Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

Formen des edlen Gesichts waren so
ausgearbeitet und übertrieben, wie
wir sie oft an römischen Brustbil-
dern sehn. Ein freundliches Feuer
strahlte aus den offnen lichten Au-
gen, und zwey große Locken warfen
und drängten sich sonderbar auf der
kühnen Stirn. "Ich werde ein al-
"tes Schauspiel vor dir erneuern,
"sprach er: einige Jünglinge am
"Scheidewege. Ich selbst habe es
"der Mühe werth gehalten, sie in
"müssigen Stunden mit der göttli-
"chen Fantasie zu erzeugen. Es sind
"die ächten Romane, vier an der
"Zahl und unsterblich wie wir." --
Ich schaute wohin er winkte, und
ein schöner Jüngling flog kaum be-
kleidet über die grüne Ebne. Schon

Formen des edlen Geſichts waren ſo
ausgearbeitet und übertrieben, wie
wir ſie oft an römiſchen Bruſtbil-
dern ſehn. Ein freundliches Feuer
ſtrahlte aus den offnen lichten Au-
gen, und zwey große Locken warfen
und drängten ſich ſonderbar auf der
kühnen Stirn. »Ich werde ein al-
»tes Schauſpiel vor dir erneuern,
»ſprach er: einige Jünglinge am
»Scheidewege. Ich ſelbſt habe es
»der Mühe werth gehalten, ſie in
»müſſigen Stunden mit der göttli-
»chen Fantaſie zu erzeugen. Es ſind
»die ächten Romane, vier an der
»Zahl und unſterblich wie wir.« —
Ich ſchaute wohin er winkte, und
ein ſchöner Jüngling flog kaum be-
kleidet über die grüne Ebne. Schon

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0047" n="42"/>
Formen des edlen Ge&#x017F;ichts waren &#x017F;o<lb/>
ausgearbeitet und übertrieben, wie<lb/>
wir &#x017F;ie oft an römi&#x017F;chen Bru&#x017F;tbil-<lb/>
dern &#x017F;ehn. Ein freundliches Feuer<lb/>
&#x017F;trahlte aus den offnen lichten Au-<lb/>
gen, und zwey große Locken warfen<lb/>
und drängten &#x017F;ich &#x017F;onderbar auf der<lb/>
kühnen Stirn. »Ich werde ein al-<lb/>
»tes Schau&#x017F;piel vor dir erneuern,<lb/>
»&#x017F;prach er: einige Jünglinge am<lb/>
»Scheidewege. Ich &#x017F;elb&#x017F;t habe es<lb/>
»der Mühe werth gehalten, &#x017F;ie in<lb/>
»mü&#x017F;&#x017F;igen Stunden mit der göttli-<lb/>
»chen Fanta&#x017F;ie zu erzeugen. Es &#x017F;ind<lb/>
»die ächten Romane, vier an der<lb/>
»Zahl und un&#x017F;terblich wie wir.« &#x2014;<lb/>
Ich &#x017F;chaute wohin er winkte, und<lb/>
ein &#x017F;chöner Jüngling flog kaum be-<lb/>
kleidet über die grüne Ebne. Schon<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0047] Formen des edlen Geſichts waren ſo ausgearbeitet und übertrieben, wie wir ſie oft an römiſchen Bruſtbil- dern ſehn. Ein freundliches Feuer ſtrahlte aus den offnen lichten Au- gen, und zwey große Locken warfen und drängten ſich ſonderbar auf der kühnen Stirn. »Ich werde ein al- »tes Schauſpiel vor dir erneuern, »ſprach er: einige Jünglinge am »Scheidewege. Ich ſelbſt habe es »der Mühe werth gehalten, ſie in »müſſigen Stunden mit der göttli- »chen Fantaſie zu erzeugen. Es ſind »die ächten Romane, vier an der »Zahl und unſterblich wie wir.« — Ich ſchaute wohin er winkte, und ein ſchöner Jüngling flog kaum be- kleidet über die grüne Ebne. Schon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Darüber hinaus sind keine weiteren Teile erschien… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/47
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/47>, abgerufen am 22.11.2024.