Reihen im Großen und Kleinen, also kann einem bei jedem etwas aus einer andern einfallen: Parallelismus des physischen und ethischen, des musikalischen und malerischen u. s. w. Die Aufmerksamkeit darf aber hierauf nur gerichtet werden, wenn uneigentliche Ausdrücke dazu Anzeichen geben. Daß es auch ohne solche Anzeichen besonders beim Homer und bei der Bi- bel geschehen ist, beruhet auf einem besonderen Grunde. Dieser ist bei Homer und beim A. T. die Einzigkeit jenes (des Ho- mer) als allgemeinen Bildungsbuches, des A. T. als Litteratur überhaupt, aus welchem alles mußte genommen werden. Da- zu noch bei beiden der mythische Gehalt der auf der einen Seite in gnomische Philosophie, auf der anderen in Geschichte ausgeht. Für den Mythus giebt es aber keine technische In- terpretation weil er nicht von einem Einzelnen herrühren kann, und das Schwanken des gemeinen Verständnisses zwischen dem eigentlichen und uneigentlichen Sinn macht hier die Duplicität am scheinbarsten. -- Mit dem N. T. hat es freilich eine an- dere Bewandniß, und bei diesem erklärt sich das Verfahren aus zwei Gründen. Einmal aus seinem Zusammenhange mit dem Alten, bei dem diese Erklärungsart hergebracht war und also auf die anfangende gelehrte Auslegung übergetragen wurde. Dann aus der hier noch mehr als beim A. T. ausgebildeten Vor- stellung den heiligen Geist als Verfasser anzusehen. Der hei- lige Geist kann nicht gedacht werden als ein zeitlich wechselndes einzelnes Bewußtsein. Daher auch hier die Neigung in jedem alles zu finden. Allgemeine Wahrheiten oder einzelne bestimmte Vorschriften befriedigen diese von selbst, aber das am meisten vereinzelte und an sich unbedeutende reizt sie.
4. Hier dringt sich uns nun beiläufig die Frage auf, ob die heiligen Bücher des heiligen Geistes wegen anders müßten be- handelt werden? Dogmatische Entscheidung über die Inspira- tion dürfen wir nicht erwarten weil diese ja selbst auf der Auslegung ruhen muß. Wir müssen erstlich einen Unter- schied zwischen Reden und Schreiben der Apostel nicht statuiren.
Reihen im Großen und Kleinen, alſo kann einem bei jedem etwas aus einer andern einfallen: Parallelismus des phyſiſchen und ethiſchen, des muſikaliſchen und maleriſchen u. ſ. w. Die Aufmerkſamkeit darf aber hierauf nur gerichtet werden, wenn uneigentliche Ausdruͤcke dazu Anzeichen geben. Daß es auch ohne ſolche Anzeichen beſonders beim Homer und bei der Bi- bel geſchehen iſt, beruhet auf einem beſonderen Grunde. Dieſer iſt bei Homer und beim A. T. die Einzigkeit jenes (des Ho- mer) als allgemeinen Bildungsbuches, des A. T. als Litteratur uͤberhaupt, aus welchem alles mußte genommen werden. Da- zu noch bei beiden der mythiſche Gehalt der auf der einen Seite in gnomiſche Philoſophie, auf der anderen in Geſchichte ausgeht. Fuͤr den Mythus giebt es aber keine techniſche In- terpretation weil er nicht von einem Einzelnen herruͤhren kann, und das Schwanken des gemeinen Verſtaͤndniſſes zwiſchen dem eigentlichen und uneigentlichen Sinn macht hier die Duplicitaͤt am ſcheinbarſten. — Mit dem N. T. hat es freilich eine an- dere Bewandniß, und bei dieſem erklaͤrt ſich das Verfahren aus zwei Gruͤnden. Einmal aus ſeinem Zuſammenhange mit dem Alten, bei dem dieſe Erklaͤrungsart hergebracht war und alſo auf die anfangende gelehrte Auslegung uͤbergetragen wurde. Dann aus der hier noch mehr als beim A. T. ausgebildeten Vor- ſtellung den heiligen Geiſt als Verfaſſer anzuſehen. Der hei- lige Geiſt kann nicht gedacht werden als ein zeitlich wechſelndes einzelnes Bewußtſein. Daher auch hier die Neigung in jedem alles zu finden. Allgemeine Wahrheiten oder einzelne beſtimmte Vorſchriften befriedigen dieſe von ſelbſt, aber das am meiſten vereinzelte und an ſich unbedeutende reizt ſie.
4. Hier dringt ſich uns nun beilaͤufig die Frage auf, ob die heiligen Buͤcher des heiligen Geiſtes wegen anders muͤßten be- handelt werden? Dogmatiſche Entſcheidung uͤber die Inſpira- tion duͤrfen wir nicht erwarten weil dieſe ja ſelbſt auf der Auslegung ruhen muß. Wir muͤſſen erſtlich einen Unter- ſchied zwiſchen Reden und Schreiben der Apoſtel nicht ſtatuiren.
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Reihen im Großen und Kleinen, alſo kann einem bei jedem
etwas aus einer andern einfallen: Parallelismus des phyſiſchen
und ethiſchen, des muſikaliſchen und maleriſchen u. ſ. w. Die
Aufmerkſamkeit darf aber hierauf nur gerichtet werden, wenn
uneigentliche Ausdruͤcke dazu Anzeichen geben. Daß es auch
ohne ſolche Anzeichen beſonders beim Homer und bei der Bi-
bel geſchehen iſt, beruhet auf einem beſonderen Grunde. Dieſer
iſt bei Homer und beim A. T. die Einzigkeit jenes (des Ho-
mer) als allgemeinen Bildungsbuches, des A. T. als Litteratur
uͤberhaupt, aus welchem alles mußte genommen werden. Da-
zu noch bei beiden der mythiſche Gehalt der auf der einen
Seite in gnomiſche Philoſophie, auf der anderen in Geſchichte
ausgeht. Fuͤr den Mythus giebt es aber keine techniſche In-
terpretation weil er nicht von einem Einzelnen herruͤhren kann,
und das Schwanken des gemeinen Verſtaͤndniſſes zwiſchen dem
eigentlichen und uneigentlichen Sinn macht hier die Duplicitaͤt
am ſcheinbarſten. — Mit dem N. T. hat es freilich eine an-
dere Bewandniß, und bei dieſem erklaͤrt ſich das Verfahren
aus zwei Gruͤnden. Einmal aus ſeinem Zuſammenhange mit
dem Alten, bei dem dieſe Erklaͤrungsart hergebracht war und
alſo auf die anfangende gelehrte Auslegung uͤbergetragen wurde.
Dann aus der hier noch mehr als beim A. T. ausgebildeten Vor-
ſtellung den heiligen Geiſt als Verfaſſer anzuſehen. Der hei-
lige Geiſt kann nicht gedacht werden als ein zeitlich wechſelndes
einzelnes Bewußtſein. Daher auch hier die Neigung in jedem
alles zu finden. Allgemeine Wahrheiten oder einzelne beſtimmte
Vorſchriften befriedigen dieſe von ſelbſt, aber das am meiſten
vereinzelte und an ſich unbedeutende reizt ſie.
4. Hier dringt ſich uns nun beilaͤufig die Frage auf, ob die
heiligen Buͤcher des heiligen Geiſtes wegen anders muͤßten be-
handelt werden? Dogmatiſche Entſcheidung uͤber die Inſpira-
tion duͤrfen wir nicht erwarten weil dieſe ja ſelbſt auf der
Auslegung ruhen muß. Wir muͤſſen erſtlich einen Unter-
ſchied zwiſchen Reden und Schreiben der Apoſtel nicht ſtatuiren.
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/46>, abgerufen am 05.12.2024.
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