Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.versuchte denselben Frühling des Geistes in Frankreich zu erzwingen, auch die Engländer kamen überein, den Geschmack unter der Königin Anna für den besten zu halten, und keine Nation wollte fernerhin ohne ihr goldnes Zeitalter bleiben; jedes folgende war leerer und schlechter noch als das vorhergehende, und was sich die Deutschen zuletzt als golden eingebildet haben, verbietet die Würde dieser Darstellung näher zu bezeichnen. Jch kehre zurück zu den Römern. Sie hatten, wie gesagt, nur einen Anfall von Poesie, die ihnen eigentlich stets widernatürlich blieb. Einheimisch war bey ihnen nur die Poesie der Urbanität, und mit der einzigen Satire haben sie das Gebiet der Kunst bereichert. Es nahm dieselbe unter jedem Meister eine neue Gestalt an, indem sich der große alte Styl der römischen Geselligkeit und des römischen Witzes bald die classische Kühnheit des Archilochos und der alten Komödie aneignete, bald aus der sorglosen Leichtigkeit eines Jmprovisatore zur saubersten Eleganz eines correcten Hellenen bildete, bald mit Stoischem Sinn und im gediegensten Styl zur großen alten Weise der Nation zurückkehrte, bald sich der Begeisterung des Hasses überließ. Durch die Satire erscheint in neuem Glanz, was noch von der Urbanität der ewigen Roma im Catullus lebt, im Martialis, oder sonst einzeln und zerstreut. Die Satire giebt uns einen römischen Standpunkt für die Produkte des römischen Geistes. Nachdem die Kraft der Poesie so schnell erloschen als zuvor gewachsen war, nahm der Geist der Menschen versuchte denselben Fruͤhling des Geistes in Frankreich zu erzwingen, auch die Englaͤnder kamen uͤberein, den Geschmack unter der Koͤnigin Anna fuͤr den besten zu halten, und keine Nation wollte fernerhin ohne ihr goldnes Zeitalter bleiben; jedes folgende war leerer und schlechter noch als das vorhergehende, und was sich die Deutschen zuletzt als golden eingebildet haben, verbietet die Wuͤrde dieser Darstellung naͤher zu bezeichnen. Jch kehre zuruͤck zu den Roͤmern. Sie hatten, wie gesagt, nur einen Anfall von Poesie, die ihnen eigentlich stets widernatuͤrlich blieb. Einheimisch war bey ihnen nur die Poesie der Urbanitaͤt, und mit der einzigen Satire haben sie das Gebiet der Kunst bereichert. Es nahm dieselbe unter jedem Meister eine neue Gestalt an, indem sich der große alte Styl der roͤmischen Geselligkeit und des roͤmischen Witzes bald die classische Kuͤhnheit des Archilochos und der alten Komoͤdie aneignete, bald aus der sorglosen Leichtigkeit eines Jmprovisatore zur saubersten Eleganz eines correcten Hellenen bildete, bald mit Stoischem Sinn und im gediegensten Styl zur großen alten Weise der Nation zuruͤckkehrte, bald sich der Begeisterung des Hasses uͤberließ. Durch die Satire erscheint in neuem Glanz, was noch von der Urbanitaͤt der ewigen Roma im Catullus lebt, im Martialis, oder sonst einzeln und zerstreut. Die Satire giebt uns einen roͤmischen Standpunkt fuͤr die Produkte des roͤmischen Geistes. Nachdem die Kraft der Poesie so schnell erloschen als zuvor gewachsen war, nahm der Geist der Menschen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0083" n="75"/> versuchte denselben Fruͤhling des Geistes in Frankreich zu erzwingen, auch die Englaͤnder kamen uͤberein, den Geschmack unter der Koͤnigin Anna fuͤr den besten zu halten, und keine Nation wollte fernerhin ohne ihr goldnes Zeitalter bleiben; jedes folgende war leerer und schlechter noch als das vorhergehende, und was sich die Deutschen zuletzt als golden eingebildet haben, verbietet die Wuͤrde dieser Darstellung naͤher zu bezeichnen.</p><lb/> <p>Jch kehre zuruͤck zu den Roͤmern. Sie hatten, wie gesagt, nur einen Anfall von Poesie, die ihnen eigentlich stets widernatuͤrlich blieb. Einheimisch war bey ihnen nur die Poesie der Urbanitaͤt, und mit der einzigen Satire haben sie das Gebiet der Kunst bereichert. Es nahm dieselbe unter jedem Meister eine neue Gestalt an, indem sich der große alte Styl der roͤmischen Geselligkeit und des roͤmischen Witzes bald die classische Kuͤhnheit des Archilochos und der alten Komoͤdie aneignete, bald aus der sorglosen Leichtigkeit eines Jmprovisatore zur saubersten Eleganz eines correcten Hellenen bildete, bald mit Stoischem Sinn und im gediegensten Styl zur großen alten Weise der Nation zuruͤckkehrte, bald sich der Begeisterung des Hasses uͤberließ. Durch die Satire erscheint in neuem Glanz, was noch von der Urbanitaͤt der ewigen Roma im Catullus lebt, im Martialis, oder sonst einzeln und zerstreut. Die Satire giebt uns einen roͤmischen Standpunkt fuͤr die Produkte des roͤmischen Geistes.</p><lb/> <p>Nachdem die Kraft der Poesie so schnell erloschen als zuvor gewachsen war, nahm der Geist der Menschen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0083]
versuchte denselben Fruͤhling des Geistes in Frankreich zu erzwingen, auch die Englaͤnder kamen uͤberein, den Geschmack unter der Koͤnigin Anna fuͤr den besten zu halten, und keine Nation wollte fernerhin ohne ihr goldnes Zeitalter bleiben; jedes folgende war leerer und schlechter noch als das vorhergehende, und was sich die Deutschen zuletzt als golden eingebildet haben, verbietet die Wuͤrde dieser Darstellung naͤher zu bezeichnen.
Jch kehre zuruͤck zu den Roͤmern. Sie hatten, wie gesagt, nur einen Anfall von Poesie, die ihnen eigentlich stets widernatuͤrlich blieb. Einheimisch war bey ihnen nur die Poesie der Urbanitaͤt, und mit der einzigen Satire haben sie das Gebiet der Kunst bereichert. Es nahm dieselbe unter jedem Meister eine neue Gestalt an, indem sich der große alte Styl der roͤmischen Geselligkeit und des roͤmischen Witzes bald die classische Kuͤhnheit des Archilochos und der alten Komoͤdie aneignete, bald aus der sorglosen Leichtigkeit eines Jmprovisatore zur saubersten Eleganz eines correcten Hellenen bildete, bald mit Stoischem Sinn und im gediegensten Styl zur großen alten Weise der Nation zuruͤckkehrte, bald sich der Begeisterung des Hasses uͤberließ. Durch die Satire erscheint in neuem Glanz, was noch von der Urbanitaͤt der ewigen Roma im Catullus lebt, im Martialis, oder sonst einzeln und zerstreut. Die Satire giebt uns einen roͤmischen Standpunkt fuͤr die Produkte des roͤmischen Geistes.
Nachdem die Kraft der Poesie so schnell erloschen als zuvor gewachsen war, nahm der Geist der Menschen
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