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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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man natürlich nicht mehr Buchstaben in dem einen wie in dem an-
dern. Dasselbe Wort könnte aber auch von einem Schreibkünstler so
klein geschrieben seyn, daß es dem unbewaffneten Auge nur wie ein
einziges schwarzes Pünctchen erschiene. Hier würde die Vergrößerung
das Pünctchen in seine einzelnen Theile auflösen und die Buchstaben
und Züge derselben deutlich erkennen lassen, aber eine fernere Ver-
größerung würde dann wohl den Maaßstab, nach welchem die ein-
zelnen Theile erscheinen, vergrößern, aber ohne feinere Theile, die
früher nicht erkennbar waren, zur Anschauung bringen. Ein ähnliches
Verhältniß findet nun beim Microscop statt. Bis zu einem gewissen
Grade ist das Bild, welches das Objectiv von dem Gegenstande ent-
wirft ein solches, daß die in demselben enthaltenen Einzelnheiten noch
durch das Ocular aufgelöst oder deutlich gemacht werden. Aber bald
tritt die Grenze ein, bei welcher wegen der Unvollkommenheit der
Objective das von ihnen entworfene Bild zwar noch vergrößert wer-
den kann, aber ohne daß dabei mehr einzelne Theile erkennbar werden.
Es besteht gleichsam aus einer bestimmten Anzahl von Buchstaben,
die stärker vergrößert, sich zwar bequemer erkennen lassen, aber ohne
daß diese stärkere Vergrößerung einen scheinbar einfachen Buchstaben
als noch aus zweien zusammengesetzt zeigte. -- Auf diese Weise tritt
das merkwürdige Verhältniß ein, daß man häufig mit einem besser
gearbeiten Microscop bei schwächerer Vergrößerung bei weitem mehr
sieht, d. h. mehr Einzelnheiten des Gegenstandes erkennt, als bei
viel stärkeren Vergrößerungen eines minder gut gearbeiteten Instru-
mentes. -- Da es aber bei allen wissenschaftlichen Untersuchungen
gerade auf die Erkennung der einzelnen Theile und Structurverhält-
nisse ankommt, so haben die Vergrößerungen überhaupt nur bis so
weit Bedeutung, als dieser Anforderung noch entsprochen wird. Diese
Grenze fällt aber bei allen bis jetzt gebauten Instrumenten auf eine
Vergrößerung von etwa 3--400 mal im Durchmesser und alle stär-
keren Vergrößerungen sind theils unbrauchbare Spielereien, theils
und zwar am häufigsten nur angeblich, wie die millionenfachen Ver-
größerungen der Hydrooxygengasmicroscope, mit denen herumziehende

man natürlich nicht mehr Buchſtaben in dem einen wie in dem an-
dern. Daſſelbe Wort könnte aber auch von einem Schreibkünſtler ſo
klein geſchrieben ſeyn, daß es dem unbewaffneten Auge nur wie ein
einziges ſchwarzes Pünctchen erſchiene. Hier würde die Vergrößerung
das Pünctchen in ſeine einzelnen Theile auflöſen und die Buchſtaben
und Züge derſelben deutlich erkennen laſſen, aber eine fernere Ver-
größerung würde dann wohl den Maaßſtab, nach welchem die ein-
zelnen Theile erſcheinen, vergrößern, aber ohne feinere Theile, die
früher nicht erkennbar waren, zur Anſchauung bringen. Ein ähnliches
Verhältniß findet nun beim Microſcop ſtatt. Bis zu einem gewiſſen
Grade iſt das Bild, welches das Objectiv von dem Gegenſtande ent-
wirft ein ſolches, daß die in demſelben enthaltenen Einzelnheiten noch
durch das Ocular aufgelöſt oder deutlich gemacht werden. Aber bald
tritt die Grenze ein, bei welcher wegen der Unvollkommenheit der
Objective das von ihnen entworfene Bild zwar noch vergrößert wer-
den kann, aber ohne daß dabei mehr einzelne Theile erkennbar werden.
Es beſteht gleichſam aus einer beſtimmten Anzahl von Buchſtaben,
die ſtärker vergrößert, ſich zwar bequemer erkennen laſſen, aber ohne
daß dieſe ſtärkere Vergrößerung einen ſcheinbar einfachen Buchſtaben
als noch aus zweien zuſammengeſetzt zeigte. — Auf dieſe Weiſe tritt
das merkwürdige Verhältniß ein, daß man häufig mit einem beſſer
gearbeiten Microſcop bei ſchwächerer Vergrößerung bei weitem mehr
ſieht, d. h. mehr Einzelnheiten des Gegenſtandes erkennt, als bei
viel ſtärkeren Vergrößerungen eines minder gut gearbeiteten Inſtru-
mentes. — Da es aber bei allen wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen
gerade auf die Erkennung der einzelnen Theile und Structurverhält-
niſſe ankommt, ſo haben die Vergrößerungen überhaupt nur bis ſo
weit Bedeutung, als dieſer Anforderung noch entſprochen wird. Dieſe
Grenze fällt aber bei allen bis jetzt gebauten Inſtrumenten auf eine
Vergrößerung von etwa 3—400 mal im Durchmeſſer und alle ſtär-
keren Vergrößerungen ſind theils unbrauchbare Spielereien, theils
und zwar am häufigſten nur angeblich, wie die millionenfachen Ver-
größerungen der Hydrooxygengasmicroſcope, mit denen herumziehende

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[27/0043] man natürlich nicht mehr Buchſtaben in dem einen wie in dem an- dern. Daſſelbe Wort könnte aber auch von einem Schreibkünſtler ſo klein geſchrieben ſeyn, daß es dem unbewaffneten Auge nur wie ein einziges ſchwarzes Pünctchen erſchiene. Hier würde die Vergrößerung das Pünctchen in ſeine einzelnen Theile auflöſen und die Buchſtaben und Züge derſelben deutlich erkennen laſſen, aber eine fernere Ver- größerung würde dann wohl den Maaßſtab, nach welchem die ein- zelnen Theile erſcheinen, vergrößern, aber ohne feinere Theile, die früher nicht erkennbar waren, zur Anſchauung bringen. Ein ähnliches Verhältniß findet nun beim Microſcop ſtatt. Bis zu einem gewiſſen Grade iſt das Bild, welches das Objectiv von dem Gegenſtande ent- wirft ein ſolches, daß die in demſelben enthaltenen Einzelnheiten noch durch das Ocular aufgelöſt oder deutlich gemacht werden. Aber bald tritt die Grenze ein, bei welcher wegen der Unvollkommenheit der Objective das von ihnen entworfene Bild zwar noch vergrößert wer- den kann, aber ohne daß dabei mehr einzelne Theile erkennbar werden. Es beſteht gleichſam aus einer beſtimmten Anzahl von Buchſtaben, die ſtärker vergrößert, ſich zwar bequemer erkennen laſſen, aber ohne daß dieſe ſtärkere Vergrößerung einen ſcheinbar einfachen Buchſtaben als noch aus zweien zuſammengeſetzt zeigte. — Auf dieſe Weiſe tritt das merkwürdige Verhältniß ein, daß man häufig mit einem beſſer gearbeiten Microſcop bei ſchwächerer Vergrößerung bei weitem mehr ſieht, d. h. mehr Einzelnheiten des Gegenſtandes erkennt, als bei viel ſtärkeren Vergrößerungen eines minder gut gearbeiteten Inſtru- mentes. — Da es aber bei allen wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen gerade auf die Erkennung der einzelnen Theile und Structurverhält- niſſe ankommt, ſo haben die Vergrößerungen überhaupt nur bis ſo weit Bedeutung, als dieſer Anforderung noch entſprochen wird. Dieſe Grenze fällt aber bei allen bis jetzt gebauten Inſtrumenten auf eine Vergrößerung von etwa 3—400 mal im Durchmeſſer und alle ſtär- keren Vergrößerungen ſind theils unbrauchbare Spielereien, theils und zwar am häufigſten nur angeblich, wie die millionenfachen Ver- größerungen der Hydrooxygengasmicroſcope, mit denen herumziehende

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/43>, abgerufen am 28.03.2024.