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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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das Mehl noch mit Wasser ausgewaschen, ist es das feine weiße dem
Arrowroot in jeder Beziehung ähnliche Tapiocca. Auf ähnliche mehr
oder minder künstliche Weise wird überall die Mandiocca und Tapiocca
bereitet. Der gesättigte Wilde schlendert umher, um ein neues Plätz-
chen zum Schlafen zu suchen, aber Wehe ihm, Unachtsamkeit hat ihn ver-
leitet, unter dem furchtbaren Manchinellbaum (Hippomane Man-
cinella
) sein Lager zu bereiten und ein plötzlich einfallender Regen träuft
von dessen Blättern auf ihn herab. Unter furchtbaren Schmerzen,
bedeckt mit Blasen und Geschwüren, wacht er auf, und wenn er mit
dem Leben davonkommt, so ist er mindestens um eine furchtbare Er-
fahrung über die giftigen Eigenschaften der Euphorbiaceen reicher.
Aber nur selten wird das einem Eingebornen begegnen, da der Man-
chinellbaum in Amerika mit eben so geheimnißvoller und fast aber-
gläubischer Scheu gemieden wird, als der fabelhafte Giftbaum von
Java. Zum Glück erhebt sich gewöhnlich gleich neben dem Manchi-
nellbaum als seine beständige Begleitung der schöne pupurblüthige
Trompetenbaum (Bignonia leucoxylon), dessen Saft das sicherste
Gegengift gegen jene gefährliche Euphorbiacee gewährt. Mehrere
ähnliche Bäume, deren Ausdünstung schon, deren Saft aber sicher,
Gesundheit und Leben gefährdet, gehören dieser Familie an. Der
Pflanzer am Cap bestreut mit den zerriebenen Früchten einer dortigen
Pflanze (Hyaenanche globosa Lam.) Stücke Fleisch und legt sie als
unfehlbares Gift den Hyänen vor. Mit einer Wolfsmilch (Euphor-
bia caput Medusae
) vergiften die wilden Bewohner des südlichen
Afrikas, wie uns Bruce berichtet, ihre Pfeile, von Andern
(Euphorbia heptagona, E. virosa W., E. cereiformis) machen die
Aethiopier nach Virey einen ähnlichen Gebrauch, so wie die Wilden
des südlichsten Amerika von dem Saft einer dritten (E. cotinifolia).
Ja selbst unser scheinbar so unschuldiger Buchsbaum, der ebenfalls
dieser Familie angehört, ist so schädlich, daß in einer Gegend Per-
siens, wo er sehr verbreitet ist, keine Kameele gehalten werden können,
weil man sie an dem Genuß dieser ihnen tödtlichen Pflanze nicht zu
hindern vermag. Ich kann diese Familie nicht verlassen, ohne noch

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das Mehl noch mit Waſſer ausgewaſchen, iſt es das feine weiße dem
Arrowroot in jeder Beziehung ähnliche Tapiocca. Auf ähnliche mehr
oder minder künſtliche Weiſe wird überall die Mandiocca und Tapiocca
bereitet. Der geſättigte Wilde ſchlendert umher, um ein neues Plätz-
chen zum Schlafen zu ſuchen, aber Wehe ihm, Unachtſamkeit hat ihn ver-
leitet, unter dem furchtbaren Manchinellbaum (Hippomane Man-
cinella
) ſein Lager zu bereiten und ein plötzlich einfallender Regen träuft
von deſſen Blättern auf ihn herab. Unter furchtbaren Schmerzen,
bedeckt mit Blaſen und Geſchwüren, wacht er auf, und wenn er mit
dem Leben davonkommt, ſo iſt er mindeſtens um eine furchtbare Er-
fahrung über die giftigen Eigenſchaften der Euphorbiaceen reicher.
Aber nur ſelten wird das einem Eingebornen begegnen, da der Man-
chinellbaum in Amerika mit eben ſo geheimnißvoller und faſt aber-
gläubiſcher Scheu gemieden wird, als der fabelhafte Giftbaum von
Java. Zum Glück erhebt ſich gewöhnlich gleich neben dem Manchi-
nellbaum als ſeine beſtändige Begleitung der ſchöne pupurblüthige
Trompetenbaum (Bignonia leucoxylon), deſſen Saft das ſicherſte
Gegengift gegen jene gefährliche Euphorbiacee gewährt. Mehrere
ähnliche Bäume, deren Ausdünſtung ſchon, deren Saft aber ſicher,
Geſundheit und Leben gefährdet, gehören dieſer Familie an. Der
Pflanzer am Cap beſtreut mit den zerriebenen Früchten einer dortigen
Pflanze (Hyaenanche globosa Lam.) Stücke Fleiſch und legt ſie als
unfehlbares Gift den Hyänen vor. Mit einer Wolfsmilch (Euphor-
bia caput Medusae
) vergiften die wilden Bewohner des ſüdlichen
Afrikas, wie uns Bruce berichtet, ihre Pfeile, von Andern
(Euphorbia heptagona, E. virosa W., E. cereiformis) machen die
Aethiopier nach Virey einen ähnlichen Gebrauch, ſo wie die Wilden
des ſüdlichſten Amerika von dem Saft einer dritten (E. cotinifolia).
Ja ſelbſt unſer ſcheinbar ſo unſchuldiger Buchsbaum, der ebenfalls
dieſer Familie angehört, iſt ſo ſchädlich, daß in einer Gegend Per-
ſiens, wo er ſehr verbreitet iſt, keine Kameele gehalten werden können,
weil man ſie an dem Genuß dieſer ihnen tödtlichen Pflanze nicht zu
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[179/0195] das Mehl noch mit Waſſer ausgewaſchen, iſt es das feine weiße dem Arrowroot in jeder Beziehung ähnliche Tapiocca. Auf ähnliche mehr oder minder künſtliche Weiſe wird überall die Mandiocca und Tapiocca bereitet. Der geſättigte Wilde ſchlendert umher, um ein neues Plätz- chen zum Schlafen zu ſuchen, aber Wehe ihm, Unachtſamkeit hat ihn ver- leitet, unter dem furchtbaren Manchinellbaum (Hippomane Man- cinella) ſein Lager zu bereiten und ein plötzlich einfallender Regen träuft von deſſen Blättern auf ihn herab. Unter furchtbaren Schmerzen, bedeckt mit Blaſen und Geſchwüren, wacht er auf, und wenn er mit dem Leben davonkommt, ſo iſt er mindeſtens um eine furchtbare Er- fahrung über die giftigen Eigenſchaften der Euphorbiaceen reicher. Aber nur ſelten wird das einem Eingebornen begegnen, da der Man- chinellbaum in Amerika mit eben ſo geheimnißvoller und faſt aber- gläubiſcher Scheu gemieden wird, als der fabelhafte Giftbaum von Java. Zum Glück erhebt ſich gewöhnlich gleich neben dem Manchi- nellbaum als ſeine beſtändige Begleitung der ſchöne pupurblüthige Trompetenbaum (Bignonia leucoxylon), deſſen Saft das ſicherſte Gegengift gegen jene gefährliche Euphorbiacee gewährt. Mehrere ähnliche Bäume, deren Ausdünſtung ſchon, deren Saft aber ſicher, Geſundheit und Leben gefährdet, gehören dieſer Familie an. Der Pflanzer am Cap beſtreut mit den zerriebenen Früchten einer dortigen Pflanze (Hyaenanche globosa Lam.) Stücke Fleiſch und legt ſie als unfehlbares Gift den Hyänen vor. Mit einer Wolfsmilch (Euphor- bia caput Medusae) vergiften die wilden Bewohner des ſüdlichen Afrikas, wie uns Bruce berichtet, ihre Pfeile, von Andern (Euphorbia heptagona, E. virosa W., E. cereiformis) machen die Aethiopier nach Virey einen ähnlichen Gebrauch, ſo wie die Wilden des ſüdlichſten Amerika von dem Saft einer dritten (E. cotinifolia). Ja ſelbſt unſer ſcheinbar ſo unſchuldiger Buchsbaum, der ebenfalls dieſer Familie angehört, iſt ſo ſchädlich, daß in einer Gegend Per- ſiens, wo er ſehr verbreitet iſt, keine Kameele gehalten werden können, weil man ſie an dem Genuß dieſer ihnen tödtlichen Pflanze nicht zu hindern vermag. Ich kann dieſe Familie nicht verlaſſen, ohne noch 12*

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/195>, abgerufen am 24.11.2024.