Belleslettres und Historie nicht ganz verschie- dene Dinge? So groß er in jenen seyn mag, so nichts ist er in dieser: das muß ihm sein Herz sagen, das verraten alle seine Schriften, das beweiset gegenwärtige Recen- sion urkundlich. Zwar fouragiret hat er weit und breit in historischen Schriften; das sehe ich aus seinen Fragmenten, und aus seiner Abhandl. über den Ursprung der Spra- che. Aber glaubt er nicht, daß es auch Hi- storiker gebe, die Jar aus Jar ein eben so viel Gedichte und andre Werke des Witzes, wie er Historien, zum Vergnügen lesen, und die er doch nimmermer für Zunftgenossen er- kennen wird? Wie kam er nun auf den un- glücklichen Einfall, in einem historischen Buche, das offenbar nur von Zunftgenos- sen verstanden werden kan und beurteilt wer- den soll, -- nicht zu fouragiren, sondern -- sich darüber zum Richter aufzuwerfen, und was noch mer ist, sein ihn entehrendes Urteil so patzig, so spöttisch, mit so vieler Zuversicht, mit so süsser Selbstgenugsam- keit, abzufassen, und es drucken zu lassen, in eine gelerte Zeitung drucken zu lassen! Er- kläre er mir doch diesen Einfall anders, als aus der eiteln Jdee, daß ein Belletriste
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Belleslettres und Hiſtorie nicht ganz verſchie- dene Dinge? So groß er in jenen ſeyn mag, ſo nichts iſt er in dieſer: das muß ihm ſein Herz ſagen, das verraten alle ſeine Schriften, das beweiſet gegenwaͤrtige Recen- ſion urkundlich. Zwar fouragiret hat er weit und breit in hiſtoriſchen Schriften; das ſehe ich aus ſeinen Fragmenten, und aus ſeiner Abhandl. uͤber den Urſprung der Spra- che. Aber glaubt er nicht, daß es auch Hi- ſtoriker gebe, die Jar aus Jar ein eben ſo viel Gedichte und andre Werke des Witzes, wie er Hiſtorien, zum Vergnuͤgen leſen, und die er doch nimmermer fuͤr Zunftgenoſſen er- kennen wird? Wie kam er nun auf den un- gluͤcklichen Einfall, in einem hiſtoriſchen Buche, das offenbar nur von Zunftgenoſ- ſen verſtanden werden kan und beurteilt wer- den ſoll, — nicht zu fouragiren, ſondern — ſich daruͤber zum Richter aufzuwerfen, und was noch mer iſt, ſein ihn entehrendes Urteil ſo patzig, ſo ſpoͤttiſch, mit ſo vieler Zuverſicht, mit ſo ſuͤſſer Selbſtgenugſam- keit, abzufaſſen, und es drucken zu laſſen, in eine gelerte Zeitung drucken zu laſſen! Er- klaͤre er mir doch dieſen Einfall anders, als aus der eiteln Jdee, daß ein Belletriſte
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Belleslettres und Hiſtorie nicht ganz verſchie-
dene Dinge? So groß er in jenen ſeyn
mag, ſo nichts iſt er in dieſer: das muß
ihm ſein Herz ſagen, das verraten alle ſeine
Schriften, das beweiſet gegenwaͤrtige Recen-
ſion urkundlich. Zwar fouragiret hat er
weit und breit in hiſtoriſchen Schriften;
das ſehe ich aus ſeinen Fragmenten, und aus
ſeiner Abhandl. uͤber den Urſprung der Spra-
che. Aber glaubt er nicht, daß es auch Hi-
ſtoriker gebe, die Jar aus Jar ein eben ſo
viel Gedichte und andre Werke des Witzes,
wie er Hiſtorien, zum Vergnuͤgen leſen, und
die er doch nimmermer fuͤr Zunftgenoſſen er-
kennen wird? Wie kam er nun auf den un-
gluͤcklichen Einfall, in einem hiſtoriſchen
Buche, das offenbar nur von Zunftgenoſ-
ſen verſtanden werden kan und beurteilt wer-
den ſoll, — nicht zu fouragiren, ſondern
— ſich daruͤber zum Richter aufzuwerfen,
und was noch mer iſt, ſein ihn entehrendes
Urteil ſo patzig, ſo ſpoͤttiſch, mit ſo vieler
Zuverſicht, mit ſo ſuͤſſer Selbſtgenugſam-
keit, abzufaſſen, und es drucken zu laſſen,
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Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 2. Göttingen u. a., 1773, S. 390[166]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie02_1773/186>, abgerufen am 06.05.2024.
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