Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

Bild:
<< vorherige Seite

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
ses Vertrauen auff obbeschriebene birckene
Schläuche gesetzt/ daß sie gäntzlich dafür hielten/
es beruhe ihre Nahrung darauff/ und als ichs
wiedersprach/ wolten sie es mit Philosophischen
Gründen erweisen/ und gaben für/ weil die A-
meisen arbeitsame Thierlein wären/ und stets zu
Hauffen trügen/ so wirckte solche Eigenschafft in
die Bircke/ und so weiter fort. Aber es kam mir
alsbald die Sache verdächtig für/ erstlich/ daß es
eben von einer Bircken/ und nicht auch von an-
dern Bäumen/ die in Ameisen-Hauffen gewach-
sen sind/ müsten Schläuche oder Hähne seyn;
zum andern/ weil die Ameisen nicht hinweg/ son-
dern zusammen tragen/ hingegen der Wein oder
das Bier/ so man verzapffet/ wird ja nicht/ nach
Art der Ameisen/ zusammen getragen/ sondern
hinweg/ und gleichsam zerstreuet/ welches der Ei-
genschafft derer Ameisen schnurstracks entgegen
ist/ dahero setzte ich einen Zweiffel ins gantze
Werck/ iedoch wolte ich die Sache nicht unver-
sucht verwerffen/ ersuchte derowegen einen Vo-
gelsteller/ welcher täglich in der Dreßdner Hey-
de seine Verrichtung hatte/ daß/ so er irgend ei-
nen Ameissen-Hauffen im Walde anträffe/ wor-
innen eine Bircke stände/ er mir solches möchte
wissen lassen. Dieser (als der nach seiner Art
auch ein wenig curiös war) kam nach Verflies-
sung weniger Tage/ und meldete mir/ wie daß er

eine
M 3

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
ſes Vertrauen auff obbeſchriebene birckene
Schlaͤuche geſetzt/ daß ſie gaͤntzlich dafuͤr hielten/
es beruhe ihre Nahrung darauff/ und als ichs
wiederſprach/ wolten ſie es mit Philoſophiſchen
Gruͤnden erweiſen/ und gaben fuͤr/ weil die A-
meiſen arbeitſame Thierlein waͤren/ und ſtets zu
Hauffen truͤgen/ ſo wirckte ſolche Eigenſchafft in
die Bircke/ und ſo weiter fort. Aber es kam mir
alsbald die Sache verdaͤchtig fuͤr/ erſtlich/ daß es
eben von einer Bircken/ und nicht auch von an-
dern Baͤumen/ die in Ameiſen-Hauffen gewach-
ſen ſind/ muͤſten Schlaͤuche oder Haͤhne ſeyn;
zum andern/ weil die Ameiſen nicht hinweg/ ſon-
dern zuſammen tragen/ hingegen der Wein oder
das Bier/ ſo man verzapffet/ wird ja nicht/ nach
Art der Ameiſen/ zuſammen getragen/ ſondern
hinweg/ und gleichſam zerſtreuet/ welches der Ei-
genſchafft derer Ameiſen ſchnurſtracks entgegen
iſt/ dahero ſetzte ich einen Zweiffel ins gantze
Werck/ iedoch wolte ich die Sache nicht unver-
ſucht verwerffen/ erſuchte derowegen einen Vo-
gelſteller/ welcher taͤglich in der Dreßdner Hey-
de ſeine Verrichtung hatte/ daß/ ſo er irgend ei-
nen Ameiſſen-Hauffen im Walde antraͤffe/ wor-
innen eine Bircke ſtaͤnde/ er mir ſolches moͤchte
wiſſen laſſen. Dieſer (als der nach ſeiner Art
auch ein wenig curiös war) kam nach Verflieſ-
ſung weniger Tage/ und meldete mir/ wie daß er

eine
M 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0005" n="181"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Weibern hochgehaltenen Aberglauben.</hi></fw><lb/>
&#x017F;es Vertrauen auff obbe&#x017F;chriebene birckene<lb/>
Schla&#x0364;uche ge&#x017F;etzt/ daß &#x017F;ie ga&#x0364;ntzlich dafu&#x0364;r hielten/<lb/>
es beruhe ihre Nahrung darauff/ und als ichs<lb/>
wieder&#x017F;prach/ wolten &#x017F;ie es mit <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophi</hi>&#x017F;chen<lb/>
Gru&#x0364;nden erwei&#x017F;en/ und gaben fu&#x0364;r/ weil die A-<lb/>
mei&#x017F;en arbeit&#x017F;ame Thierlein wa&#x0364;ren/ und &#x017F;tets zu<lb/>
Hauffen tru&#x0364;gen/ &#x017F;o wirckte &#x017F;olche Eigen&#x017F;chafft in<lb/>
die Bircke/ und &#x017F;o weiter fort. Aber es kam mir<lb/>
alsbald die Sache verda&#x0364;chtig fu&#x0364;r/ er&#x017F;tlich/ daß es<lb/>
eben von einer Bircken/ und nicht auch von an-<lb/>
dern Ba&#x0364;umen/ die in Amei&#x017F;en-Hauffen gewach-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ind/ mu&#x0364;&#x017F;ten Schla&#x0364;uche oder Ha&#x0364;hne &#x017F;eyn;<lb/>
zum andern/ weil die Amei&#x017F;en nicht hinweg/ &#x017F;on-<lb/>
dern zu&#x017F;ammen tragen/ hingegen der Wein oder<lb/>
das Bier/ &#x017F;o man verzapffet/ wird ja nicht/ nach<lb/>
Art der Amei&#x017F;en/ zu&#x017F;ammen getragen/ &#x017F;ondern<lb/>
hinweg/ und gleich&#x017F;am zer&#x017F;treuet/ welches der Ei-<lb/>
gen&#x017F;chafft derer Amei&#x017F;en &#x017F;chnur&#x017F;tracks entgegen<lb/>
i&#x017F;t/ dahero &#x017F;etzte ich einen Zweiffel ins gantze<lb/>
Werck/ iedoch wolte ich die Sache nicht unver-<lb/>
&#x017F;ucht verwerffen/ er&#x017F;uchte derowegen einen Vo-<lb/>
gel&#x017F;teller/ welcher ta&#x0364;glich in der Dreßdner Hey-<lb/>
de &#x017F;eine Verrichtung hatte/ daß/ &#x017F;o er irgend ei-<lb/>
nen Amei&#x017F;&#x017F;en-Hauffen im Walde antra&#x0364;ffe/ wor-<lb/>
innen eine Bircke &#x017F;ta&#x0364;nde/ er mir &#x017F;olches mo&#x0364;chte<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;er (als der nach &#x017F;einer Art<lb/>
auch ein wenig <hi rendition="#aq">curiös</hi> war) kam nach Verflie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung weniger Tage/ und meldete mir/ wie daß er<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 3</fw><fw place="bottom" type="catch">eine</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0005] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. ſes Vertrauen auff obbeſchriebene birckene Schlaͤuche geſetzt/ daß ſie gaͤntzlich dafuͤr hielten/ es beruhe ihre Nahrung darauff/ und als ichs wiederſprach/ wolten ſie es mit Philoſophiſchen Gruͤnden erweiſen/ und gaben fuͤr/ weil die A- meiſen arbeitſame Thierlein waͤren/ und ſtets zu Hauffen truͤgen/ ſo wirckte ſolche Eigenſchafft in die Bircke/ und ſo weiter fort. Aber es kam mir alsbald die Sache verdaͤchtig fuͤr/ erſtlich/ daß es eben von einer Bircken/ und nicht auch von an- dern Baͤumen/ die in Ameiſen-Hauffen gewach- ſen ſind/ muͤſten Schlaͤuche oder Haͤhne ſeyn; zum andern/ weil die Ameiſen nicht hinweg/ ſon- dern zuſammen tragen/ hingegen der Wein oder das Bier/ ſo man verzapffet/ wird ja nicht/ nach Art der Ameiſen/ zuſammen getragen/ ſondern hinweg/ und gleichſam zerſtreuet/ welches der Ei- genſchafft derer Ameiſen ſchnurſtracks entgegen iſt/ dahero ſetzte ich einen Zweiffel ins gantze Werck/ iedoch wolte ich die Sache nicht unver- ſucht verwerffen/ erſuchte derowegen einen Vo- gelſteller/ welcher taͤglich in der Dreßdner Hey- de ſeine Verrichtung hatte/ daß/ ſo er irgend ei- nen Ameiſſen-Hauffen im Walde antraͤffe/ wor- innen eine Bircke ſtaͤnde/ er mir ſolches moͤchte wiſſen laſſen. Dieſer (als der nach ſeiner Art auch ein wenig curiös war) kam nach Verflieſ- ſung weniger Tage/ und meldete mir/ wie daß er eine M 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/5
Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/5>, abgerufen am 22.12.2024.