Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

auszudrücken, die weiter von dem Strome alter
Sagen und Ueberlieferung entfernt waren; wie-
wohl noch keines gefunden ist, das ganz abge-
sondert wäre von aller Mittheilung mit edlern
gebildetern Völkern, d. h. von solchen, die näher
und unmittelbarer aus dem Quell aller Dichtung
und Fantasie schöpfen konnten. Diese Fülle in-
nern lebendigen Reichthums hat selbst die grie-
chische Mythologie, so verschieden sonst ihr Geist
und Charakter ist, noch mit der indischen gemein.

Daß auch Vergötterung großer und heili-
ger Menschen nicht mit diesem System von
Vielgötterei durch mannichfache Ausströmungen
aus einem Urquell streite, sich vielmehr an dem-
selben anschließe, bedarf kaum einer Erwähnung;
da die größere innere oder äussere Verwandt-
schaft und Nähe des abgesonderten Wesens zu
dem ursprünglichen auch die Würde und Wür-
digkeit desselben für Verehrung und Anbetung
bestimmt.

Im Gefolge des Brohma finden wir also
gleich die heiligen zehn Altväter, die eine so be-
deutende Stelle in der indischen Mythologie ein-
nehmen; die sieben großen Rischis oder Prie-

auszudruͤcken, die weiter von dem Strome alter
Sagen und Ueberlieferung entfernt waren; wie-
wohl noch keines gefunden iſt, das ganz abge-
ſondert waͤre von aller Mittheilung mit edlern
gebildetern Voͤlkern, d. h. von ſolchen, die naͤher
und unmittelbarer aus dem Quell aller Dichtung
und Fantaſie ſchoͤpfen konnten. Dieſe Fuͤlle in-
nern lebendigen Reichthums hat ſelbſt die grie-
chiſche Mythologie, ſo verſchieden ſonſt ihr Geiſt
und Charakter iſt, noch mit der indiſchen gemein.

Daß auch Vergoͤtterung großer und heili-
ger Menſchen nicht mit dieſem Syſtem von
Vielgoͤtterei durch mannichfache Ausſtroͤmungen
aus einem Urquell ſtreite, ſich vielmehr an dem-
ſelben anſchließe, bedarf kaum einer Erwaͤhnung;
da die groͤßere innere oder aͤuſſere Verwandt-
ſchaft und Naͤhe des abgeſonderten Weſens zu
dem urſpruͤnglichen auch die Wuͤrde und Wuͤr-
digkeit deſſelben fuͤr Verehrung und Anbetung
beſtimmt.

Im Gefolge des Brohma finden wir alſo
gleich die heiligen zehn Altvaͤter, die eine ſo be-
deutende Stelle in der indiſchen Mythologie ein-
nehmen; die ſieben großen Riſchis oder Prie-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0127" n="108"/>
auszudru&#x0364;cken, die weiter von dem Strome alter<lb/>
Sagen und Ueberlieferung entfernt waren; wie-<lb/>
wohl noch keines gefunden i&#x017F;t, das ganz abge-<lb/>
&#x017F;ondert wa&#x0364;re von aller Mittheilung mit edlern<lb/>
gebildetern Vo&#x0364;lkern, d. h. von &#x017F;olchen, die na&#x0364;her<lb/>
und unmittelbarer aus dem Quell aller Dichtung<lb/>
und Fanta&#x017F;ie &#x017F;cho&#x0364;pfen konnten. Die&#x017F;e Fu&#x0364;lle in-<lb/>
nern lebendigen Reichthums hat &#x017F;elb&#x017F;t die grie-<lb/>
chi&#x017F;che Mythologie, &#x017F;o ver&#x017F;chieden &#x017F;on&#x017F;t ihr Gei&#x017F;t<lb/>
und Charakter i&#x017F;t, noch mit der indi&#x017F;chen gemein.</p><lb/>
          <p>Daß auch Vergo&#x0364;tterung großer und heili-<lb/>
ger Men&#x017F;chen nicht mit die&#x017F;em Sy&#x017F;tem von<lb/>
Vielgo&#x0364;tterei durch mannichfache Aus&#x017F;tro&#x0364;mungen<lb/>
aus einem Urquell &#x017F;treite, &#x017F;ich vielmehr an dem-<lb/>
&#x017F;elben an&#x017F;chließe, bedarf kaum einer Erwa&#x0364;hnung;<lb/>
da die gro&#x0364;ßere innere oder a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ere Verwandt-<lb/>
&#x017F;chaft und Na&#x0364;he des abge&#x017F;onderten We&#x017F;ens zu<lb/>
dem ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen auch die Wu&#x0364;rde und Wu&#x0364;r-<lb/>
digkeit de&#x017F;&#x017F;elben fu&#x0364;r Verehrung und Anbetung<lb/>
be&#x017F;timmt.</p><lb/>
          <p>Im Gefolge des <hi rendition="#g">Brohma</hi> finden wir al&#x017F;o<lb/>
gleich die heiligen zehn <hi rendition="#g">Altva&#x0364;ter</hi>, die eine &#x017F;o be-<lb/>
deutende Stelle in der indi&#x017F;chen Mythologie ein-<lb/>
nehmen; die &#x017F;ieben großen <hi rendition="#g">Ri&#x017F;chis</hi> oder Prie-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0127] auszudruͤcken, die weiter von dem Strome alter Sagen und Ueberlieferung entfernt waren; wie- wohl noch keines gefunden iſt, das ganz abge- ſondert waͤre von aller Mittheilung mit edlern gebildetern Voͤlkern, d. h. von ſolchen, die naͤher und unmittelbarer aus dem Quell aller Dichtung und Fantaſie ſchoͤpfen konnten. Dieſe Fuͤlle in- nern lebendigen Reichthums hat ſelbſt die grie- chiſche Mythologie, ſo verſchieden ſonſt ihr Geiſt und Charakter iſt, noch mit der indiſchen gemein. Daß auch Vergoͤtterung großer und heili- ger Menſchen nicht mit dieſem Syſtem von Vielgoͤtterei durch mannichfache Ausſtroͤmungen aus einem Urquell ſtreite, ſich vielmehr an dem- ſelben anſchließe, bedarf kaum einer Erwaͤhnung; da die groͤßere innere oder aͤuſſere Verwandt- ſchaft und Naͤhe des abgeſonderten Weſens zu dem urſpruͤnglichen auch die Wuͤrde und Wuͤr- digkeit deſſelben fuͤr Verehrung und Anbetung beſtimmt. Im Gefolge des Brohma finden wir alſo gleich die heiligen zehn Altvaͤter, die eine ſo be- deutende Stelle in der indiſchen Mythologie ein- nehmen; die ſieben großen Riſchis oder Prie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/127
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/127>, abgerufen am 01.05.2024.