die Verwilderung der großen Pampasdistel und der Artischocke ver- ändert ist; dieselbe dünne Bevölkerung, dieselben einheimischen Thier- mengen wie noch heute durchstreiften diese öden Ebenen. Die Spanier führten das Pferd und das Rindvieh ein und diese vermehrten sich in unglaublich kurzer Zeit in solchem Maaße, daß allein Montevideo jährlich 300,000 Stierhäute ausführt, daß die Kriegszüge des General Rosas viele Hunderttausende von Pferden kosteten, ohne daß auch nur im Geringsten eine Abnahme merklich wurde. Das einhei- mische organische Leben und seine Masse hat sich seit der Entdeckung durch die Spanier also nicht vermindert, sondern bedeutend vermehrt, und dabei sind Millionen Pfunde von Kohlenstoff und Stickstoff zu organischen Substanzen verbunden durch den Handel mit Ochsen- häuten ausgeführt, ohne daß das Land den geringsten berechenbaren Ersatz an organischen Stoffen erhalten hätte. Woher können diese Massen anders entstammen, als der Atmosphäre? -- Wenn wir alle übrigen Bestandtheile des Thees vernachlässigen, so führt doch China mit dem halben Procent Thein alle Jahre über 300,000 Pf. Stick- stoff aus, ohne dafür irgend namhaften Ersatz wieder zu erhalten. -- Von dem in gutem Stande erhaltenen Walde gewinnen wir jährlich für den Morgen ohngefähr dritthalbtausend Pfund trockenes Holz, welche etwa 1000 Pfund Kohlenstoff enthalten. Aber wir düngen den Waldboden nicht, und sein Gehalt an Humus, weit entfernt, erschöpft zu werden, nimmt vielmehr von Jahr zu Jahr durch Wind- bruch und Blattfall bedeutend zu. -- Auf den für jedes Vieh unüber- steiglichen Alpen der Schweiz und Tyrols mäht der Wildheuer all- jährlich seine bestimmte Menge Gras, ohne dem Boden auch nur das Allergeringste an organischer Substanz wieder zurückzugeben. Woher stammt dieses Heu, wenn nicht aus der Atmosphäre? Kohlenstoff und Stickstoff bedarf die Pflanze, und in Südamerica, im Walde auf der wilden Alpe giebt es für sie keine Möglichkeit, sich dieser Stoffe zu bemächtigen, als vermittelst des Ammoniaks und der Kohlensäure der Atmosphäre. -- Die Provinzen Nord- und Südholland, Friesland, Gröningen und Dronthe führen alljährlich mit ihrem Käse etwa
die Verwilderung der großen Pampasdiſtel und der Artiſchocke ver- ändert iſt; dieſelbe dünne Bevölkerung, dieſelben einheimiſchen Thier- mengen wie noch heute durchſtreiften dieſe öden Ebenen. Die Spanier führten das Pferd und das Rindvieh ein und dieſe vermehrten ſich in unglaublich kurzer Zeit in ſolchem Maaße, daß allein Montevideo jährlich 300,000 Stierhäute ausführt, daß die Kriegszüge des General Roſas viele Hunderttauſende von Pferden koſteten, ohne daß auch nur im Geringſten eine Abnahme merklich wurde. Das einhei- miſche organiſche Leben und ſeine Maſſe hat ſich ſeit der Entdeckung durch die Spanier alſo nicht vermindert, ſondern bedeutend vermehrt, und dabei ſind Millionen Pfunde von Kohlenſtoff und Stickſtoff zu organiſchen Subſtanzen verbunden durch den Handel mit Ochſen- häuten ausgeführt, ohne daß das Land den geringſten berechenbaren Erſatz an organiſchen Stoffen erhalten hätte. Woher können dieſe Maſſen anders entſtammen, als der Atmoſphäre? — Wenn wir alle übrigen Beſtandtheile des Thees vernachläſſigen, ſo führt doch China mit dem halben Procent Thein alle Jahre über 300,000 Pf. Stick- ſtoff aus, ohne dafür irgend namhaften Erſatz wieder zu erhalten. — Von dem in gutem Stande erhaltenen Walde gewinnen wir jährlich für den Morgen ohngefähr dritthalbtauſend Pfund trockenes Holz, welche etwa 1000 Pfund Kohlenſtoff enthalten. Aber wir düngen den Waldboden nicht, und ſein Gehalt an Humus, weit entfernt, erſchöpft zu werden, nimmt vielmehr von Jahr zu Jahr durch Wind- bruch und Blattfall bedeutend zu. — Auf den für jedes Vieh unüber- ſteiglichen Alpen der Schweiz und Tyrols mäht der Wildheuer all- jährlich ſeine beſtimmte Menge Gras, ohne dem Boden auch nur das Allergeringſte an organiſcher Subſtanz wieder zurückzugeben. Woher ſtammt dieſes Heu, wenn nicht aus der Atmoſphäre? Kohlenſtoff und Stickſtoff bedarf die Pflanze, und in Südamerica, im Walde auf der wilden Alpe giebt es für ſie keine Möglichkeit, ſich dieſer Stoffe zu bemächtigen, als vermittelſt des Ammoniaks und der Kohlenſäure der Atmoſphäre. — Die Provinzen Nord- und Südholland, Friesland, Gröningen und Dronthe führen alljährlich mit ihrem Käſe etwa
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die Verwilderung der großen Pampasdiſtel und der Artiſchocke ver-
ändert iſt; dieſelbe dünne Bevölkerung, dieſelben einheimiſchen Thier-
mengen wie noch heute durchſtreiften dieſe öden Ebenen. Die Spanier
führten das Pferd und das Rindvieh ein und dieſe vermehrten ſich in
unglaublich kurzer Zeit in ſolchem Maaße, daß allein Montevideo
jährlich 300,000 Stierhäute ausführt, daß die Kriegszüge des
General Roſas viele Hunderttauſende von Pferden koſteten, ohne daß
auch nur im Geringſten eine Abnahme merklich wurde. Das einhei-
miſche organiſche Leben und ſeine Maſſe hat ſich ſeit der Entdeckung
durch die Spanier alſo nicht vermindert, ſondern bedeutend vermehrt,
und dabei ſind Millionen Pfunde von Kohlenſtoff und Stickſtoff zu
organiſchen Subſtanzen verbunden durch den Handel mit Ochſen-
häuten ausgeführt, ohne daß das Land den geringſten berechenbaren
Erſatz an organiſchen Stoffen erhalten hätte. Woher können dieſe
Maſſen anders entſtammen, als der Atmoſphäre? — Wenn wir alle
übrigen Beſtandtheile des Thees vernachläſſigen, ſo führt doch China
mit dem halben Procent Thein alle Jahre über 300,000 Pf. Stick-
ſtoff aus, ohne dafür irgend namhaften Erſatz wieder zu erhalten. —
Von dem in gutem Stande erhaltenen Walde gewinnen wir jährlich
für den Morgen ohngefähr dritthalbtauſend Pfund trockenes Holz,
welche etwa 1000 Pfund Kohlenſtoff enthalten. Aber wir düngen
den Waldboden nicht, und ſein Gehalt an Humus, weit entfernt,
erſchöpft zu werden, nimmt vielmehr von Jahr zu Jahr durch Wind-
bruch und Blattfall bedeutend zu. — Auf den für jedes Vieh unüber-
ſteiglichen Alpen der Schweiz und Tyrols mäht der Wildheuer all-
jährlich ſeine beſtimmte Menge Gras, ohne dem Boden auch nur das
Allergeringſte an organiſcher Subſtanz wieder zurückzugeben. Woher
ſtammt dieſes Heu, wenn nicht aus der Atmoſphäre? Kohlenſtoff und
Stickſtoff bedarf die Pflanze, und in Südamerica, im Walde auf der
wilden Alpe giebt es für ſie keine Möglichkeit, ſich dieſer Stoffe zu
bemächtigen, als vermittelſt des Ammoniaks und der Kohlenſäure der
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/158>, abgerufen am 22.11.2024.
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