pflanzen, denen die climatischen Verschiedenheiten ebenso bestimmte Ausdehnungsbezirke vorzeichnen wie der wilden Flora und welche die Gunst oder Ungunst einer Jahreswitterung zur üppigen Entwicklung bringt, oder vernichtet.
Auf der ganzen Erde hat der Mensch, um seinem Nahrungsbe- dürfniß zu entsprechen, sich fast nur Sommergewächse, d. h. solche Pflanzen ausgewählt, die ihre gesammte Vegetation, oder doch die Entwicklung der die Nahrungsstoffe enthaltenden Theile, innerhalb weniger Monate vollenden. Dadurch hat er sich in den halb tropi- schen Gegenden von der Ungunst der dürren Jahreszeit, in den höheren Breiten von dem störenden Einfluß der Kälte unabhängig gemacht und so die Möglichkeit sich gesichert, Pflanzen anbauen zu können, die dort der Dürre des Sommers, oder hier der Kälte des Winters erliegen müßten. Scheiden wir die mehr der Annehmlichkeit als der Nothwendigkeit dienenden Obstarten aus, so bleiben uns unter den eigentlichen Nahrungspflanzen nur noch 3 baumartige Gewächse auf der ganzen Erde übrig, nämlich die Brodfrucht, die Cocosnuß, die Dattel, welche wirklich für eine größere Menschenmenge und auf einem größeren Areal das Hauptnahrungsmittel liefern und des- halb Gegenstand der Cultur geworden sind, und höchstens kann man vielleicht für einen sehr beschränkten Kreis in Ostindien noch die Cy- cadeen und Sagupalmen eben ihres stärkemehlreichen Markes wegen hinzurechnen. Alle andern Nahrungspflanzen sind solche, die entweder einen unter der Erde fortvegetirenden, gewöhnlich knol- lenförmigen Stamm besitzen, der nur wenige Monate dauernde Triebe über den Boden hervortreibt, an denen sich Blüthen entwickeln und Früchte reifen, während er in der übrigen Zeit gleichsam schlafend unter der schützenden Erddecke der Ungunst des Climas trotzt, -- oder solche, die am Ende einer kurzen Vegetationsperiode ganz absterben und nur im schlummernden Keim des Saamens die zukünftige Wie- dererzeugung sichern. Zu den erstern gehören z. B. die den Cordil- leren Chili's, Peru's und Mexico's entlehnte Kartoffel, zu den andern fast alle unsere Getreidearten.
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pflanzen, denen die climatiſchen Verſchiedenheiten ebenſo beſtimmte Ausdehnungsbezirke vorzeichnen wie der wilden Flora und welche die Gunſt oder Ungunſt einer Jahreswitterung zur üppigen Entwicklung bringt, oder vernichtet.
Auf der ganzen Erde hat der Menſch, um ſeinem Nahrungsbe- dürfniß zu entſprechen, ſich faſt nur Sommergewächſe, d. h. ſolche Pflanzen ausgewählt, die ihre geſammte Vegetation, oder doch die Entwicklung der die Nahrungsſtoffe enthaltenden Theile, innerhalb weniger Monate vollenden. Dadurch hat er ſich in den halb tropi- ſchen Gegenden von der Ungunſt der dürren Jahreszeit, in den höheren Breiten von dem ſtörenden Einfluß der Kälte unabhängig gemacht und ſo die Möglichkeit ſich geſichert, Pflanzen anbauen zu können, die dort der Dürre des Sommers, oder hier der Kälte des Winters erliegen müßten. Scheiden wir die mehr der Annehmlichkeit als der Nothwendigkeit dienenden Obſtarten aus, ſo bleiben uns unter den eigentlichen Nahrungspflanzen nur noch 3 baumartige Gewächſe auf der ganzen Erde übrig, nämlich die Brodfrucht, die Cocosnuß, die Dattel, welche wirklich für eine größere Menſchenmenge und auf einem größeren Areal das Hauptnahrungsmittel liefern und des- halb Gegenſtand der Cultur geworden ſind, und höchſtens kann man vielleicht für einen ſehr beſchränkten Kreis in Oſtindien noch die Cy- cadeen und Sagupalmen eben ihres ſtärkemehlreichen Markes wegen hinzurechnen. Alle andern Nahrungspflanzen ſind ſolche, die entweder einen unter der Erde fortvegetirenden, gewöhnlich knol- lenförmigen Stamm beſitzen, der nur wenige Monate dauernde Triebe über den Boden hervortreibt, an denen ſich Blüthen entwickeln und Früchte reifen, während er in der übrigen Zeit gleichſam ſchlafend unter der ſchützenden Erddecke der Ungunſt des Climas trotzt, — oder ſolche, die am Ende einer kurzen Vegetationsperiode ganz abſterben und nur im ſchlummernden Keim des Saamens die zukünftige Wie- dererzeugung ſichern. Zu den erſtern gehören z. B. die den Cordil- leren Chili's, Peru's und Mexico's entlehnte Kartoffel, zu den andern faſt alle unſere Getreidearten.
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pflanzen, denen die climatiſchen Verſchiedenheiten ebenſo beſtimmte
Ausdehnungsbezirke vorzeichnen wie der wilden Flora und welche die
Gunſt oder Ungunſt einer Jahreswitterung zur üppigen Entwicklung
bringt, oder vernichtet.
Auf der ganzen Erde hat der Menſch, um ſeinem Nahrungsbe-
dürfniß zu entſprechen, ſich faſt nur Sommergewächſe, d. h. ſolche
Pflanzen ausgewählt, die ihre geſammte Vegetation, oder doch die
Entwicklung der die Nahrungsſtoffe enthaltenden Theile, innerhalb
weniger Monate vollenden. Dadurch hat er ſich in den halb tropi-
ſchen Gegenden von der Ungunſt der dürren Jahreszeit, in den höheren
Breiten von dem ſtörenden Einfluß der Kälte unabhängig gemacht
und ſo die Möglichkeit ſich geſichert, Pflanzen anbauen zu können,
die dort der Dürre des Sommers, oder hier der Kälte des Winters
erliegen müßten. Scheiden wir die mehr der Annehmlichkeit als der
Nothwendigkeit dienenden Obſtarten aus, ſo bleiben uns unter den
eigentlichen Nahrungspflanzen nur noch 3 baumartige Gewächſe auf
der ganzen Erde übrig, nämlich die Brodfrucht, die Cocosnuß,
die Dattel, welche wirklich für eine größere Menſchenmenge und
auf einem größeren Areal das Hauptnahrungsmittel liefern und des-
halb Gegenſtand der Cultur geworden ſind, und höchſtens kann man
vielleicht für einen ſehr beſchränkten Kreis in Oſtindien noch die Cy-
cadeen und Sagupalmen eben ihres ſtärkemehlreichen Markes
wegen hinzurechnen. Alle andern Nahrungspflanzen ſind ſolche,
die entweder einen unter der Erde fortvegetirenden, gewöhnlich knol-
lenförmigen Stamm beſitzen, der nur wenige Monate dauernde Triebe
über den Boden hervortreibt, an denen ſich Blüthen entwickeln und
Früchte reifen, während er in der übrigen Zeit gleichſam ſchlafend
unter der ſchützenden Erddecke der Ungunſt des Climas trotzt, — oder
ſolche, die am Ende einer kurzen Vegetationsperiode ganz abſterben
und nur im ſchlummernden Keim des Saamens die zukünftige Wie-
dererzeugung ſichern. Zu den erſtern gehören z. B. die den Cordil-
leren Chili's, Peru's und Mexico's entlehnte Kartoffel, zu den
andern faſt alle unſere Getreidearten.
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/259>, abgerufen am 21.11.2024.
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