Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

Gränze setzte sie ihm nicht aus Kälte,
noch aus Vorsicht und Grundsatz:
denn sie war reizbar genug, sie hatte
eine starke Anlage zum Leichtsinn
und lebte in den freysten Verhält-
nissen. Es war weiblicher Stolz und
Scheu vor dem, was sie für thierisch
und roh hielt. So wenig nun ein
solches Beginnen ohne Vollendung
nach Julius Sinne war, und ob-
gleich er über die kleine Einbildung
des Mädchens lächeln mußte, wenn
er bey diesem verkehrten und ver-
künstelten Wesen an das Schaffen
und Wirken der allmächtigen Natur,
an ihre ewigen Gesetze, an die Hoheit
und Größe der Mutterwürde, und
an die Schönheit des Mannes dachte,
den in der Fülle der Gesundheit und

Gränze ſetzte ſie ihm nicht aus Kälte,
noch aus Vorſicht und Grundſatz:
denn ſie war reizbar genug, ſie hatte
eine ſtarke Anlage zum Leichtſinn
und lebte in den freyſten Verhält-
niſſen. Es war weiblicher Stolz und
Scheu vor dem, was ſie für thieriſch
und roh hielt. So wenig nun ein
ſolches Beginnen ohne Vollendung
nach Julius Sinne war, und ob-
gleich er über die kleine Einbildung
des Mädchens lächeln mußte, wenn
er bey dieſem verkehrten und ver-
künſtelten Weſen an das Schaffen
und Wirken der allmächtigen Natur,
an ihre ewigen Geſetze, an die Hoheit
und Größe der Mutterwürde, und
an die Schönheit des Mannes dachte,
den in der Fülle der Geſundheit und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0193" n="188"/>
Gränze &#x017F;etzte &#x017F;ie ihm nicht aus Kälte,<lb/>
noch aus Vor&#x017F;icht und Grund&#x017F;atz:<lb/>
denn &#x017F;ie war reizbar genug, &#x017F;ie hatte<lb/>
eine &#x017F;tarke Anlage zum Leicht&#x017F;inn<lb/>
und lebte in den frey&#x017F;ten Verhält-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;en. Es war weiblicher Stolz und<lb/>
Scheu vor dem, was &#x017F;ie für thieri&#x017F;ch<lb/>
und roh hielt. So wenig nun ein<lb/>
&#x017F;olches Beginnen ohne Vollendung<lb/>
nach Julius Sinne war, und ob-<lb/>
gleich er über die kleine Einbildung<lb/>
des Mädchens lächeln mußte, wenn<lb/>
er bey die&#x017F;em verkehrten und ver-<lb/>
kün&#x017F;telten We&#x017F;en an das Schaffen<lb/>
und Wirken der allmächtigen Natur,<lb/>
an ihre ewigen Ge&#x017F;etze, an die Hoheit<lb/>
und Größe der Mutterwürde, und<lb/>
an die Schönheit des Mannes dachte,<lb/>
den in der Fülle der Ge&#x017F;undheit und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0193] Gränze ſetzte ſie ihm nicht aus Kälte, noch aus Vorſicht und Grundſatz: denn ſie war reizbar genug, ſie hatte eine ſtarke Anlage zum Leichtſinn und lebte in den freyſten Verhält- niſſen. Es war weiblicher Stolz und Scheu vor dem, was ſie für thieriſch und roh hielt. So wenig nun ein ſolches Beginnen ohne Vollendung nach Julius Sinne war, und ob- gleich er über die kleine Einbildung des Mädchens lächeln mußte, wenn er bey dieſem verkehrten und ver- künſtelten Weſen an das Schaffen und Wirken der allmächtigen Natur, an ihre ewigen Geſetze, an die Hoheit und Größe der Mutterwürde, und an die Schönheit des Mannes dachte, den in der Fülle der Geſundheit und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Darüber hinaus sind keine weiteren Teile erschien… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/193
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/193>, abgerufen am 22.11.2024.