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Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874.

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die stützmauer bezeichnet die stelle des minervatempels.
von grösster Heiligkeit zu befestigen. Ich glaube dies um
so mehr, als die Stützmauer hier einen Bogen bildet und
die ganze Nordostecke des Berges zu bekleiden scheint,
welche das äusserste Ende der Pergamos war, und
Homer's Angabe über die Lage des Tempels der Minerva:
"en polei akre" (Ilias, VI, 297) vollkommen entspricht.
Ich hege keinen Zweifel, dass ich, mit dieser Stützmauer
emporsteigend, die Ruinen jenes uralten Tempels schon
in weniger als 10 Meter Abstand finde. Aber um wei-
ter zu graben, muss ich vor allen Dingen die mehrer-
wähnte 3 Meter hohe und 2 Meter dicke trojanische
Mauer einreissen und gewaltige Schuttmassen wegräu-
men, und muss ich diese Arbeit bis zum 1. Februar ver-
schieben, denn jetzt bin ich zu krank und müde dazu.
Die Entdeckung des uralten Tempels der Minerva auf
des Berges Nordostecke würde dann auch das grosse
Räthsel lösen, woher die kolossale Schuttaufhäufung
kommt, welche hier den Bergabhang mit einer stein-
harten Kruste von 40 Meter Dicke bekleidet, und von
der ich nicht nur bei dieser Ausgrabung, sondern auch
auf den östlichen 25 Metern meiner grossen Plateforme
so sehr viel zu leiden hatte. Man würde finden, dass
diese riesige Kruste nur durch die Ueberbleibsel der der
ilischen Minerva dargebrachten Opfer entstanden ist.

Ich hatte die Stützmauer bis zu meiner Abreise
am 15. August gar nicht bemerkt, und bemerkte sie auch
jetzt erst, weil der Regen zwei Steine davon ans Licht
gebracht hatte. Sie ist aus 30 bis 66 Centimeter langen
und breiten, mit Erde vereinigten Muschelkalksteinen
gebaut und bekleidet höchst wahrscheinlich die ganze
nordöstliche Bergecke von unten bis oben. Ich ver-

die stützmauer bezeichnet die stelle des minervatempels.
von grösster Heiligkeit zu befestigen. Ich glaube dies um
so mehr, als die Stützmauer hier einen Bogen bildet und
die ganze Nordostecke des Berges zu bekleiden scheint,
welche das äusserste Ende der Pergamos war, und
Homer’s Angabe über die Lage des Tempels der Minerva:
„ἐν πόλει ἄκρῃ“ (Ilias, VI, 297) vollkommen entspricht.
Ich hege keinen Zweifel, dass ich, mit dieser Stützmauer
emporsteigend, die Ruinen jenes uralten Tempels schon
in weniger als 10 Meter Abstand finde. Aber um wei-
ter zu graben, muss ich vor allen Dingen die mehrer-
wähnte 3 Meter hohe und 2 Meter dicke trojanische
Mauer einreissen und gewaltige Schuttmassen wegräu-
men, und muss ich diese Arbeit bis zum 1. Februar ver-
schieben, denn jetzt bin ich zu krank und müde dazu.
Die Entdeckung des uralten Tempels der Minerva auf
des Berges Nordostecke würde dann auch das grosse
Räthsel lösen, woher die kolossale Schuttaufhäufung
kommt, welche hier den Bergabhang mit einer stein-
harten Kruste von 40 Meter Dicke bekleidet, und von
der ich nicht nur bei dieser Ausgrabung, sondern auch
auf den östlichen 25 Metern meiner grossen Plateforme
so sehr viel zu leiden hatte. Man würde finden, dass
diese riesige Kruste nur durch die Ueberbleibsel der der
ilischen Minerva dargebrachten Opfer entstanden ist.

Ich hatte die Stützmauer bis zu meiner Abreise
am 15. August gar nicht bemerkt, und bemerkte sie auch
jetzt erst, weil der Regen zwei Steine davon ans Licht
gebracht hatte. Sie ist aus 30 bis 66 Centimeter langen
und breiten, mit Erde vereinigten Muschelkalksteinen
gebaut und bekleidet höchst wahrscheinlich die ganze
nordöstliche Bergecke von unten bis oben. Ich ver-

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[182/0248] die stützmauer bezeichnet die stelle des minervatempels. von grösster Heiligkeit zu befestigen. Ich glaube dies um so mehr, als die Stützmauer hier einen Bogen bildet und die ganze Nordostecke des Berges zu bekleiden scheint, welche das äusserste Ende der Pergamos war, und Homer’s Angabe über die Lage des Tempels der Minerva: „ἐν πόλει ἄκρῃ“ (Ilias, VI, 297) vollkommen entspricht. Ich hege keinen Zweifel, dass ich, mit dieser Stützmauer emporsteigend, die Ruinen jenes uralten Tempels schon in weniger als 10 Meter Abstand finde. Aber um wei- ter zu graben, muss ich vor allen Dingen die mehrer- wähnte 3 Meter hohe und 2 Meter dicke trojanische Mauer einreissen und gewaltige Schuttmassen wegräu- men, und muss ich diese Arbeit bis zum 1. Februar ver- schieben, denn jetzt bin ich zu krank und müde dazu. Die Entdeckung des uralten Tempels der Minerva auf des Berges Nordostecke würde dann auch das grosse Räthsel lösen, woher die kolossale Schuttaufhäufung kommt, welche hier den Bergabhang mit einer stein- harten Kruste von 40 Meter Dicke bekleidet, und von der ich nicht nur bei dieser Ausgrabung, sondern auch auf den östlichen 25 Metern meiner grossen Plateforme so sehr viel zu leiden hatte. Man würde finden, dass diese riesige Kruste nur durch die Ueberbleibsel der der ilischen Minerva dargebrachten Opfer entstanden ist. Ich hatte die Stützmauer bis zu meiner Abreise am 15. August gar nicht bemerkt, und bemerkte sie auch jetzt erst, weil der Regen zwei Steine davon ans Licht gebracht hatte. Sie ist aus 30 bis 66 Centimeter langen und breiten, mit Erde vereinigten Muschelkalksteinen gebaut und bekleidet höchst wahrscheinlich die ganze nordöstliche Bergecke von unten bis oben. Ich ver-

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Zitationshilfe: Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/248>, abgerufen am 27.04.2024.