Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

und andern zu den Sauerstoffverbindungen oder Oxyden verei-
nigte, aus denen gegenwärtig die Gebirgsmassen bestehen -- zu
jener unmittelbaren Bildung der Gebirge aus der sich abkühlen-
den und erhärtenden Grundmasse, sage ich, kam noch ein anderer
Vorgang, der von nicht minder großem Einfluß war. Sobald näm-
lich die ersten festen Gesteinsmassen sich in die Luft erhoben, waren
auch schon Kräfte thätig sie wieder zu zerstören, Kräfte, die wir größ-
tentheils noch jetzt, wenn auch vielleicht in minderer Heftigkeit, rast-
los an der Vernichtung und Verflachung der Gebirge arbeiten sehen.
Der Wechsel von Hitze und Abkühlung bewirkte ein Zerspringen der
Gesteinsmassen; in die Sprünge drang das von Kohlensäure gesät-
tigte Wasser ein, zersetzte die früher entstandenen chemischen Verbin-
dungen und lößte auf diese Weise den innern Zusammenhang der
Felsen, der zerbröckelte und endlich in Staub sich auflöste. So sehen
wir noch jetzt auf dem Brocken große Granitblöcke in einer Reihe
von Jahren zu einem grobkörnigen Sande zerfallen. Jene Sand- und
Staubmassen wurden aber von den gewaltigen Regengüssen, die bei
weiterer Abkühlung der Erde immer heftiger herunterstürzten, in die
Tiefen, die großen Becken des Uroceans zusammengeschwemmt und
setzten sich hier beim ruhigen Stehen des Wassers schichtenweis auf dem
Boden ab, bis etwa ein neuer Ausbruch diesen Meeresboden und die
darauf abgesetzten Schichten wiederum über den Spiegel des Wassers
hinaushob. Es versteht sich, daß auch diese so gehobenen Gebirgs-
massen dem Proceß der Verwitterung unterlagen, und daß die
Producte derselben zusammengeschwemmt zu neuen Ablagerungen
anderer Art Veranlassung geben mußten. Indessen sind doch die ur-
sprünglichen Verschiedenheiten dieser Ablagerungen der Zeit nach nicht
sehr verschieden und lassen sich auf Sandstein, Kalkstein und Thone
oder Mergel zurückführen, die in allen Perioden wiederkehren. Diese
Vorgänge müssen viele Hunderttausende von Jahren gedauert haben,
bis sich die feste Rinde des Erdkörpers allmälig der Gestalt annäherte,
welche sie noch jetzt zeigt und bis sich der heftige Kampf zwischen der
noch feurigflüssigen Masse und der Dampfatmosphäre bis zu einer

und andern zu den Sauerſtoffverbindungen oder Oxyden verei-
nigte, aus denen gegenwärtig die Gebirgsmaſſen beſtehen — zu
jener unmittelbaren Bildung der Gebirge aus der ſich abkühlen-
den und erhärtenden Grundmaſſe, ſage ich, kam noch ein anderer
Vorgang, der von nicht minder großem Einfluß war. Sobald näm-
lich die erſten feſten Geſteinsmaſſen ſich in die Luft erhoben, waren
auch ſchon Kräfte thätig ſie wieder zu zerſtören, Kräfte, die wir größ-
tentheils noch jetzt, wenn auch vielleicht in minderer Heftigkeit, raſt-
los an der Vernichtung und Verflachung der Gebirge arbeiten ſehen.
Der Wechſel von Hitze und Abkühlung bewirkte ein Zerſpringen der
Geſteinsmaſſen; in die Sprünge drang das von Kohlenſäure geſät-
tigte Waſſer ein, zerſetzte die früher entſtandenen chemiſchen Verbin-
dungen und lößte auf dieſe Weiſe den innern Zuſammenhang der
Felſen, der zerbröckelte und endlich in Staub ſich auflöſte. So ſehen
wir noch jetzt auf dem Brocken große Granitblöcke in einer Reihe
von Jahren zu einem grobkörnigen Sande zerfallen. Jene Sand- und
Staubmaſſen wurden aber von den gewaltigen Regengüſſen, die bei
weiterer Abkühlung der Erde immer heftiger herunterſtürzten, in die
Tiefen, die großen Becken des Uroceans zuſammengeſchwemmt und
ſetzten ſich hier beim ruhigen Stehen des Waſſers ſchichtenweis auf dem
Boden ab, bis etwa ein neuer Ausbruch dieſen Meeresboden und die
darauf abgeſetzten Schichten wiederum über den Spiegel des Waſſers
hinaushob. Es verſteht ſich, daß auch dieſe ſo gehobenen Gebirgs-
maſſen dem Proceß der Verwitterung unterlagen, und daß die
Producte derſelben zuſammengeſchwemmt zu neuen Ablagerungen
anderer Art Veranlaſſung geben mußten. Indeſſen ſind doch die ur-
ſprünglichen Verſchiedenheiten dieſer Ablagerungen der Zeit nach nicht
ſehr verſchieden und laſſen ſich auf Sandſtein, Kalkſtein und Thone
oder Mergel zurückführen, die in allen Perioden wiederkehren. Dieſe
Vorgänge müſſen viele Hunderttauſende von Jahren gedauert haben,
bis ſich die feſte Rinde des Erdkörpers allmälig der Geſtalt annäherte,
welche ſie noch jetzt zeigt und bis ſich der heftige Kampf zwiſchen der
noch feurigflüſſigen Maſſe und der Dampfatmoſphäre bis zu einer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0272" n="256"/>
und andern zu den Sauer&#x017F;toffverbindungen oder Oxyden verei-<lb/>
nigte, aus denen gegenwärtig die Gebirgsma&#x017F;&#x017F;en be&#x017F;tehen &#x2014; zu<lb/>
jener unmittelbaren Bildung der Gebirge aus der &#x017F;ich abkühlen-<lb/>
den und erhärtenden Grundma&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;age ich, kam noch ein anderer<lb/>
Vorgang, der von nicht minder großem Einfluß war. Sobald näm-<lb/>
lich die er&#x017F;ten fe&#x017F;ten Ge&#x017F;teinsma&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich in die Luft erhoben, waren<lb/>
auch &#x017F;chon Kräfte thätig &#x017F;ie wieder zu zer&#x017F;tören, Kräfte, die wir größ-<lb/>
tentheils noch jetzt, wenn auch vielleicht in minderer Heftigkeit, ra&#x017F;t-<lb/>
los an der Vernichtung und Verflachung der Gebirge arbeiten &#x017F;ehen.<lb/>
Der Wech&#x017F;el von Hitze und Abkühlung bewirkte ein Zer&#x017F;pringen der<lb/>
Ge&#x017F;teinsma&#x017F;&#x017F;en; in die Sprünge drang das von Kohlen&#x017F;äure ge&#x017F;ät-<lb/>
tigte Wa&#x017F;&#x017F;er ein, zer&#x017F;etzte die früher ent&#x017F;tandenen chemi&#x017F;chen Verbin-<lb/>
dungen und lößte auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e den innern Zu&#x017F;ammenhang der<lb/>
Fel&#x017F;en, der zerbröckelte und endlich in Staub &#x017F;ich auflö&#x017F;te. So &#x017F;ehen<lb/>
wir noch jetzt auf dem Brocken große Granitblöcke in einer Reihe<lb/>
von Jahren zu einem grobkörnigen Sande zerfallen. Jene Sand- und<lb/>
Staubma&#x017F;&#x017F;en wurden aber von den gewaltigen Regengü&#x017F;&#x017F;en, die bei<lb/>
weiterer Abkühlung der Erde immer heftiger herunter&#x017F;türzten, in die<lb/>
Tiefen, die großen Becken des Uroceans zu&#x017F;ammenge&#x017F;chwemmt und<lb/>
&#x017F;etzten &#x017F;ich hier beim ruhigen Stehen des Wa&#x017F;&#x017F;ers &#x017F;chichtenweis auf dem<lb/>
Boden ab, bis etwa ein neuer Ausbruch die&#x017F;en Meeresboden und die<lb/>
darauf abge&#x017F;etzten Schichten wiederum über den Spiegel des Wa&#x017F;&#x017F;ers<lb/>
hinaushob. Es ver&#x017F;teht &#x017F;ich, daß auch die&#x017F;e &#x017F;o gehobenen Gebirgs-<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;en dem Proceß der Verwitterung unterlagen, und daß die<lb/>
Producte der&#x017F;elben zu&#x017F;ammenge&#x017F;chwemmt zu neuen Ablagerungen<lb/>
anderer Art Veranla&#x017F;&#x017F;ung geben mußten. Inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind doch die ur-<lb/>
&#x017F;prünglichen Ver&#x017F;chiedenheiten die&#x017F;er Ablagerungen der Zeit nach nicht<lb/>
&#x017F;ehr ver&#x017F;chieden und la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich auf Sand&#x017F;tein, Kalk&#x017F;tein und Thone<lb/>
oder Mergel zurückführen, die in allen Perioden wiederkehren. Die&#x017F;e<lb/>
Vorgänge mü&#x017F;&#x017F;en viele Hunderttau&#x017F;ende von Jahren gedauert haben,<lb/>
bis &#x017F;ich die fe&#x017F;te Rinde des Erdkörpers allmälig der Ge&#x017F;talt annäherte,<lb/>
welche &#x017F;ie noch jetzt zeigt und bis &#x017F;ich der heftige Kampf zwi&#x017F;chen der<lb/>
noch feurigflü&#x017F;&#x017F;igen Ma&#x017F;&#x017F;e und der Dampfatmo&#x017F;phäre bis zu einer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0272] und andern zu den Sauerſtoffverbindungen oder Oxyden verei- nigte, aus denen gegenwärtig die Gebirgsmaſſen beſtehen — zu jener unmittelbaren Bildung der Gebirge aus der ſich abkühlen- den und erhärtenden Grundmaſſe, ſage ich, kam noch ein anderer Vorgang, der von nicht minder großem Einfluß war. Sobald näm- lich die erſten feſten Geſteinsmaſſen ſich in die Luft erhoben, waren auch ſchon Kräfte thätig ſie wieder zu zerſtören, Kräfte, die wir größ- tentheils noch jetzt, wenn auch vielleicht in minderer Heftigkeit, raſt- los an der Vernichtung und Verflachung der Gebirge arbeiten ſehen. Der Wechſel von Hitze und Abkühlung bewirkte ein Zerſpringen der Geſteinsmaſſen; in die Sprünge drang das von Kohlenſäure geſät- tigte Waſſer ein, zerſetzte die früher entſtandenen chemiſchen Verbin- dungen und lößte auf dieſe Weiſe den innern Zuſammenhang der Felſen, der zerbröckelte und endlich in Staub ſich auflöſte. So ſehen wir noch jetzt auf dem Brocken große Granitblöcke in einer Reihe von Jahren zu einem grobkörnigen Sande zerfallen. Jene Sand- und Staubmaſſen wurden aber von den gewaltigen Regengüſſen, die bei weiterer Abkühlung der Erde immer heftiger herunterſtürzten, in die Tiefen, die großen Becken des Uroceans zuſammengeſchwemmt und ſetzten ſich hier beim ruhigen Stehen des Waſſers ſchichtenweis auf dem Boden ab, bis etwa ein neuer Ausbruch dieſen Meeresboden und die darauf abgeſetzten Schichten wiederum über den Spiegel des Waſſers hinaushob. Es verſteht ſich, daß auch dieſe ſo gehobenen Gebirgs- maſſen dem Proceß der Verwitterung unterlagen, und daß die Producte derſelben zuſammengeſchwemmt zu neuen Ablagerungen anderer Art Veranlaſſung geben mußten. Indeſſen ſind doch die ur- ſprünglichen Verſchiedenheiten dieſer Ablagerungen der Zeit nach nicht ſehr verſchieden und laſſen ſich auf Sandſtein, Kalkſtein und Thone oder Mergel zurückführen, die in allen Perioden wiederkehren. Dieſe Vorgänge müſſen viele Hunderttauſende von Jahren gedauert haben, bis ſich die feſte Rinde des Erdkörpers allmälig der Geſtalt annäherte, welche ſie noch jetzt zeigt und bis ſich der heftige Kampf zwiſchen der noch feurigflüſſigen Maſſe und der Dampfatmoſphäre bis zu einer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/272
Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/272>, abgerufen am 18.05.2024.