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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.

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Untersuchung/ derer von super-klugen
ber Lein säen/ so finde ich/ daß der Weiber ihre
Thorheit derer Schäfer ihre alte Bauern-Phy-
sicam
an Unverstande weit überlegen ist. Denn
was derer Schäfer ihre Meynung anlanget/
kan solche zwar einiger massen mit natürlichen
Ursachen beschöniget werden/ wiewohl solche
Possen ietziger Zeit gar keine Probe mehr halten
wollen. Was aber der Weiber Tantz anlan-
get/ läufft es schnurstracks wieder die gesunde
Vernunfft. Denn wenn die Würckung vom
Sonnenschein kömmt/ so brauchen sie ihn nicht
zum Tantzen; kömmts aber vom Tantzen/ so ist
der Sonnenschein nicht nöthig; wollen aber die
einwenden: Das Tantzen geschehe vor Freu-
den/ wenn sie sehen daß die Sonne schiene/ weil
ihnen damit angezeigt würde/ daß der Flachs
werde wohl gerathen/ so frage ich sie: Warum
sie denn sprächen/ so einer der Flachs nicht ge-
räth: Sie hätte gewiß nicht getantzt? Mit
welcher Rede ja so viel zu erkennen gegeben wird/
daß sie dem Tantzen die Krafft zu schreiben. Es
sey aber wie es wolle/ so erweise ich ihnen/ daß
an ihren Vorgeben nichts ist/ wenn ich ihnen
vorstelle/ daß einer der Flachs geräth/ und einer
andern verdirbt/ da doch die Sonne beyden ge-
schienen oder nicht geschienen hat. Zu dem so
wird der Lein erst im Sommer/ und also länger
als ein viertel Jahr nach Lichtmeß gesäet/ daß

solcher

Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen
ber Lein ſaͤen/ ſo finde ich/ daß der Weiber ihre
Thorheit derer Schaͤfer ihre alte Bauern-Phy-
ſicam
an Unverſtande weit uͤberlegen iſt. Denn
was derer Schaͤfer ihre Meynung anlanget/
kan ſolche zwar einiger maſſen mit natuͤrlichen
Urſachen beſchoͤniget werden/ wiewohl ſolche
Poſſen ietziger Zeit gar keine Probe mehr halten
wollen. Was aber der Weiber Tantz anlan-
get/ laͤufft es ſchnurſtracks wieder die geſunde
Vernunfft. Denn wenn die Wuͤrckung vom
Sonnenſchein koͤmmt/ ſo brauchen ſie ihn nicht
zum Tantzen; koͤmmts aber vom Tantzen/ ſo iſt
der Sonnenſchein nicht noͤthig; wollen aber die
einwenden: Das Tantzen geſchehe vor Freu-
den/ wenn ſie ſehen daß die Sonne ſchiene/ weil
ihnen damit angezeigt wuͤrde/ daß der Flachs
werde wohl gerathen/ ſo frage ich ſie: Warum
ſie denn ſpraͤchen/ ſo einer der Flachs nicht ge-
raͤth: Sie haͤtte gewiß nicht getantzt? Mit
welcher Rede ja ſo viel zu erkennen gegeben wiꝛd/
daß ſie dem Tantzen die Krafft zu ſchreiben. Es
ſey aber wie es wolle/ ſo erweiſe ich ihnen/ daß
an ihren Vorgeben nichts iſt/ wenn ich ihnen
vorſtelle/ daß einer der Flachs geraͤth/ und einer
andern verdirbt/ da doch die Sonne beyden ge-
ſchienen oder nicht geſchienen hat. Zu dem ſo
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[136/0158] Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen ber Lein ſaͤen/ ſo finde ich/ daß der Weiber ihre Thorheit derer Schaͤfer ihre alte Bauern-Phy- ſicam an Unverſtande weit uͤberlegen iſt. Denn was derer Schaͤfer ihre Meynung anlanget/ kan ſolche zwar einiger maſſen mit natuͤrlichen Urſachen beſchoͤniget werden/ wiewohl ſolche Poſſen ietziger Zeit gar keine Probe mehr halten wollen. Was aber der Weiber Tantz anlan- get/ laͤufft es ſchnurſtracks wieder die geſunde Vernunfft. Denn wenn die Wuͤrckung vom Sonnenſchein koͤmmt/ ſo brauchen ſie ihn nicht zum Tantzen; koͤmmts aber vom Tantzen/ ſo iſt der Sonnenſchein nicht noͤthig; wollen aber die einwenden: Das Tantzen geſchehe vor Freu- den/ wenn ſie ſehen daß die Sonne ſchiene/ weil ihnen damit angezeigt wuͤrde/ daß der Flachs werde wohl gerathen/ ſo frage ich ſie: Warum ſie denn ſpraͤchen/ ſo einer der Flachs nicht ge- raͤth: Sie haͤtte gewiß nicht getantzt? Mit welcher Rede ja ſo viel zu erkennen gegeben wiꝛd/ daß ſie dem Tantzen die Krafft zu ſchreiben. Es ſey aber wie es wolle/ ſo erweiſe ich ihnen/ daß an ihren Vorgeben nichts iſt/ wenn ich ihnen vorſtelle/ daß einer der Flachs geraͤth/ und einer andern verdirbt/ da doch die Sonne beyden ge- ſchienen oder nicht geſchienen hat. Zu dem ſo wird der Lein erſt im Sommer/ und alſo laͤnger als ein viertel Jahr nach Lichtmeß geſaͤet/ daß ſolcher

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/158>, abgerufen am 23.11.2024.