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Schleiden, Matthias Jacob: Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur. Leipzig, 1863.

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Das Alter des Menschengeschlechts.
Thatsache hervorheben, auf die zuerst Ami Boue aufmerksam gemacht
hat. Bekanntlich haben wir in der sogenannten alten Welt drei große
ganz scharf geschiedene Typen der Menschheit oder Rassen, die weiße
oder Indo-atlantische, die schwarze oder Negerrasse und die
gelbe oder Mongolische Rasse. Die Vertheilung dieser drei Rassen
auf der Erde, zumal, wenn wir an den Anfang unserer Geschichte und
Sage zurückgehen, ehe Kriege und Wanderungen die Menschen so sehr
durcheinander geschüttelt hatten, bietet nun eine ganz eigenthümliche
Erscheinung dar. Ich habe schon früher darauf aufmerksam gemacht,
daß die Geographie von Europa und Afrika und wie ich jetzt noch
hinzufügen will auch von Asien eine durchaus andere war. Zwei
große Meeresbecken, die jetzt als Wüsten sich darstellen, durchsetzten die
damals bestehenden Continente. Der Nordrand von Afrika war mit
Europa vielfach durch festes Land verbunden, was wir mit Sicherheit
für den westlichen Theil und für Sicilien zwischen Marsala und
Cap Bon wissen. Aber vom südlichen Afrika war dieser Landstrich
durch das große Meer getrennt, dessen gehobener Boden jetzt in fast
ununterbrochenem Zuge von der Westküste Afrika's bis an den Fuß des
Hymalaya's sich erstreckt. Keine Sage und kein natürliches Denk¬
mal deutet an, daß jemals am Nordende dieses Meeres Negerstämme
gehaust hätten, während wir dieselben am Südrande bis in die süd¬
lichen Theile von Ostindien verfolgen können. Am Nordrande die¬
ses Meeres und selbst in Afrika finden wir seit den ältesten Zeiten
immer nur Völker der weißen Rasse ansäßig. In ähnlicher Weise bilden
aber auch in Asien die ehemaligen der Tertiärepoche angehörigen
Meeresbecken von Tübet, der Wüste Gobi nach Süden und Osten
die Grenze zwischen der weißen Rasse und der Mongolischen. Diese
seltsame Trennung der Hauptrassen, nicht durch die gegenwärtigen
Meere, sondern durch die Meere der Tertiärzeit giebt einen starken
Wahrscheinlichkeitsgrund dafür, daß diese drei Rassen schon in der Ter¬
tiärzeit existirt haben.

Den größten Theil der Thatsachen, welche sich auf die frühere,

Das Alter des Menſchengeſchlechts.
Thatſache hervorheben, auf die zuerſt Ami Boué aufmerkſam gemacht
hat. Bekanntlich haben wir in der ſogenannten alten Welt drei große
ganz ſcharf geſchiedene Typen der Menſchheit oder Raſſen, die weiße
oder Indo-atlantiſche, die ſchwarze oder Negerraſſe und die
gelbe oder Mongoliſche Raſſe. Die Vertheilung dieſer drei Raſſen
auf der Erde, zumal, wenn wir an den Anfang unſerer Geſchichte und
Sage zurückgehen, ehe Kriege und Wanderungen die Menſchen ſo ſehr
durcheinander geſchüttelt hatten, bietet nun eine ganz eigenthümliche
Erſcheinung dar. Ich habe ſchon früher darauf aufmerkſam gemacht,
daß die Geographie von Europa und Afrika und wie ich jetzt noch
hinzufügen will auch von Aſien eine durchaus andere war. Zwei
große Meeresbecken, die jetzt als Wüſten ſich darſtellen, durchſetzten die
damals beſtehenden Continente. Der Nordrand von Afrika war mit
Europa vielfach durch feſtes Land verbunden, was wir mit Sicherheit
für den weſtlichen Theil und für Sicilien zwiſchen Marſala und
Cap Bon wiſſen. Aber vom ſüdlichen Afrika war dieſer Landſtrich
durch das große Meer getrennt, deſſen gehobener Boden jetzt in faſt
ununterbrochenem Zuge von der Weſtküſte Afrika's bis an den Fuß des
Hymalaya's ſich erſtreckt. Keine Sage und kein natürliches Denk¬
mal deutet an, daß jemals am Nordende dieſes Meeres Negerſtämme
gehauſt hätten, während wir dieſelben am Südrande bis in die ſüd¬
lichen Theile von Oſtindien verfolgen können. Am Nordrande die¬
ſes Meeres und ſelbſt in Afrika finden wir ſeit den älteſten Zeiten
immer nur Völker der weißen Raſſe anſäßig. In ähnlicher Weiſe bilden
aber auch in Aſien die ehemaligen der Tertiärepoche angehörigen
Meeresbecken von Tübet, der Wüſte Gobi nach Süden und Oſten
die Grenze zwiſchen der weißen Raſſe und der Mongoliſchen. Dieſe
ſeltſame Trennung der Hauptraſſen, nicht durch die gegenwärtigen
Meere, ſondern durch die Meere der Tertiärzeit giebt einen ſtarken
Wahrſcheinlichkeitsgrund dafür, daß dieſe drei Raſſen ſchon in der Ter¬
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[21/0031] Das Alter des Menſchengeſchlechts. Thatſache hervorheben, auf die zuerſt Ami Boué aufmerkſam gemacht hat. Bekanntlich haben wir in der ſogenannten alten Welt drei große ganz ſcharf geſchiedene Typen der Menſchheit oder Raſſen, die weiße oder Indo-atlantiſche, die ſchwarze oder Negerraſſe und die gelbe oder Mongoliſche Raſſe. Die Vertheilung dieſer drei Raſſen auf der Erde, zumal, wenn wir an den Anfang unſerer Geſchichte und Sage zurückgehen, ehe Kriege und Wanderungen die Menſchen ſo ſehr durcheinander geſchüttelt hatten, bietet nun eine ganz eigenthümliche Erſcheinung dar. Ich habe ſchon früher darauf aufmerkſam gemacht, daß die Geographie von Europa und Afrika und wie ich jetzt noch hinzufügen will auch von Aſien eine durchaus andere war. Zwei große Meeresbecken, die jetzt als Wüſten ſich darſtellen, durchſetzten die damals beſtehenden Continente. Der Nordrand von Afrika war mit Europa vielfach durch feſtes Land verbunden, was wir mit Sicherheit für den weſtlichen Theil und für Sicilien zwiſchen Marſala und Cap Bon wiſſen. Aber vom ſüdlichen Afrika war dieſer Landſtrich durch das große Meer getrennt, deſſen gehobener Boden jetzt in faſt ununterbrochenem Zuge von der Weſtküſte Afrika's bis an den Fuß des Hymalaya's ſich erſtreckt. Keine Sage und kein natürliches Denk¬ mal deutet an, daß jemals am Nordende dieſes Meeres Negerſtämme gehauſt hätten, während wir dieſelben am Südrande bis in die ſüd¬ lichen Theile von Oſtindien verfolgen können. Am Nordrande die¬ ſes Meeres und ſelbſt in Afrika finden wir ſeit den älteſten Zeiten immer nur Völker der weißen Raſſe anſäßig. In ähnlicher Weiſe bilden aber auch in Aſien die ehemaligen der Tertiärepoche angehörigen Meeresbecken von Tübet, der Wüſte Gobi nach Süden und Oſten die Grenze zwiſchen der weißen Raſſe und der Mongoliſchen. Dieſe ſeltſame Trennung der Hauptraſſen, nicht durch die gegenwärtigen Meere, ſondern durch die Meere der Tertiärzeit giebt einen ſtarken Wahrſcheinlichkeitsgrund dafür, daß dieſe drei Raſſen ſchon in der Ter¬ tiärzeit exiſtirt haben. Den größten Theil der Thatſachen, welche ſich auf die frühere,

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur. Leipzig, 1863, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_menschengeschlecht_1863/31>, abgerufen am 24.04.2024.