Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.Untersuchung/ derer von super-klugen abnähmen/ wenn man sie kleine Krebsgen hiesse?diese gab mir mit einer sehr verächtlichen Mine zur Antwort: Sie wolle es ja nimmermehr hof- fen/ daß ich so alt worden wäre/ und hätte nicht selbst so viel Verstand dieses auszusinnen. Ich würde ja wissen/ daß der Krebs ein Thier wäre/ das von Natur zurück kröche! da stand ich ein- fältiger Tropff/ wie ein begossener Hund/ gantz verschämt/ und wurde vor auslachens werth ge- halten/ daß ich so alber Zeug nicht selbst beden- cken können. Also habe ich allerdings Ursach/ meinem Schimpff auszuwetzen/ und denen Ro- ckenreuterinnen zu weisen/ daß sie auch fehlen. Und sage ich demnach/ daß/ wenn die Benen- nung solte denen Kindern eine Eigenschafft de- rer Dinge/ nach welchen man sie nennete/ zu we- ge bringen/ so wolte ich sie kleine Krebsgen heis- sen/ denn die kleinen Krebsgen wachsen bald groß/ und wenn einem Krebs die Scheeren ab- gerissen werden/ so wachsen ihm bald andere. Die Krebse bekommen offt neue Schalen oder Haut; sie kriechen nicht allein hinter sich/ son- dern auch vor sich. Sind demnach gewandte Thiere/ und kan dero Eigenschafft denen Kin- dern nicht schädlich/ sondern vielmehr nützlich seyn. Uberdiß möchten doch die abergläubischen Weiber auch überlegen/ daß in einer Sache selbst/ mehr Krafft und Eigenschafft stecken müs- se/ als
Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen abnaͤhmen/ wenn man ſie kleine Krebsgen hieſſe?dieſe gab mir mit einer ſehr veraͤchtlichen Mine zur Antwort: Sie wolle es ja nimmermehr hof- fen/ daß ich ſo alt worden waͤre/ und haͤtte nicht ſelbſt ſo viel Verſtand dieſes auszuſinnen. Ich wuͤrde ja wiſſen/ daß der Krebs ein Thier waͤre/ das von Natur zuruͤck kroͤche! da ſtand ich ein- faͤltiger Tropff/ wie ein begoſſener Hund/ gantz verſchaͤmt/ und wurde vor auslachens werth ge- halten/ daß ich ſo alber Zeug nicht ſelbſt beden- cken koͤnnen. Alſo habe ich allerdings Urſach/ meinem Schimpff auszuwetzen/ und denen Ro- ckenreuterinnen zu weiſen/ daß ſie auch fehlen. Und ſage ich demnach/ daß/ wenn die Benen- nung ſolte denen Kindern eine Eigenſchafft de- rer Dinge/ nach welchen man ſie nennete/ zu we- ge bringen/ ſo wolte ich ſie kleine Krebsgen heiſ- ſen/ denn die kleinen Krebsgen wachſen bald groß/ und wenn einem Krebs die Scheeren ab- geriſſen werden/ ſo wachſen ihm bald andere. Die Krebſe bekommen offt neue Schalen oder Haut; ſie kriechen nicht allein hinter ſich/ ſon- dern auch vor ſich. Sind demnach gewandte Thiere/ und kan dero Eigenſchafft denen Kin- dern nicht ſchaͤdlich/ ſondern vielmehr nuͤtzlich ſeyn. Uberdiß moͤchten doch die aberglaͤubiſchen Weiber auch uͤberlegen/ daß in einer Sache ſelbſt/ mehr Krafft und Eigenſchafft ſtecken muͤſ- ſe/ als
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0044" n="22"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Unterſuchung/ derer von</hi><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">ſuper-</hi></hi><hi rendition="#fr">klugen</hi></fw><lb/> abnaͤhmen/ wenn man ſie kleine Krebsgen hieſſe?<lb/> dieſe gab mir mit einer ſehr veraͤchtlichen Mine<lb/> zur Antwort: Sie wolle es ja nimmermehr hof-<lb/> fen/ daß ich ſo alt worden waͤre/ und haͤtte nicht<lb/> ſelbſt ſo viel Verſtand dieſes auszuſinnen. Ich<lb/> wuͤrde ja wiſſen/ daß der Krebs ein Thier waͤre/<lb/> das von Natur zuruͤck kroͤche! da ſtand ich ein-<lb/> faͤltiger Tropff/ wie ein begoſſener Hund/ gantz<lb/> verſchaͤmt/ und wurde vor auslachens werth ge-<lb/> halten/ daß ich ſo alber Zeug nicht ſelbſt beden-<lb/> cken koͤnnen. Alſo habe ich allerdings Urſach/<lb/> meinem Schimpff auszuwetzen/ und denen Ro-<lb/> ckenreuterinnen zu weiſen/ daß ſie auch fehlen.<lb/> Und ſage ich demnach/ daß/ wenn die Benen-<lb/> nung ſolte denen Kindern eine Eigenſchafft de-<lb/> rer Dinge/ nach welchen man ſie nennete/ zu we-<lb/> ge bringen/ ſo wolte ich ſie kleine Krebsgen heiſ-<lb/> ſen/ denn die kleinen Krebsgen wachſen bald<lb/> groß/ und wenn einem Krebs die Scheeren ab-<lb/> geriſſen werden/ ſo wachſen ihm bald andere.<lb/> Die Krebſe bekommen offt neue Schalen oder<lb/> Haut; ſie kriechen nicht allein hinter ſich/ ſon-<lb/> dern auch vor ſich. Sind demnach gewandte<lb/> Thiere/ und kan dero Eigenſchafft denen Kin-<lb/> dern nicht ſchaͤdlich/ ſondern vielmehr nuͤtzlich<lb/> ſeyn. Uberdiß moͤchten doch die aberglaͤubiſchen<lb/> Weiber auch uͤberlegen/ daß in einer Sache<lb/> ſelbſt/ mehr Krafft und Eigenſchafft ſtecken muͤſ-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſe/ als</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [22/0044]
Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen
abnaͤhmen/ wenn man ſie kleine Krebsgen hieſſe?
dieſe gab mir mit einer ſehr veraͤchtlichen Mine
zur Antwort: Sie wolle es ja nimmermehr hof-
fen/ daß ich ſo alt worden waͤre/ und haͤtte nicht
ſelbſt ſo viel Verſtand dieſes auszuſinnen. Ich
wuͤrde ja wiſſen/ daß der Krebs ein Thier waͤre/
das von Natur zuruͤck kroͤche! da ſtand ich ein-
faͤltiger Tropff/ wie ein begoſſener Hund/ gantz
verſchaͤmt/ und wurde vor auslachens werth ge-
halten/ daß ich ſo alber Zeug nicht ſelbſt beden-
cken koͤnnen. Alſo habe ich allerdings Urſach/
meinem Schimpff auszuwetzen/ und denen Ro-
ckenreuterinnen zu weiſen/ daß ſie auch fehlen.
Und ſage ich demnach/ daß/ wenn die Benen-
nung ſolte denen Kindern eine Eigenſchafft de-
rer Dinge/ nach welchen man ſie nennete/ zu we-
ge bringen/ ſo wolte ich ſie kleine Krebsgen heiſ-
ſen/ denn die kleinen Krebsgen wachſen bald
groß/ und wenn einem Krebs die Scheeren ab-
geriſſen werden/ ſo wachſen ihm bald andere.
Die Krebſe bekommen offt neue Schalen oder
Haut; ſie kriechen nicht allein hinter ſich/ ſon-
dern auch vor ſich. Sind demnach gewandte
Thiere/ und kan dero Eigenſchafft denen Kin-
dern nicht ſchaͤdlich/ ſondern vielmehr nuͤtzlich
ſeyn. Uberdiß moͤchten doch die aberglaͤubiſchen
Weiber auch uͤberlegen/ daß in einer Sache
ſelbſt/ mehr Krafft und Eigenſchafft ſtecken muͤſ-
ſe/ als
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |