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Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874.

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krankenheilungen durch baden.
ist der Priester der Gemeindearzt, und da er selbst keine
Medicin besitzt, auch nichts davon versteht, und immer
einen angeborenen Ekel gegen kaltes Wasser und alle
Arten von Waschungen hat, so gebraucht er nie ein
anderes Mittel als Aderlassen, welches natürlich die ar-
men Leute zu Grunde richtet. Oft zeigen schon die
Runzeln rechts und links neben den Lippen der 10- und
12jährigen Kinder, dass der Pfaffe ihnen bereits mehr-
mals Blut abgezapft hat. Ich hasse aber das Blutver-
giessen und schwärme für Kaltwassercur; ich lasse daher
niemand zur Ader und verordne fast bei allen Krank-
heiten die Seebäder, die hier, ausser mir, der ich keine
Zeit dazu habe, allen zu Gebote stehen. Meine Ver-
ordnung dieser Bäder hat ein solches Vertrauen und
sogar Enthusiasmus erweckt, dass selbst Frauen,
welche zu sterben glaubten, wenn sie ihren Körper mit
kaltem Wasser berührten, jetzt freudig ins Meer gehen
und untertauchen. Unter andern wurde vor 14 Tagen
ein 17jähriges Mädchen aus Neo-Chori zu mir gebracht;
ihr Körper war mit Geschwüren bedeckt, besonders das
Gesicht, und ein furchtbares Geschwür auf dem linken
Auge hatte dasselbe geblendet; sie konnte kaum
sprechen, nicht gehen oder stehen, hatte, wie ihre Mutter
versicherte, gar keinen Appetit, ihre Brust war einge-
fallen und sie hustete. Ich sah sogleich, dass nur durch
furchtbares Aderlassen und daraus entstandenen Blut-
mangel alle jene Leiden entsprungen waren, und fragte
daher nicht ob, sondern nur wieviel mal ihr Blut ab-
gezapft wäre. Die Antwort war, sie hätte sich erkältet
gehabt und der Dorfpriester hätte ihr siebenmal in einem
Monat zur Ader gelassen. Ich gab ihr einen Löffel voll

Schliemann, Troja. 7

krankenheilungen durch baden.
ist der Priester der Gemeindearzt, und da er selbst keine
Medicin besitzt, auch nichts davon versteht, und immer
einen angeborenen Ekel gegen kaltes Wasser und alle
Arten von Waschungen hat, so gebraucht er nie ein
anderes Mittel als Aderlassen, welches natürlich die ar-
men Leute zu Grunde richtet. Oft zeigen schon die
Runzeln rechts und links neben den Lippen der 10- und
12jährigen Kinder, dass der Pfaffe ihnen bereits mehr-
mals Blut abgezapft hat. Ich hasse aber das Blutver-
giessen und schwärme für Kaltwassercur; ich lasse daher
niemand zur Ader und verordne fast bei allen Krank-
heiten die Seebäder, die hier, ausser mir, der ich keine
Zeit dazu habe, allen zu Gebote stehen. Meine Ver-
ordnung dieser Bäder hat ein solches Vertrauen und
sogar Enthusiasmus erweckt, dass selbst Frauen,
welche zu sterben glaubten, wenn sie ihren Körper mit
kaltem Wasser berührten, jetzt freudig ins Meer gehen
und untertauchen. Unter andern wurde vor 14 Tagen
ein 17jähriges Mädchen aus Neo-Chori zu mir gebracht;
ihr Körper war mit Geschwüren bedeckt, besonders das
Gesicht, und ein furchtbares Geschwür auf dem linken
Auge hatte dasselbe geblendet; sie konnte kaum
sprechen, nicht gehen oder stehen, hatte, wie ihre Mutter
versicherte, gar keinen Appetit, ihre Brust war einge-
fallen und sie hustete. Ich sah sogleich, dass nur durch
furchtbares Aderlassen und daraus entstandenen Blut-
mangel alle jene Leiden entsprungen waren, und fragte
daher nicht ob, sondern nur wieviel mal ihr Blut ab-
gezapft wäre. Die Antwort war, sie hätte sich erkältet
gehabt und der Dorfpriester hätte ihr siebenmal in einem
Monat zur Ader gelassen. Ich gab ihr einen Löffel voll

Schliemann, Troja. 7
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[97/0163] krankenheilungen durch baden. ist der Priester der Gemeindearzt, und da er selbst keine Medicin besitzt, auch nichts davon versteht, und immer einen angeborenen Ekel gegen kaltes Wasser und alle Arten von Waschungen hat, so gebraucht er nie ein anderes Mittel als Aderlassen, welches natürlich die ar- men Leute zu Grunde richtet. Oft zeigen schon die Runzeln rechts und links neben den Lippen der 10- und 12jährigen Kinder, dass der Pfaffe ihnen bereits mehr- mals Blut abgezapft hat. Ich hasse aber das Blutver- giessen und schwärme für Kaltwassercur; ich lasse daher niemand zur Ader und verordne fast bei allen Krank- heiten die Seebäder, die hier, ausser mir, der ich keine Zeit dazu habe, allen zu Gebote stehen. Meine Ver- ordnung dieser Bäder hat ein solches Vertrauen und sogar Enthusiasmus erweckt, dass selbst Frauen, welche zu sterben glaubten, wenn sie ihren Körper mit kaltem Wasser berührten, jetzt freudig ins Meer gehen und untertauchen. Unter andern wurde vor 14 Tagen ein 17jähriges Mädchen aus Neo-Chori zu mir gebracht; ihr Körper war mit Geschwüren bedeckt, besonders das Gesicht, und ein furchtbares Geschwür auf dem linken Auge hatte dasselbe geblendet; sie konnte kaum sprechen, nicht gehen oder stehen, hatte, wie ihre Mutter versicherte, gar keinen Appetit, ihre Brust war einge- fallen und sie hustete. Ich sah sogleich, dass nur durch furchtbares Aderlassen und daraus entstandenen Blut- mangel alle jene Leiden entsprungen waren, und fragte daher nicht ob, sondern nur wieviel mal ihr Blut ab- gezapft wäre. Die Antwort war, sie hätte sich erkältet gehabt und der Dorfpriester hätte ihr siebenmal in einem Monat zur Ader gelassen. Ich gab ihr einen Löffel voll Schliemann, Troja. 7

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Zitationshilfe: Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/163>, abgerufen am 28.11.2024.