Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

erschütternde Strahl rührt mit neuer Gewalt deinen klopfenden Busen.

Aber schaue vom linken Ufer des Stroms in der Nähe seines Sturmes, und wage den Schritt auf die bebende Brücke. Du zitterst nicht. Du hältst des Stromes Gewalt in deinem höheren Muthe und könntest hinabstürzen in die Fluth, und noch sterbend rufen, ich lebe!

Furcht und Schrecken sind nicht das Schöne und Große. Vertraue dem Auge die Wahrheit, und siehe, wie die Kraft, die vom Felsen sich stürzet, schön und leicht wieder daherwogt im Hauche der Lüfte. Jn deinem Gefühle begreife sie, und du siehst mit hohem Wohlgefallen das schöne erhabene Schauspiel, und freust dich der Rührung im freien Anschauen der Natur.

Dein ist das Gefühl, und die Größe des Eindrucks jeder Erscheinung ist daher Kraft der Bewegung deiner eignen anschauenden Thätigkeit. Darum findest du für ihre Größe kein andres Maaß, als eben dein eigenes Gefühl, und die Wahrheit alles Schönen und Erhabenen in der Natur ist daher Wahrheit deines Wesens, und eine sichtbare Beziehung deines ganzen schönen Daseyns unter dir gleichen freien Geistern.

Führe den Blick fort durch die ewige Verknüpfung. Die Natur endet nirgends, und was du siehst in jeder Erscheinung ist nur Strahl ihrer Unendlichkeit. So sollst du sie begreifen. Dann spricht nichts Leeres und Todtes an deinen Sinn, sondern Er belebt es, sein freies Eigenthum, und du trennest nicht

erschuͤtternde Strahl ruͤhrt mit neuer Gewalt deinen klopfenden Busen.

Aber schaue vom linken Ufer des Stroms in der Naͤhe seines Sturmes, und wage den Schritt auf die bebende Bruͤcke. Du zitterst nicht. Du haͤltst des Stromes Gewalt in deinem hoͤheren Muthe und koͤnntest hinabstuͤrzen in die Fluth, und noch sterbend rufen, ich lebe!

Furcht und Schrecken sind nicht das Schoͤne und Große. Vertraue dem Auge die Wahrheit, und siehe, wie die Kraft, die vom Felsen sich stuͤrzet, schoͤn und leicht wieder daherwogt im Hauche der Luͤfte. Jn deinem Gefuͤhle begreife sie, und du siehst mit hohem Wohlgefallen das schoͤne erhabene Schauspiel, und freust dich der Ruͤhrung im freien Anschauen der Natur.

Dein ist das Gefuͤhl, und die Groͤße des Eindrucks jeder Erscheinung ist daher Kraft der Bewegung deiner eignen anschauenden Thaͤtigkeit. Darum findest du fuͤr ihre Groͤße kein andres Maaß, als eben dein eigenes Gefuͤhl, und die Wahrheit alles Schoͤnen und Erhabenen in der Natur ist daher Wahrheit deines Wesens, und eine sichtbare Beziehung deines ganzen schoͤnen Daseyns unter dir gleichen freien Geistern.

Fuͤhre den Blick fort durch die ewige Verknuͤpfung. Die Natur endet nirgends, und was du siehst in jeder Erscheinung ist nur Strahl ihrer Unendlichkeit. So sollst du sie begreifen. Dann spricht nichts Leeres und Todtes an deinen Sinn, sondern Er belebt es, sein freies Eigenthum, und du trennest nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0054" n="46"/>
erschu&#x0364;tternde Strahl ru&#x0364;hrt mit neuer Gewalt deinen klopfenden Busen.</p><lb/>
            <p>Aber schaue vom linken Ufer des Stroms in der Na&#x0364;he seines Sturmes, und wage den Schritt auf die bebende Bru&#x0364;cke. Du zitterst nicht. Du ha&#x0364;ltst des Stromes Gewalt in deinem ho&#x0364;heren Muthe und ko&#x0364;nntest hinabstu&#x0364;rzen in die Fluth, und noch sterbend rufen, ich lebe!</p><lb/>
            <p>Furcht und Schrecken sind nicht das Scho&#x0364;ne und Große. Vertraue dem Auge die Wahrheit, und siehe, wie die Kraft, die vom Felsen sich stu&#x0364;rzet, scho&#x0364;n und leicht wieder daherwogt im Hauche der Lu&#x0364;fte. Jn deinem Gefu&#x0364;hle begreife sie, und du siehst mit hohem Wohlgefallen das scho&#x0364;ne erhabene Schauspiel, und freust dich der Ru&#x0364;hrung im freien Anschauen der Natur.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Dein</hi> ist das Gefu&#x0364;hl, und die Gro&#x0364;ße des Eindrucks jeder Erscheinung ist daher Kraft der Bewegung deiner eignen anschauenden Tha&#x0364;tigkeit. Darum findest du fu&#x0364;r ihre Gro&#x0364;ße kein andres Maaß, als eben dein eigenes Gefu&#x0364;hl, und die Wahrheit alles Scho&#x0364;nen und Erhabenen in der Natur ist daher Wahrheit deines Wesens, und eine sichtbare Beziehung deines ganzen scho&#x0364;nen Daseyns unter dir gleichen freien Geistern.</p><lb/>
            <p>Fu&#x0364;hre den Blick fort durch die ewige Verknu&#x0364;pfung. Die Natur endet nirgends, und was du siehst in jeder Erscheinung ist nur Strahl ihrer Unendlichkeit. So sollst du sie begreifen. Dann spricht nichts Leeres und Todtes an deinen Sinn, sondern Er belebt es, sein freies Eigenthum, und du trennest nicht
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0054] erschuͤtternde Strahl ruͤhrt mit neuer Gewalt deinen klopfenden Busen. Aber schaue vom linken Ufer des Stroms in der Naͤhe seines Sturmes, und wage den Schritt auf die bebende Bruͤcke. Du zitterst nicht. Du haͤltst des Stromes Gewalt in deinem hoͤheren Muthe und koͤnntest hinabstuͤrzen in die Fluth, und noch sterbend rufen, ich lebe! Furcht und Schrecken sind nicht das Schoͤne und Große. Vertraue dem Auge die Wahrheit, und siehe, wie die Kraft, die vom Felsen sich stuͤrzet, schoͤn und leicht wieder daherwogt im Hauche der Luͤfte. Jn deinem Gefuͤhle begreife sie, und du siehst mit hohem Wohlgefallen das schoͤne erhabene Schauspiel, und freust dich der Ruͤhrung im freien Anschauen der Natur. Dein ist das Gefuͤhl, und die Groͤße des Eindrucks jeder Erscheinung ist daher Kraft der Bewegung deiner eignen anschauenden Thaͤtigkeit. Darum findest du fuͤr ihre Groͤße kein andres Maaß, als eben dein eigenes Gefuͤhl, und die Wahrheit alles Schoͤnen und Erhabenen in der Natur ist daher Wahrheit deines Wesens, und eine sichtbare Beziehung deines ganzen schoͤnen Daseyns unter dir gleichen freien Geistern. Fuͤhre den Blick fort durch die ewige Verknuͤpfung. Die Natur endet nirgends, und was du siehst in jeder Erscheinung ist nur Strahl ihrer Unendlichkeit. So sollst du sie begreifen. Dann spricht nichts Leeres und Todtes an deinen Sinn, sondern Er belebt es, sein freies Eigenthum, und du trennest nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/54
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/54>, abgerufen am 09.11.2024.