es ließe sich vielleicht für jede Nüancirung des Wetters eine Ge- müthsstimmung auffinden, welcher sie durch ihren Einfluß auf die Nerven förderlich ist, deren Gegentheile sie also feindlich entgegen tritt. Schon unsere Vorfahren kannten und benannten einen Wonne- mond und in England heißt der November "the month of fog, misanthropy and suicide." Thatsache ist, daß die meisten Selbst- morde dort in diesem Monat begangen werden. Frommond erzählt, daß beim Südwind die Einwohner der Azoren herumgehen, als wenn sie vor den Kopf geschlagen wären und daß selbst die kleinen Kinder betrübt zu Hause sitzen, statt auf den Gassen zu spielen. Sanctorius bemerkte, daß alle Menschen sich schwerfälliger fühlten bei feuchtem nebligen Wetter und Unzer behauptet, daß Kranke und Gesunde stets wohler seyen bei hohem Stande des Quecksilbers. Schon bei Hippocrates finden wir bemerkt, daß feuchte Frühjahre heftige Fieberepidemien nach sich zögen und an allen Seeküsten ist der Glaube verbreitet, daß die Mehrzahl der Menschen aus dem Leben scheide, wenn der Mond um 90 Grad von seiner Culmination entfernt sey, nämlich zur Zeit der Ebbe. Ich führe dieses Alles nicht an, weil ich die Thatsachen selbst für über allen Zweifel erhaben halte, sondern nur um zu zeigen, wie allgemein die Ueberzeugung verbreitet ist, daß das Wohlbefinden des Menschen vom Wetter ab- hängig sey. -- Wenn wir auf sehr hohen Bergen sind, so liegen gar häufig Wolken, Regen und alle Trübsale des Wetters tief un- ter unsern Füßen und so mögen auch die, welche auf den Höhen der Menschheit stehen, die Herrscher der Völker und die Großen weniger berührt werden von dem Wechsel des Wetters, desto mehr hängt in den niedern Regionen alles Wohl und alles Wehe des Lebens von Regen und Sonnenschein ab. Stellen wir uns einen Augenblick ne- ben Le Sage's hinkenden Teufel und schauen in das Innere der Häu- ser hinein; hier harret die liebende Gattin des Mannes, sie eilt dem wiederkehrenden freundlich entgegen und wird mürrisch zurückgestoßen, jubelnd läuft der sechsjährige Bube auf den Vater zu und beschmuzt mit seinen Fingerchen dessen Kleid. Ein derber Hieb ist seine Be-
es ließe ſich vielleicht für jede Nüancirung des Wetters eine Ge- müthsſtimmung auffinden, welcher ſie durch ihren Einfluß auf die Nerven förderlich iſt, deren Gegentheile ſie alſo feindlich entgegen tritt. Schon unſere Vorfahren kannten und benannten einen Wonne- mond und in England heißt der November „the month of fog, misanthropy and suicide.“ Thatſache iſt, daß die meiſten Selbſt- morde dort in dieſem Monat begangen werden. Frommond erzählt, daß beim Südwind die Einwohner der Azoren herumgehen, als wenn ſie vor den Kopf geſchlagen wären und daß ſelbſt die kleinen Kinder betrübt zu Hauſe ſitzen, ſtatt auf den Gaſſen zu ſpielen. Sanctorius bemerkte, daß alle Menſchen ſich ſchwerfälliger fühlten bei feuchtem nebligen Wetter und Unzer behauptet, daß Kranke und Geſunde ſtets wohler ſeyen bei hohem Stande des Queckſilbers. Schon bei Hippocrates finden wir bemerkt, daß feuchte Frühjahre heftige Fieberepidemien nach ſich zögen und an allen Seeküſten iſt der Glaube verbreitet, daß die Mehrzahl der Menſchen aus dem Leben ſcheide, wenn der Mond um 90 Grad von ſeiner Culmination entfernt ſey, nämlich zur Zeit der Ebbe. Ich führe dieſes Alles nicht an, weil ich die Thatſachen ſelbſt für über allen Zweifel erhaben halte, ſondern nur um zu zeigen, wie allgemein die Ueberzeugung verbreitet iſt, daß das Wohlbefinden des Menſchen vom Wetter ab- hängig ſey. — Wenn wir auf ſehr hohen Bergen ſind, ſo liegen gar häufig Wolken, Regen und alle Trübſale des Wetters tief un- ter unſern Füßen und ſo mögen auch die, welche auf den Höhen der Menſchheit ſtehen, die Herrſcher der Völker und die Großen weniger berührt werden von dem Wechſel des Wetters, deſto mehr hängt in den niedern Regionen alles Wohl und alles Wehe des Lebens von Regen und Sonnenſchein ab. Stellen wir uns einen Augenblick ne- ben Le Sage's hinkenden Teufel und ſchauen in das Innere der Häu- ſer hinein; hier harret die liebende Gattin des Mannes, ſie eilt dem wiederkehrenden freundlich entgegen und wird mürriſch zurückgeſtoßen, jubelnd läuft der ſechsjährige Bube auf den Vater zu und beſchmuzt mit ſeinen Fingerchen deſſen Kleid. Ein derber Hieb iſt ſeine Be-
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es ließe ſich vielleicht für jede Nüancirung des Wetters eine Ge-
müthsſtimmung auffinden, welcher ſie durch ihren Einfluß auf die
Nerven förderlich iſt, deren Gegentheile ſie alſo feindlich entgegen
tritt. Schon unſere Vorfahren kannten und benannten einen Wonne-
mond und in England heißt der November „the month of fog,
misanthropy and suicide.“ Thatſache iſt, daß die meiſten Selbſt-
morde dort in dieſem Monat begangen werden. Frommond erzählt,
daß beim Südwind die Einwohner der Azoren herumgehen, als
wenn ſie vor den Kopf geſchlagen wären und daß ſelbſt die kleinen
Kinder betrübt zu Hauſe ſitzen, ſtatt auf den Gaſſen zu ſpielen.
Sanctorius bemerkte, daß alle Menſchen ſich ſchwerfälliger fühlten
bei feuchtem nebligen Wetter und Unzer behauptet, daß Kranke und
Geſunde ſtets wohler ſeyen bei hohem Stande des Queckſilbers.
Schon bei Hippocrates finden wir bemerkt, daß feuchte Frühjahre
heftige Fieberepidemien nach ſich zögen und an allen Seeküſten iſt
der Glaube verbreitet, daß die Mehrzahl der Menſchen aus dem
Leben ſcheide, wenn der Mond um 90 Grad von ſeiner Culmination
entfernt ſey, nämlich zur Zeit der Ebbe. Ich führe dieſes Alles nicht
an, weil ich die Thatſachen ſelbſt für über allen Zweifel erhaben
halte, ſondern nur um zu zeigen, wie allgemein die Ueberzeugung
verbreitet iſt, daß das Wohlbefinden des Menſchen vom Wetter ab-
hängig ſey. — Wenn wir auf ſehr hohen Bergen ſind, ſo liegen
gar häufig Wolken, Regen und alle Trübſale des Wetters tief un-
ter unſern Füßen und ſo mögen auch die, welche auf den Höhen der
Menſchheit ſtehen, die Herrſcher der Völker und die Großen weniger
berührt werden von dem Wechſel des Wetters, deſto mehr hängt in
den niedern Regionen alles Wohl und alles Wehe des Lebens von
Regen und Sonnenſchein ab. Stellen wir uns einen Augenblick ne-
ben Le Sage's hinkenden Teufel und ſchauen in das Innere der Häu-
ſer hinein; hier harret die liebende Gattin des Mannes, ſie eilt dem
wiederkehrenden freundlich entgegen und wird mürriſch zurückgeſtoßen,
jubelnd läuft der ſechsjährige Bube auf den Vater zu und beſchmuzt
mit ſeinen Fingerchen deſſen Kleid. Ein derber Hieb iſt ſeine Be-
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/121>, abgerufen am 24.11.2024.
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