen nachhaͤngen. Es ſage
mir doch nur einer die geringſte Urſach/ warum
oder wie eine wilde grimmige Beſtie/ als ein
Wolff/ Baͤr/ wilder Eber und dergleichen einen
koͤnne Gluͤck anzeigen? Es iſt ja viel eher zu be-

ſorgen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0093" n="269"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Weibern hochgehaltenen Aberglauben.</hi></fw><lb/>
wu&#x017F;t/ nicht anders vermeinete/ als daß meine<lb/>
Rei&#x017F;e-Gefa&#x0364;rthen tho&#x0364;richt wa&#x0364;ren. Als ich aber<lb/>
gefragt was die&#x017F;es hin und wieder lauffen bedeu-<lb/>
te? gaben mir die Haa&#x017F;en-Ko&#x0364;pffe zur Antwort:<lb/>
Wenn einen ein Haa&#x017F;e u&#x0364;bern Weg lieff oder be-<lb/>
gegnete/ &#x017F;o &#x017F;ey es ein bo&#x0364;&#x017F;es Zeichen; wenn man<lb/>
aber al&#x017F;obald dreymahl umkehrete und zuru&#x0364;ck<lb/>
gienge/ ha&#x0364;tte es keine Noth. Und al&#x017F;o furch-<lb/>
ten &#x017F;ich die Helden fu&#x0364;r einen Haa&#x017F;en. Hier in<lb/>
die&#x017F;em Capitel aber/ klingets anders/ wenn es<lb/>
hei&#x017F;t: Wenn einem ein Wolff/ Ba&#x0364;r/ oder der-<lb/>
gleichen wilde Be&#x017F;tie begegnet/ &#x017F;o &#x017F;ey es ein gut<lb/>
Zeichen. Solche Leute/ die die&#x017F;es glauben/ die<lb/>
haben eine rechte Lo&#x0364;wen Art; denn der Lo&#x0364;we<lb/>
gehet allen grimmigen Thieren uner&#x017F;chrocken<lb/>
entgegen/ aber fu&#x0364;r einen ohnma&#x0364;chtigen Hauß-<lb/>
Hahn laufft er/ und fu&#x0364;rchtet &#x017F;ich. Die&#x017F;es thut<lb/>
aber der Lo&#x0364;we aus Unvernunfft/ als eine Be-<lb/>
&#x017F;tie; ha&#x0364;tte er aber Ver&#x017F;tand wie ein Men&#x017F;ch/<lb/>
&#x017F;o wu&#x0364;rde er &#x017F;olche Thorheit vielleicht nicht bege-<lb/>
hen. Vernu&#x0364;nfftige Men&#x017F;chen aber &#x017F;olten &#x017F;ich<lb/>
billich &#x017F;cha&#x0364;men/ daß &#x017F;ie offt &#x017F;o gar albern Fabeln<lb/>
und Narren-Po&#x017F;&#x017F;en nachha&#x0364;ngen. Es &#x017F;age<lb/>
mir doch nur einer die gering&#x017F;te Ur&#x017F;ach/ warum<lb/>
oder wie eine wilde grimmige Be&#x017F;tie/ als ein<lb/>
Wolff/ Ba&#x0364;r/ wilder Eber und dergleichen einen<lb/>
ko&#x0364;nne Glu&#x0364;ck anzeigen? Es i&#x017F;t ja viel eher zu be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;orgen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0093] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. wuſt/ nicht anders vermeinete/ als daß meine Reiſe-Gefaͤrthen thoͤricht waͤren. Als ich aber gefragt was dieſes hin und wieder lauffen bedeu- te? gaben mir die Haaſen-Koͤpffe zur Antwort: Wenn einen ein Haaſe uͤbern Weg lieff oder be- gegnete/ ſo ſey es ein boͤſes Zeichen; wenn man aber alſobald dreymahl umkehrete und zuruͤck gienge/ haͤtte es keine Noth. Und alſo furch- ten ſich die Helden fuͤr einen Haaſen. Hier in dieſem Capitel aber/ klingets anders/ wenn es heiſt: Wenn einem ein Wolff/ Baͤr/ oder der- gleichen wilde Beſtie begegnet/ ſo ſey es ein gut Zeichen. Solche Leute/ die dieſes glauben/ die haben eine rechte Loͤwen Art; denn der Loͤwe gehet allen grimmigen Thieren unerſchrocken entgegen/ aber fuͤr einen ohnmaͤchtigen Hauß- Hahn laufft er/ und fuͤrchtet ſich. Dieſes thut aber der Loͤwe aus Unvernunfft/ als eine Be- ſtie; haͤtte er aber Verſtand wie ein Menſch/ ſo wuͤrde er ſolche Thorheit vielleicht nicht bege- hen. Vernuͤnfftige Menſchen aber ſolten ſich billich ſchaͤmen/ daß ſie offt ſo gar albern Fabeln und Narren-Poſſen nachhaͤngen. Es ſage mir doch nur einer die geringſte Urſach/ warum oder wie eine wilde grimmige Beſtie/ als ein Wolff/ Baͤr/ wilder Eber und dergleichen einen koͤnne Gluͤck anzeigen? Es iſt ja viel eher zu be- ſorgen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/93
Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/93>, abgerufen am 21.11.2024.