uns durchschaut wird, daß dagegen eine nicht minder große Anzahl noch zur Zeit durchaus unsern Bemühungen um nähere Kenntniß ihrer Einwirkungen spottet, obwohl wir mit Sicherheit behaupten dürfen, daß das Pflanzenleben so gut von ihnen wie von den andern abhängig ist und seyn muß. Nur Beispielsweise will ich hier Licht, Electricität und Luftdruck nennen. Die beiden ersten als beständig einwirkend auf jeden chemischen Proceß, der letztere für sämmtliche Vorgänge und Verhältnisse zwischen Gasarten und Dünsten von wesentlicher Bedeutung, müssen auch das Pflanzenleben, welches in fortlaufenden chemischen Verbindungen und Trennungen, in bestän- digen Aufnahmen und Ausscheidungen von Dünsten und Gasen be- steht, mächtig afficiren. Das Wie ist uns aber noch völlig unbekannt, und manche uns zur Zeit noch ganz unbegreiflichen Verhältnisse in Verbreitung und Vertheilung der Arten mögen über kurz oder lang in diesen Einflüssen ihre genügende Erklärung finden.
Wenn wir von den schneebedeckten Eisflächen des höchsten Nor- dens, wo nur noch die rothe Schneealge an eine pflanzliche Organisation erinnert, uns nach Süden wenden, so breitet sich vor uns zunächst ein Gürtel aus, in welchem Moose und Flechten den Boden bedecken und eine eigenthümliche Vegetation niedriger mit unterirdischen Stengeln perennirender, meist groß- und schönblumiger Kräuter, die sogenannten Alpenpflanzen, der Natur einen eigenthümlichen Character verleihen. Fast sämmtliche Pflanzen bilden kleine, flache, vereinzelte Polster, Pyrola, Andromeda, Pedicularis, Löffelkraut, Mohne, Hahnenfuß und andere sind characteristische Gattungen für diese Flora, in der kein Baum, kein Strauch gedeiht. -- Verlassen wir diese Re- gion, die von den Botanikern das Reich der Moose und Saxifra- gen, oder nach einem der Gründer der Pflanzengeographie Wahlen- bergs Reich genannt ist und gehen mehr nach Süden, so zeigen sich anfänglich kleine niedrige Gebüsche von Birken, dann mehr zusammen- hängende Wälder, zu denen sich Kiefern und andere Nadelhölzer hinzugesellen und wir befinden uns endlich in einem zweiten größeren Vegetationsgürtel, der sich dadurch characterisirt, daß alle Wälder der
uns durchſchaut wird, daß dagegen eine nicht minder große Anzahl noch zur Zeit durchaus unſern Bemühungen um nähere Kenntniß ihrer Einwirkungen ſpottet, obwohl wir mit Sicherheit behaupten dürfen, daß das Pflanzenleben ſo gut von ihnen wie von den andern abhängig iſt und ſeyn muß. Nur Beiſpielsweiſe will ich hier Licht, Electricität und Luftdruck nennen. Die beiden erſten als beſtändig einwirkend auf jeden chemiſchen Proceß, der letztere für ſämmtliche Vorgänge und Verhältniſſe zwiſchen Gasarten und Dünſten von weſentlicher Bedeutung, müſſen auch das Pflanzenleben, welches in fortlaufenden chemiſchen Verbindungen und Trennungen, in beſtän- digen Aufnahmen und Ausſcheidungen von Dünſten und Gaſen be- ſteht, mächtig afficiren. Das Wie iſt uns aber noch völlig unbekannt, und manche uns zur Zeit noch ganz unbegreiflichen Verhältniſſe in Verbreitung und Vertheilung der Arten mögen über kurz oder lang in dieſen Einflüſſen ihre genügende Erklärung finden.
Wenn wir von den ſchneebedeckten Eisflächen des höchſten Nor- dens, wo nur noch die rothe Schneealge an eine pflanzliche Organiſation erinnert, uns nach Süden wenden, ſo breitet ſich vor uns zunächſt ein Gürtel aus, in welchem Mooſe und Flechten den Boden bedecken und eine eigenthümliche Vegetation niedriger mit unterirdiſchen Stengeln perennirender, meiſt groß- und ſchönblumiger Kräuter, die ſogenannten Alpenpflanzen, der Natur einen eigenthümlichen Character verleihen. Faſt ſämmtliche Pflanzen bilden kleine, flache, vereinzelte Polſter, Pyrola, Andromeda, Pedicularis, Löffelkraut, Mohne, Hahnenfuß und andere ſind characteriſtiſche Gattungen für dieſe Flora, in der kein Baum, kein Strauch gedeiht. — Verlaſſen wir dieſe Re- gion, die von den Botanikern das Reich der Mooſe und Saxifra- gen, oder nach einem der Gründer der Pflanzengeographie Wahlen- bergs Reich genannt iſt und gehen mehr nach Süden, ſo zeigen ſich anfänglich kleine niedrige Gebüſche von Birken, dann mehr zuſammen- hängende Wälder, zu denen ſich Kiefern und andere Nadelhölzer hinzugeſellen und wir befinden uns endlich in einem zweiten größeren Vegetationsgürtel, der ſich dadurch characteriſirt, daß alle Wälder der
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uns durchſchaut wird, daß dagegen eine nicht minder große Anzahl
noch zur Zeit durchaus unſern Bemühungen um nähere Kenntniß
ihrer Einwirkungen ſpottet, obwohl wir mit Sicherheit behaupten
dürfen, daß das Pflanzenleben ſo gut von ihnen wie von den andern
abhängig iſt und ſeyn muß. Nur Beiſpielsweiſe will ich hier Licht,
Electricität und Luftdruck nennen. Die beiden erſten als beſtändig
einwirkend auf jeden chemiſchen Proceß, der letztere für ſämmtliche
Vorgänge und Verhältniſſe zwiſchen Gasarten und Dünſten von
weſentlicher Bedeutung, müſſen auch das Pflanzenleben, welches in
fortlaufenden chemiſchen Verbindungen und Trennungen, in beſtän-
digen Aufnahmen und Ausſcheidungen von Dünſten und Gaſen be-
ſteht, mächtig afficiren. Das Wie iſt uns aber noch völlig unbekannt,
und manche uns zur Zeit noch ganz unbegreiflichen Verhältniſſe in
Verbreitung und Vertheilung der Arten mögen über kurz oder lang
in dieſen Einflüſſen ihre genügende Erklärung finden.
Wenn wir von den ſchneebedeckten Eisflächen des höchſten Nor-
dens, wo nur noch die rothe Schneealge an eine pflanzliche Organiſation
erinnert, uns nach Süden wenden, ſo breitet ſich vor uns zunächſt ein
Gürtel aus, in welchem Mooſe und Flechten den Boden bedecken und
eine eigenthümliche Vegetation niedriger mit unterirdiſchen Stengeln
perennirender, meiſt groß- und ſchönblumiger Kräuter, die ſogenannten
Alpenpflanzen, der Natur einen eigenthümlichen Character verleihen.
Faſt ſämmtliche Pflanzen bilden kleine, flache, vereinzelte Polſter,
Pyrola, Andromeda, Pedicularis, Löffelkraut, Mohne,
Hahnenfuß und andere ſind characteriſtiſche Gattungen für dieſe
Flora, in der kein Baum, kein Strauch gedeiht. — Verlaſſen wir dieſe Re-
gion, die von den Botanikern das Reich der Mooſe und Saxifra-
gen, oder nach einem der Gründer der Pflanzengeographie Wahlen-
bergs Reich genannt iſt und gehen mehr nach Süden, ſo zeigen ſich
anfänglich kleine niedrige Gebüſche von Birken, dann mehr zuſammen-
hängende Wälder, zu denen ſich Kiefern und andere Nadelhölzer
hinzugeſellen und wir befinden uns endlich in einem zweiten größeren
Vegetationsgürtel, der ſich dadurch characteriſirt, daß alle Wälder der
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/242>, abgerufen am 23.11.2024.
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