blicum zu Zweifeln -- nicht nur gegen seine Einsichten überhaupt, sondern auch -- gegen sein Herz, berechtiget.
Hatte er Auftrag oder Lust (doch war- um sollte er Lust gehabt haben? er kennet mich so wenig, als ich ihn; nie können per- sönliche unmittelbare oder mittelbare Belei- digungen unter uns vorgefallen seyn: also, hatte er Auftrag --), Feler in meinem Buche aufzusuchen, und sie öffentlich, bit- ter, und grob, bekannt zu machen: warum suchte er nicht einen tüchtigen Subdelegirten auf, der im Stande war, die wirklichen Fe- ler aufzufinden, sie in ihrem ganzen Lichte vorzustellen, oder gar zu verbessern? Jch selbst hätte ihm, wenige Monate schon nach dem Abdrucke meiner Schrift, mit ein paar Duzend von mir selbst gefundenen Felern dienen können: wie leichter muste die Arbeit für jeden andern Historiker seyn, den keine Vaterliebe gegen sein eignes Kind blendete?
Nun da er diese Arbeit selbst übernahm, mußte er notwendig tadeln, wo nichts zu ta- deln war, und statt bündiger Gründe Ver- drehungen, Unwarheiten, Einfälle, und Phra- ses, hinwerfen; mußte er notwendig statt ei-
nes
P 2
blicum zu Zweifeln — nicht nur gegen ſeine Einſichten uͤberhaupt, ſondern auch — gegen ſein Herz, berechtiget.
Hatte er Auftrag oder Luſt (doch war- um ſollte er Luſt gehabt haben? er kennet mich ſo wenig, als ich ihn; nie koͤnnen per- ſoͤnliche unmittelbare oder mittelbare Belei- digungen unter uns vorgefallen ſeyn: alſo, hatte er Auftrag —), Feler in meinem Buche aufzuſuchen, und ſie oͤffentlich, bit- ter, und grob, bekannt zu machen: warum ſuchte er nicht einen tuͤchtigen Subdelegirten auf, der im Stande war, die wirklichen Fe- ler aufzufinden, ſie in ihrem ganzen Lichte vorzuſtellen, oder gar zu verbeſſern? Jch ſelbſt haͤtte ihm, wenige Monate ſchon nach dem Abdrucke meiner Schrift, mit ein paar Duzend von mir ſelbſt gefundenen Felern dienen koͤnnen: wie leichter muſte die Arbeit fuͤr jeden andern Hiſtoriker ſeyn, den keine Vaterliebe gegen ſein eignes Kind blendete?
Nun da er dieſe Arbeit ſelbſt uͤbernahm, mußte er notwendig tadeln, wo nichts zu ta- deln war, und ſtatt buͤndiger Gruͤnde Ver- drehungen, Unwarheiten, Einfaͤlle, und Phra- ſes, hinwerfen; mußte er notwendig ſtatt ei-
nes
P 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0023"n="227[3]"/><fwplace="top"type="header"><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></fw> blicum zu Zweifeln — nicht nur gegen ſeine<lb/><hirendition="#fr">Einſichten uͤberhaupt,</hi>ſondern auch —<lb/>
gegen ſein <hirendition="#fr">Herz,</hi> berechtiget.</p><lb/><p>Hatte er Auftrag oder Luſt (doch war-<lb/>
um ſollte er <hirendition="#fr">Luſt</hi> gehabt haben? er kennet<lb/>
mich ſo wenig, als ich ihn; nie koͤnnen per-<lb/>ſoͤnliche unmittelbare oder mittelbare Belei-<lb/>
digungen unter uns vorgefallen ſeyn: alſo,<lb/>
hatte er <hirendition="#fr">Auftrag</hi>—), Feler in meinem<lb/>
Buche aufzuſuchen, und ſie oͤffentlich, bit-<lb/>
ter, und grob, bekannt zu machen: warum<lb/>ſuchte er nicht einen tuͤchtigen Subdelegirten<lb/>
auf, der im Stande war, die wirklichen Fe-<lb/>
ler aufzufinden, ſie in ihrem ganzen Lichte<lb/>
vorzuſtellen, oder gar zu verbeſſern? Jch<lb/>ſelbſt haͤtte ihm, wenige Monate ſchon nach<lb/>
dem Abdrucke meiner Schrift, mit ein paar<lb/>
Duzend von mir ſelbſt gefundenen Felern<lb/>
dienen koͤnnen: wie leichter muſte die Arbeit<lb/>
fuͤr jeden andern Hiſtoriker ſeyn, den keine<lb/>
Vaterliebe gegen ſein eignes Kind blendete?</p><lb/><p>Nun da er dieſe Arbeit ſelbſt uͤbernahm,<lb/>
mußte er notwendig tadeln, wo nichts zu ta-<lb/>
deln war, und ſtatt buͤndiger Gruͤnde Ver-<lb/>
drehungen, Unwarheiten, Einfaͤlle, und Phra-<lb/>ſes, hinwerfen; mußte er notwendig ſtatt ei-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">P 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">nes</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[227[3]/0023]
blicum zu Zweifeln — nicht nur gegen ſeine
Einſichten uͤberhaupt, ſondern auch —
gegen ſein Herz, berechtiget.
Hatte er Auftrag oder Luſt (doch war-
um ſollte er Luſt gehabt haben? er kennet
mich ſo wenig, als ich ihn; nie koͤnnen per-
ſoͤnliche unmittelbare oder mittelbare Belei-
digungen unter uns vorgefallen ſeyn: alſo,
hatte er Auftrag —), Feler in meinem
Buche aufzuſuchen, und ſie oͤffentlich, bit-
ter, und grob, bekannt zu machen: warum
ſuchte er nicht einen tuͤchtigen Subdelegirten
auf, der im Stande war, die wirklichen Fe-
ler aufzufinden, ſie in ihrem ganzen Lichte
vorzuſtellen, oder gar zu verbeſſern? Jch
ſelbſt haͤtte ihm, wenige Monate ſchon nach
dem Abdrucke meiner Schrift, mit ein paar
Duzend von mir ſelbſt gefundenen Felern
dienen koͤnnen: wie leichter muſte die Arbeit
fuͤr jeden andern Hiſtoriker ſeyn, den keine
Vaterliebe gegen ſein eignes Kind blendete?
Nun da er dieſe Arbeit ſelbſt uͤbernahm,
mußte er notwendig tadeln, wo nichts zu ta-
deln war, und ſtatt buͤndiger Gruͤnde Ver-
drehungen, Unwarheiten, Einfaͤlle, und Phra-
ſes, hinwerfen; mußte er notwendig ſtatt ei-
nes
P 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 2. Göttingen u. a., 1773, S. 227[3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie02_1773/23>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.