Unerklärbar ist das Wesen der Schönheit. Nur im Gefühle er- scheint es dem empfänglichen Gemüth und dem logisch ordnenden, wissenschaftlich verknüpfenden, theoretisch ableitenden Verstande bleibt es immer ein fremdes, verschlossenes Gebiet. Aber
"Was kein Verstand der Verständigen sieht Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüth."
Wenn wir mit unseren Beobachtungen und Experimenten, mit Zergliederungen, Schlüssen und Beweisen uns die Natur in ein plan verständliches Gewebe von Stoffen und Kräften zerfasert haben, treten uns die Schönheit und Erhabenheit derselben dazwischen, ver- knüpfen das Zerlegte wieder zu einem einigen Ganzen und spotten unserer Bemühungen das ewig Unbegreifliche begreifen zu wollen. Wir erklären's nicht und doch ist es wahr, wir begreifen's nicht und doch ist es da. Das reine Gemüth spricht es ohne Zaudern aus, was der schärfste Verstand nicht findet:
"Die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die Veste verkündet seiner Hände Werk. Ein Tag sagt es dem Andern und eine Nacht thut es kund der Andern."
Immerhin, was wir nicht begreifen, nicht erklären können, mag doch vielleicht in so fern einer Auseinandersetzung und Darlegung fähig seyn, daß wir uns klar machen wo, wie und warum das Unbe- greifliche nothwendig eintritt in das Gesammtgebiet unseres Geistes- lebens. Wenn wir das Wesen der Schönheit an sich auch nicht ent- wickeln können, so ist es uns doch vielleicht möglich aufzufinden, was sie für uns, die Menschen, bedeutet, wie sie erscheint und was ihre wirkenden Elemente sind.
Der Naturforscher kennt und versteht keine andere Entwicklung
Unerklärbar iſt das Weſen der Schönheit. Nur im Gefühle er- ſcheint es dem empfänglichen Gemüth und dem logiſch ordnenden, wiſſenſchaftlich verknüpfenden, theoretiſch ableitenden Verſtande bleibt es immer ein fremdes, verſchloſſenes Gebiet. Aber
„Was kein Verſtand der Verſtändigen ſieht Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüth.“
Wenn wir mit unſeren Beobachtungen und Experimenten, mit Zergliederungen, Schlüſſen und Beweiſen uns die Natur in ein plan verſtändliches Gewebe von Stoffen und Kräften zerfaſert haben, treten uns die Schönheit und Erhabenheit derſelben dazwiſchen, ver- knüpfen das Zerlegte wieder zu einem einigen Ganzen und ſpotten unſerer Bemühungen das ewig Unbegreifliche begreifen zu wollen. Wir erklären's nicht und doch iſt es wahr, wir begreifen's nicht und doch iſt es da. Das reine Gemüth ſpricht es ohne Zaudern aus, was der ſchärfſte Verſtand nicht findet:
„Die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die Veſte verkündet ſeiner Hände Werk. Ein Tag ſagt es dem Andern und eine Nacht thut es kund der Andern.“
Immerhin, was wir nicht begreifen, nicht erklären können, mag doch vielleicht in ſo fern einer Auseinanderſetzung und Darlegung fähig ſeyn, daß wir uns klar machen wo, wie und warum das Unbe- greifliche nothwendig eintritt in das Geſammtgebiet unſeres Geiſtes- lebens. Wenn wir das Weſen der Schönheit an ſich auch nicht ent- wickeln können, ſo iſt es uns doch vielleicht möglich aufzufinden, was ſie für uns, die Menſchen, bedeutet, wie ſie erſcheint und was ihre wirkenden Elemente ſind.
Der Naturforſcher kennt und verſteht keine andere Entwicklung
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[[287]/0303]
Unerklärbar iſt das Weſen der Schönheit. Nur im Gefühle er-
ſcheint es dem empfänglichen Gemüth und dem logiſch ordnenden,
wiſſenſchaftlich verknüpfenden, theoretiſch ableitenden Verſtande bleibt
es immer ein fremdes, verſchloſſenes Gebiet. Aber
„Was kein Verſtand der Verſtändigen ſieht
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüth.“
Wenn wir mit unſeren Beobachtungen und Experimenten, mit
Zergliederungen, Schlüſſen und Beweiſen uns die Natur in ein plan
verſtändliches Gewebe von Stoffen und Kräften zerfaſert haben,
treten uns die Schönheit und Erhabenheit derſelben dazwiſchen, ver-
knüpfen das Zerlegte wieder zu einem einigen Ganzen und ſpotten
unſerer Bemühungen das ewig Unbegreifliche begreifen zu wollen.
Wir erklären's nicht und doch iſt es wahr, wir begreifen's nicht und
doch iſt es da. Das reine Gemüth ſpricht es ohne Zaudern aus,
was der ſchärfſte Verſtand nicht findet:
„Die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die Veſte verkündet
ſeiner Hände Werk. Ein Tag ſagt es dem Andern und eine Nacht
thut es kund der Andern.“
Immerhin, was wir nicht begreifen, nicht erklären können, mag
doch vielleicht in ſo fern einer Auseinanderſetzung und Darlegung
fähig ſeyn, daß wir uns klar machen wo, wie und warum das Unbe-
greifliche nothwendig eintritt in das Geſammtgebiet unſeres Geiſtes-
lebens. Wenn wir das Weſen der Schönheit an ſich auch nicht ent-
wickeln können, ſo iſt es uns doch vielleicht möglich aufzufinden, was
ſie für uns, die Menſchen, bedeutet, wie ſie erſcheint und was ihre
wirkenden Elemente ſind.
Der Naturforſcher kennt und verſteht keine andere Entwicklung
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. [287]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/303>, abgerufen am 16.07.2024.
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