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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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wenn sie mehrere Generationen hindurch unter denselben Bedingungen
fortvegetiren, zuletzt in Unterarten, das heißt in Spielarten, die sich
mit Sicherheit durch ihren Saamen fortpflanzen lassen, übergehen, wie
das z. B. unsere Erbsenbeete, unsere Kohlpflanzungen, unsere Wei-
zenfelder beweisen. Wie nun aber, wenn dieselben Einflüsse, die eine
Abänderung der ursprünglichen Form einer Pflanze hervorriefen, nicht
Jahrhunderte und Jahrtausende, sondern 10 und 100 Tausend Jahre
in gleicher Weise zu wirken fortfahren, -- wird nicht da zuletzt wie aus
der Spielart eine Unterart, so aus dieser eine so feststehende Pflan-
zenform werden, daß wir sie als Art bezeichnen und bezeichnen müssen?
Nun denn, ist die erste Zelle gegeben, so ist dann mit dem Vorigen
auch der Weg bezeichnet, wie sich ausgehend von Derselben allmälig
der ganze Reichthum der Pflanzenwelt durch Bildung von Spielarten,
Unterarten und Arten und so fort von diesen aufs Neue beginnend,
habe bilden können, -- freilich in Zeiträumen, von denen wir keinen
Begriff haben, über die wir aber, wenn es sonst an Nichts fehlt, in
unsern Träumen nach Belieben verfügen dürfen; denn um es hier
noch zu erwähnen, alle neuern ausgezeichneten Geologen kommen im-
mer mehr und mehr zu der Ansicht, daß gar Vieles bei der Bildung
unserer Erdveste, was man früher heftigen, krampfhaften und plötz-
lichen Revolutionen zuschrieb, vielmehr das Product langsam aber
durch ungeheure Zeiträume hindurch wirkender Thätigkeit gewesen
sey. Der Niagarafall z. B. ergießt sich in eine Schlucht, die in eine
Gebirgs-Terrasse eingeschniten ist und Lyell hat nachgewiesen, daß

trum minus, Ranunculus arvensis, Viola tricolor, Silene gallica und
inflata, Spergula arvensis, Medicago falcata, lupulina, tribuloides,
Vicia villosa, sepium, grandiflora, angustifolia, Knautia hybrida, arven-
sis, Scabiosa gramuntia, Cirsium arvense, Taraxacum officinale,
Galeopsis ladanum, Agrostis stolonifera, vulgaris, Aira caespitosa,
Festuca ovina, rubra, Bromus secalinus
. -- Ja manche Arten mögen erst
innerhalb der historischen Zeit aus solchen Spielarten entstanden seyn, so Thalic-
trum
minus
und majus, Veronica praecox und triphyllos. Daß alle eigent-
lichen Culturpflanzen aber in zahllosen Spielarten vorkommen, brauche ich wohl
kaum noch zu erwähnen, da Erbsen, Kohl und Kartoffeln, der Obstbäume gar nicht
zu gedenken, Jedem diese Wahrheit nahe genug legen.

wenn ſie mehrere Generationen hindurch unter denſelben Bedingungen
fortvegetiren, zuletzt in Unterarten, das heißt in Spielarten, die ſich
mit Sicherheit durch ihren Saamen fortpflanzen laſſen, übergehen, wie
das z. B. unſere Erbſenbeete, unſere Kohlpflanzungen, unſere Wei-
zenfelder beweiſen. Wie nun aber, wenn dieſelben Einflüſſe, die eine
Abänderung der urſprünglichen Form einer Pflanze hervorriefen, nicht
Jahrhunderte und Jahrtauſende, ſondern 10 und 100 Tauſend Jahre
in gleicher Weiſe zu wirken fortfahren, — wird nicht da zuletzt wie aus
der Spielart eine Unterart, ſo aus dieſer eine ſo feſtſtehende Pflan-
zenform werden, daß wir ſie als Art bezeichnen und bezeichnen müſſen?
Nun denn, iſt die erſte Zelle gegeben, ſo iſt dann mit dem Vorigen
auch der Weg bezeichnet, wie ſich ausgehend von Derſelben allmälig
der ganze Reichthum der Pflanzenwelt durch Bildung von Spielarten,
Unterarten und Arten und ſo fort von dieſen aufs Neue beginnend,
habe bilden können, — freilich in Zeiträumen, von denen wir keinen
Begriff haben, über die wir aber, wenn es ſonſt an Nichts fehlt, in
unſern Träumen nach Belieben verfügen dürfen; denn um es hier
noch zu erwähnen, alle neuern ausgezeichneten Geologen kommen im-
mer mehr und mehr zu der Anſicht, daß gar Vieles bei der Bildung
unſerer Erdveſte, was man früher heftigen, krampfhaften und plötz-
lichen Revolutionen zuſchrieb, vielmehr das Product langſam aber
durch ungeheure Zeiträume hindurch wirkender Thätigkeit geweſen
ſey. Der Niagarafall z. B. ergießt ſich in eine Schlucht, die in eine
Gebirgs-Terraſſe eingeſchniten iſt und Lyell hat nachgewieſen, daß

trum minus, Ranunculus arvensis, Viola tricolor, Silene gallica und
inflata, Spergula arvensis, Medicago falcata, lupulina, tribuloides,
Vicia villosa, sepium, grandiflora, angustifolia, Knautia hybrida, arven-
sis, Scabiosa gramuntia, Cirsium arvense, Taraxacum officinale,
Galeopsis ladanum, Agrostis stolonifera, vulgaris, Aira caespitosa,
Festuca ovina, rubra, Bromus secalinus
. — Ja manche Arten mögen erſt
innerhalb der hiſtoriſchen Zeit aus ſolchen Spielarten entſtanden ſeyn, ſo Thalic-
trum
minus
und majus, Veronica praecox und triphyllos. Daß alle eigent-
lichen Culturpflanzen aber in zahlloſen Spielarten vorkommen, brauche ich wohl
kaum noch zu erwähnen, da Erbſen, Kohl und Kartoffeln, der Obſtbäume gar nicht
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[269/0285] wenn ſie mehrere Generationen hindurch unter denſelben Bedingungen fortvegetiren, zuletzt in Unterarten, das heißt in Spielarten, die ſich mit Sicherheit durch ihren Saamen fortpflanzen laſſen, übergehen, wie das z. B. unſere Erbſenbeete, unſere Kohlpflanzungen, unſere Wei- zenfelder beweiſen. Wie nun aber, wenn dieſelben Einflüſſe, die eine Abänderung der urſprünglichen Form einer Pflanze hervorriefen, nicht Jahrhunderte und Jahrtauſende, ſondern 10 und 100 Tauſend Jahre in gleicher Weiſe zu wirken fortfahren, — wird nicht da zuletzt wie aus der Spielart eine Unterart, ſo aus dieſer eine ſo feſtſtehende Pflan- zenform werden, daß wir ſie als Art bezeichnen und bezeichnen müſſen? Nun denn, iſt die erſte Zelle gegeben, ſo iſt dann mit dem Vorigen auch der Weg bezeichnet, wie ſich ausgehend von Derſelben allmälig der ganze Reichthum der Pflanzenwelt durch Bildung von Spielarten, Unterarten und Arten und ſo fort von dieſen aufs Neue beginnend, habe bilden können, — freilich in Zeiträumen, von denen wir keinen Begriff haben, über die wir aber, wenn es ſonſt an Nichts fehlt, in unſern Träumen nach Belieben verfügen dürfen; denn um es hier noch zu erwähnen, alle neuern ausgezeichneten Geologen kommen im- mer mehr und mehr zu der Anſicht, daß gar Vieles bei der Bildung unſerer Erdveſte, was man früher heftigen, krampfhaften und plötz- lichen Revolutionen zuſchrieb, vielmehr das Product langſam aber durch ungeheure Zeiträume hindurch wirkender Thätigkeit geweſen ſey. Der Niagarafall z. B. ergießt ſich in eine Schlucht, die in eine Gebirgs-Terraſſe eingeſchniten iſt und Lyell hat nachgewieſen, daß **) **) trum minus, Ranunculus arvensis, Viola tricolor, Silene gallica und inflata, Spergula arvensis, Medicago falcata, lupulina, tribuloides, Vicia villosa, sepium, grandiflora, angustifolia, Knautia hybrida, arven- sis, Scabiosa gramuntia, Cirsium arvense, Taraxacum officinale, Galeopsis ladanum, Agrostis stolonifera, vulgaris, Aira caespitosa, Festuca ovina, rubra, Bromus secalinus. — Ja manche Arten mögen erſt innerhalb der hiſtoriſchen Zeit aus ſolchen Spielarten entſtanden ſeyn, ſo Thalic- trum minus und majus, Veronica praecox und triphyllos. Daß alle eigent- lichen Culturpflanzen aber in zahlloſen Spielarten vorkommen, brauche ich wohl kaum noch zu erwähnen, da Erbſen, Kohl und Kartoffeln, der Obſtbäume gar nicht zu gedenken, Jedem dieſe Wahrheit nahe genug legen.

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/285>, abgerufen am 22.11.2024.