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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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leuchtet dünken, oft einen Haß voll Erbittrung,
wie bei den syrischen Griechen gegen die Juden.
In Indien waren beide streitende Elemente,
deren Kampf von jeher so viele große Religions-
kriege bis auf die neuesten Zeiten hervorgebracht
hat, schon vor Alters beisammen; aber gewiß
nicht immer so friedlich als jetzt, da alles lange
geschwächt und das ganz unverträgliche so oft
schon ausgestoßen worden ist, oder sich selbst
freiwillig abgesondert hat.

Wenn es gegründet ist, daß unter den
Yavanern der indischen Bücher mehre westlich
gewanderte, dem sinnlichen Naturdienst ergebne,
Völker zu verstehen sind, so müssen wir vielleicht
längst dem Euphrat und Tigris herauf durch
Phönicien und Klein-Asien den Weg suchen,
auf welchem altasiatische Stämme, und mit ihnen
indische Sprache und Vorstellungen sich bis nach
Griechenland und das mittlere und untere Ita-
lien verbreitet haben. Gesetzt auch, was noch
gar nicht erwiesen ist, daß Babylon und das
umher liegende Hauptland in den ältesten Zeiten
schon von einem syrisch redenden Volke bewohnt
ward; so war doch gewiß so frühe als hier ein

leuchtet duͤnken, oft einen Haß voll Erbittrung,
wie bei den ſyriſchen Griechen gegen die Juden.
In Indien waren beide ſtreitende Elemente,
deren Kampf von jeher ſo viele große Religions-
kriege bis auf die neueſten Zeiten hervorgebracht
hat, ſchon vor Alters beiſammen; aber gewiß
nicht immer ſo friedlich als jetzt, da alles lange
geſchwaͤcht und das ganz unvertraͤgliche ſo oft
ſchon ausgeſtoßen worden iſt, oder ſich ſelbſt
freiwillig abgeſondert hat.

Wenn es gegruͤndet iſt, daß unter den
Yavanern der indiſchen Buͤcher mehre weſtlich
gewanderte, dem ſinnlichen Naturdienſt ergebne,
Voͤlker zu verſtehen ſind, ſo muͤſſen wir vielleicht
laͤngſt dem Euphrat und Tigris herauf durch
Phoͤnicien und Klein-Aſien den Weg ſuchen,
auf welchem altaſiatiſche Staͤmme, und mit ihnen
indiſche Sprache und Vorſtellungen ſich bis nach
Griechenland und das mittlere und untere Ita-
lien verbreitet haben. Geſetzt auch, was noch
gar nicht erwieſen iſt, daß Babylon und das
umher liegende Hauptland in den aͤlteſten Zeiten
ſchon von einem ſyriſch redenden Volke bewohnt
ward; ſo war doch gewiß ſo fruͤhe als hier ein

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[187/0206] leuchtet duͤnken, oft einen Haß voll Erbittrung, wie bei den ſyriſchen Griechen gegen die Juden. In Indien waren beide ſtreitende Elemente, deren Kampf von jeher ſo viele große Religions- kriege bis auf die neueſten Zeiten hervorgebracht hat, ſchon vor Alters beiſammen; aber gewiß nicht immer ſo friedlich als jetzt, da alles lange geſchwaͤcht und das ganz unvertraͤgliche ſo oft ſchon ausgeſtoßen worden iſt, oder ſich ſelbſt freiwillig abgeſondert hat. Wenn es gegruͤndet iſt, daß unter den Yavanern der indiſchen Buͤcher mehre weſtlich gewanderte, dem ſinnlichen Naturdienſt ergebne, Voͤlker zu verſtehen ſind, ſo muͤſſen wir vielleicht laͤngſt dem Euphrat und Tigris herauf durch Phoͤnicien und Klein-Aſien den Weg ſuchen, auf welchem altaſiatiſche Staͤmme, und mit ihnen indiſche Sprache und Vorſtellungen ſich bis nach Griechenland und das mittlere und untere Ita- lien verbreitet haben. Geſetzt auch, was noch gar nicht erwieſen iſt, daß Babylon und das umher liegende Hauptland in den aͤlteſten Zeiten ſchon von einem ſyriſch redenden Volke bewohnt ward; ſo war doch gewiß ſo fruͤhe als hier ein

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/206>, abgerufen am 02.05.2024.