ten, die er Lebenssaft nennt, zu entwickeln, welche die besonnene Wissenschaft leider gezwungen war, sogleich bei ihrer Bekannt- machung, die um so größeres Aufsehen machte, als sie in einer von der Pariser Akademie mit dem Monthyonschen Preise beehrten Schrift erschien, für ein bloßes Hirngespinnst der Phantasie zu er- klären. In jenen Röhren befindet sich ein trüber Saft von der Con- sistenz einer recht fetten Milch, der deshalb auch Milchsaft genannt wird. Seine Farbe ist gewöhnlich milchweiß, doch kommen auch gelbe, rothe und sehr selten blaue Milchsäfte vor, noch häufiger aber sind ganz farblose. Aehnlich der thierischen Milch besteht dieser Saft aus einer wasserhellen Flüssigkeit und kleinen Kügelchen. Den Ge- halte nach finden wir die verschiedenartigsten Stoffe in demselben, und auf der verschiedenartigen Menge und Mischung dieser Stoffe beruht die große Verschiedenheit dieses Saftes. In allen ist in grö- ßerer oder geringerer Menge Kaoutschouck enthalten, welches in Ge- stalt kleiner Kügelchen vorhanden ist. Diese werden auf ähnliche Weise wie die Butterkügelchen der Milch durch eine eiweißartige Substanz am Zusammenfließen gehindert. Gerade wie bei der Milch der Rahm (die Butter), so steigen aus dem Milchsafte der Pflanzen die Kaoutschouckkügelchen beim längeren Stehen an die Oberfläche, bilden hier einen Rahm und fließen zusammen, und können eben so wenig wie die Butter wieder in ihre getrennten Kügelchen zurück- geführt werden.
Alle jene drei großen Familien, welche sich durch den Gehalt an Milchsaft auszeichnen, obwohl sie botanisch sehr weit von einan- der verschieden sind, zeigen doch gerade durch die Natur ihres Milch- saftes einige höchst merkwürdige Uebereinstimmungen.
Es wird wohl nicht uninteressant seyn, diese drei Familien et- was näher kennen zu lernen und besonders die wichtigern Pflanzen derselben zu erwähnen.
Die bedeutendste ist in Bezug auf den Kaoutschouckgehalt die Gruppe der Wolfsmilcharten oder Euphorbiaceen. Aus dem Hafen von Para in Südamerika, aus der Guyana und den benachbarten
ten, die er Lebensſaft nennt, zu entwickeln, welche die beſonnene Wiſſenſchaft leider gezwungen war, ſogleich bei ihrer Bekannt- machung, die um ſo größeres Aufſehen machte, als ſie in einer von der Pariſer Akademie mit dem Monthyonſchen Preiſe beehrten Schrift erſchien, für ein bloßes Hirngeſpinnſt der Phantaſie zu er- klären. In jenen Röhren befindet ſich ein trüber Saft von der Con- ſiſtenz einer recht fetten Milch, der deshalb auch Milchſaft genannt wird. Seine Farbe iſt gewöhnlich milchweiß, doch kommen auch gelbe, rothe und ſehr ſelten blaue Milchſäfte vor, noch häufiger aber ſind ganz farbloſe. Aehnlich der thieriſchen Milch beſteht dieſer Saft aus einer waſſerhellen Flüſſigkeit und kleinen Kügelchen. Den Ge- halte nach finden wir die verſchiedenartigſten Stoffe in demſelben, und auf der verſchiedenartigen Menge und Miſchung dieſer Stoffe beruht die große Verſchiedenheit dieſes Saftes. In allen iſt in grö- ßerer oder geringerer Menge Kaoutſchouck enthalten, welches in Ge- ſtalt kleiner Kügelchen vorhanden iſt. Dieſe werden auf ähnliche Weiſe wie die Butterkügelchen der Milch durch eine eiweißartige Subſtanz am Zuſammenfließen gehindert. Gerade wie bei der Milch der Rahm (die Butter), ſo ſteigen aus dem Milchſafte der Pflanzen die Kaoutſchouckkügelchen beim längeren Stehen an die Oberfläche, bilden hier einen Rahm und fließen zuſammen, und können eben ſo wenig wie die Butter wieder in ihre getrennten Kügelchen zurück- geführt werden.
Alle jene drei großen Familien, welche ſich durch den Gehalt an Milchſaft auszeichnen, obwohl ſie botaniſch ſehr weit von einan- der verſchieden ſind, zeigen doch gerade durch die Natur ihres Milch- ſaftes einige höchſt merkwürdige Uebereinſtimmungen.
Es wird wohl nicht unintereſſant ſeyn, dieſe drei Familien et- was näher kennen zu lernen und beſonders die wichtigern Pflanzen derſelben zu erwähnen.
Die bedeutendſte iſt in Bezug auf den Kaoutſchouckgehalt die Gruppe der Wolfsmilcharten oder Euphorbiaceen. Aus dem Hafen von Para in Südamerika, aus der Guyana und den benachbarten
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ten, die er Lebensſaft nennt, zu entwickeln, welche die beſonnene
Wiſſenſchaft leider gezwungen war, ſogleich bei ihrer Bekannt-
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der Pariſer Akademie mit dem Monthyonſchen Preiſe beehrten
Schrift erſchien, für ein bloßes Hirngeſpinnſt der Phantaſie zu er-
klären. In jenen Röhren befindet ſich ein trüber Saft von der Con-
ſiſtenz einer recht fetten Milch, der deshalb auch Milchſaft genannt
wird. Seine Farbe iſt gewöhnlich milchweiß, doch kommen auch
gelbe, rothe und ſehr ſelten blaue Milchſäfte vor, noch häufiger aber
ſind ganz farbloſe. Aehnlich der thieriſchen Milch beſteht dieſer Saft
aus einer waſſerhellen Flüſſigkeit und kleinen Kügelchen. Den Ge-
halte nach finden wir die verſchiedenartigſten Stoffe in demſelben,
und auf der verſchiedenartigen Menge und Miſchung dieſer Stoffe
beruht die große Verſchiedenheit dieſes Saftes. In allen iſt in grö-
ßerer oder geringerer Menge Kaoutſchouck enthalten, welches in Ge-
ſtalt kleiner Kügelchen vorhanden iſt. Dieſe werden auf ähnliche
Weiſe wie die Butterkügelchen der Milch durch eine eiweißartige
Subſtanz am Zuſammenfließen gehindert. Gerade wie bei der Milch
der Rahm (die Butter), ſo ſteigen aus dem Milchſafte der Pflanzen
die Kaoutſchouckkügelchen beim längeren Stehen an die Oberfläche,
bilden hier einen Rahm und fließen zuſammen, und können eben ſo
wenig wie die Butter wieder in ihre getrennten Kügelchen zurück-
geführt werden.
Alle jene drei großen Familien, welche ſich durch den Gehalt
an Milchſaft auszeichnen, obwohl ſie botaniſch ſehr weit von einan-
der verſchieden ſind, zeigen doch gerade durch die Natur ihres Milch-
ſaftes einige höchſt merkwürdige Uebereinſtimmungen.
Es wird wohl nicht unintereſſant ſeyn, dieſe drei Familien et-
was näher kennen zu lernen und beſonders die wichtigern Pflanzen
derſelben zu erwähnen.
Die bedeutendſte iſt in Bezug auf den Kaoutſchouckgehalt die Gruppe
der Wolfsmilcharten oder Euphorbiaceen. Aus dem Hafen
von Para in Südamerika, aus der Guyana und den benachbarten
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/192>, abgerufen am 16.02.2025.
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