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Schleicher, August: Die Darwinsche Theorie und die Sprachwissenschaft. Weimar, 1863.

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lich hebräisch, syrisch und chaldäisch, arabisch u. s. f. ge-
hören, sowie von allen Sprachsippen oder Sprachstämmen
überhaupt. Als Beispiel möge hier der Stammbaum der
indogermanischen Sprachsippe Platz finden, wie er nach
unserem Dafürhalten als Bild des allmählichen Entstehens
derselben aufzustellen ist1); man vergleiche ihn mit Darwins
bildlicher Darstellung (S. 121), wobei man nicht ausser
Acht lasse, dass Darwin ein ideales Schema aufstellt, wir
aber das Bild der Entstehung einer gegebenen Sippe zeich-
nen2). Uebrigens war es nicht wohl thunlich unser Sippen-
bild genau auszuführen, die Mundarten (Varietäten) sind
überall nur angedeutet worden; die Spaltungen des era-
nischen und indischen Astes musten wir hinweg lassen.

Was unser Bild besagt, lässt sich mit Worten etwa
folgendermaassen ausdrücken.

In einer früheren Lebensperiode des Menschengeschlechtes
gab es eine Sprache, die wir aus den aus ihr hervorge-
gangenen indogermanisch genannten Sprachen ziemlich ge-
nau erschliessen können3), die indogermanische Urspache.
Nachdem sie von einer Reihe von Generationen gesprochen
ward, während dem wahrscheinlich das sie redende Volk
sich mehrte und ausbreitete, nahm sie auf verschiedenen
Theilen ihres Gebietes ganz allmählich einen verschiedenen
Charakter an, so dass endlich zwei Sprachen aus ihr her-

1) S. die beigefügte Steindrucktafel.
2) Übereinstimmender mit dem Darwinschen Schema ist die eben-
falls ideal gehaltene Zeichnung der Entstehung sprachlicher Arten und
Unterarten aus einer Grundform, die ich Deutsche Sprache S. 28 ent-
worfen habe.
3) In Bezug auf die grammatischen Formen habe ich diesen Ver-
such gemacht in meinem Compendium der vergleichenden Grammatik
der indogermanischen Sprache, Weimar, Böhlau, 1861. 1862.

lich hebräisch, syrisch und chaldäisch, arabisch u. s. f. ge-
hören, sowie von allen Sprachsippen oder Sprachstämmen
überhaupt. Als Beispiel möge hier der Stammbaum der
indogermanischen Sprachsippe Platz finden, wie er nach
unserem Dafürhalten als Bild des allmählichen Entstehens
derselben aufzustellen ist1); man vergleiche ihn mit Darwins
bildlicher Darstellung (S. 121), wobei man nicht ausser
Acht lasse, dass Darwin ein ideales Schema aufstellt, wir
aber das Bild der Entstehung einer gegebenen Sippe zeich-
nen2). Uebrigens war es nicht wohl thunlich unser Sippen-
bild genau auszuführen, die Mundarten (Varietäten) sind
überall nur angedeutet worden; die Spaltungen des era-
nischen und indischen Astes musten wir hinweg lassen.

Was unser Bild besagt, lässt sich mit Worten etwa
folgendermaassen ausdrücken.

In einer früheren Lebensperiode des Menschengeschlechtes
gab es eine Sprache, die wir aus den aus ihr hervorge-
gangenen indogermanisch genannten Sprachen ziemlich ge-
nau erschliessen können3), die indogermanische Urspache.
Nachdem sie von einer Reihe von Generationen gesprochen
ward, während dem wahrscheinlich das sie redende Volk
sich mehrte und ausbreitete, nahm sie auf verschiedenen
Theilen ihres Gebietes ganz allmählich einen verschiedenen
Charakter an, so dass endlich zwei Sprachen aus ihr her-

1) S. die beigefügte Steindrucktafel.
2) Übereinstimmender mit dem Darwinschen Schema ist die eben-
falls ideal gehaltene Zeichnung der Entstehung sprachlicher Arten und
Unterarten aus einer Grundform, die ich Deutsche Sprache S. 28 ent-
worfen habe.
3) In Bezug auf die grammatischen Formen habe ich diesen Ver-
such gemacht in meinem Compendium der vergleichenden Grammatik
der indogermanischen Sprache, Weimar, Böhlau, 1861. 1862.
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[14/0014] lich hebräisch, syrisch und chaldäisch, arabisch u. s. f. ge- hören, sowie von allen Sprachsippen oder Sprachstämmen überhaupt. Als Beispiel möge hier der Stammbaum der indogermanischen Sprachsippe Platz finden, wie er nach unserem Dafürhalten als Bild des allmählichen Entstehens derselben aufzustellen ist 1); man vergleiche ihn mit Darwins bildlicher Darstellung (S. 121), wobei man nicht ausser Acht lasse, dass Darwin ein ideales Schema aufstellt, wir aber das Bild der Entstehung einer gegebenen Sippe zeich- nen 2). Uebrigens war es nicht wohl thunlich unser Sippen- bild genau auszuführen, die Mundarten (Varietäten) sind überall nur angedeutet worden; die Spaltungen des era- nischen und indischen Astes musten wir hinweg lassen. Was unser Bild besagt, lässt sich mit Worten etwa folgendermaassen ausdrücken. In einer früheren Lebensperiode des Menschengeschlechtes gab es eine Sprache, die wir aus den aus ihr hervorge- gangenen indogermanisch genannten Sprachen ziemlich ge- nau erschliessen können 3), die indogermanische Urspache. Nachdem sie von einer Reihe von Generationen gesprochen ward, während dem wahrscheinlich das sie redende Volk sich mehrte und ausbreitete, nahm sie auf verschiedenen Theilen ihres Gebietes ganz allmählich einen verschiedenen Charakter an, so dass endlich zwei Sprachen aus ihr her- 1) S. die beigefügte Steindrucktafel. 2) Übereinstimmender mit dem Darwinschen Schema ist die eben- falls ideal gehaltene Zeichnung der Entstehung sprachlicher Arten und Unterarten aus einer Grundform, die ich Deutsche Sprache S. 28 ent- worfen habe. 3) In Bezug auf die grammatischen Formen habe ich diesen Ver- such gemacht in meinem Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprache, Weimar, Böhlau, 1861. 1862.

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Zitationshilfe: Schleicher, August: Die Darwinsche Theorie und die Sprachwissenschaft. Weimar, 1863, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_darwin_1863/14>, abgerufen am 16.04.2024.