Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.durfte von Rechtswegen nicht misverstanden werden; und doch ist es so sehr geschehen, daß ein bekannter Jakobiner, der Magister Dyk in Leipzig, sogar demokratische Gesinnungen darin hat finden wollen. Etwas andres freylich ist noch in dem Fragment, welches allerdings misverstanden werden konnte. Es liegt in dem Wort Tendenzen, und da fängt nun auch schon die Jronie an. Es kann dieses nemlich so verstanden werden, als hielte ich die Wissenschaftslehre zum Beyspiel auch nur für eine Tendenz, für einen vorläufigen Versuch wie Kants Kritik der reinen Vernunft, den ich selbst etwa besser auszuführen und endlich zn beendigen gesonnen sey, oder als wollte ich, um es in der Kunstsprache, welche für diese Vorstellungsart die gewöhnliche und auch die schicklichste ist, zu sagen, mich auf Fichte's Schultern stellen, wie dieser auf Reinholds Schultern, Reinhold auf Kants Schultern, dieser auf Leibnizens Schultern steht, und so ins unendliche fort bis zur ursprünglichen Schulter. -- Jch wußte das recht gut, aber ich dachte, ich wollte es doch einmal versuchen, ob mir wohl jemand einen solchen schlechten Gedanken andichten werde. Niemand scheint es bemerkt zu haben. Warum soll ich Misverständnisse darbieten, wenn niemand sie ergreifen will? Jch lasse demnach die Jronie fahren und erkläre gerade heraus, das Wort bedeute in dem Dialekt der Fragmente, alles sey nur noch Tendenz, das Zeitalter sey das Zeitalter der Tendenzen. Ob ich nun der Meynung sey, alle diese Tendenzen würden durch mich selbst in Richtigkeit und durfte von Rechtswegen nicht misverstanden werden; und doch ist es so sehr geschehen, daß ein bekannter Jakobiner, der Magister Dyk in Leipzig, sogar demokratische Gesinnungen darin hat finden wollen. Etwas andres freylich ist noch in dem Fragment, welches allerdings misverstanden werden konnte. Es liegt in dem Wort Tendenzen, und da faͤngt nun auch schon die Jronie an. Es kann dieses nemlich so verstanden werden, als hielte ich die Wissenschaftslehre zum Beyspiel auch nur fuͤr eine Tendenz, fuͤr einen vorlaͤufigen Versuch wie Kants Kritik der reinen Vernunft, den ich selbst etwa besser auszufuͤhren und endlich zn beendigen gesonnen sey, oder als wollte ich, um es in der Kunstsprache, welche fuͤr diese Vorstellungsart die gewoͤhnliche und auch die schicklichste ist, zu sagen, mich auf Fichte's Schultern stellen, wie dieser auf Reinholds Schultern, Reinhold auf Kants Schultern, dieser auf Leibnizens Schultern steht, und so ins unendliche fort bis zur urspruͤnglichen Schulter. — Jch wußte das recht gut, aber ich dachte, ich wollte es doch einmal versuchen, ob mir wohl jemand einen solchen schlechten Gedanken andichten werde. Niemand scheint es bemerkt zu haben. Warum soll ich Misverstaͤndnisse darbieten, wenn niemand sie ergreifen will? Jch lasse demnach die Jronie fahren und erklaͤre gerade heraus, das Wort bedeute in dem Dialekt der Fragmente, alles sey nur noch Tendenz, das Zeitalter sey das Zeitalter der Tendenzen. Ob ich nun der Meynung sey, alle diese Tendenzen wuͤrden durch mich selbst in Richtigkeit und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0356" n="344"/> durfte von Rechtswegen nicht misverstanden werden; und doch ist es so sehr geschehen, daß ein bekannter Jakobiner, der Magister Dyk in Leipzig, sogar demokratische Gesinnungen darin hat finden wollen.</p><lb/> <p>Etwas andres freylich ist noch in dem Fragment, welches allerdings misverstanden werden konnte. Es liegt in dem Wort <hi rendition="#g">Tendenzen</hi>, und da faͤngt nun auch schon die Jronie an. Es kann dieses nemlich so verstanden werden, als hielte ich die Wissenschaftslehre zum Beyspiel auch nur fuͤr eine Tendenz, fuͤr einen vorlaͤufigen Versuch wie Kants Kritik der reinen Vernunft, den ich selbst etwa besser auszufuͤhren und endlich zn beendigen gesonnen sey, oder als wollte ich, um es in der Kunstsprache, welche fuͤr diese Vorstellungsart die gewoͤhnliche und auch die schicklichste ist, zu sagen, mich auf Fichte's Schultern stellen, wie dieser auf Reinholds Schultern, Reinhold auf Kants Schultern, dieser auf Leibnizens Schultern steht, und so ins unendliche fort bis zur urspruͤnglichen Schulter. — Jch wußte das recht gut, aber ich dachte, ich wollte es doch einmal versuchen, ob mir wohl jemand einen solchen schlechten Gedanken andichten werde. Niemand scheint es bemerkt zu haben. Warum soll ich Misverstaͤndnisse darbieten, wenn niemand sie ergreifen will? Jch lasse demnach die Jronie fahren und erklaͤre gerade heraus, das Wort bedeute in dem Dialekt der Fragmente, alles sey nur noch Tendenz, das Zeitalter sey das Zeitalter der Tendenzen. Ob ich nun der Meynung sey, alle diese Tendenzen wuͤrden durch mich selbst in Richtigkeit und </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [344/0356]
durfte von Rechtswegen nicht misverstanden werden; und doch ist es so sehr geschehen, daß ein bekannter Jakobiner, der Magister Dyk in Leipzig, sogar demokratische Gesinnungen darin hat finden wollen.
Etwas andres freylich ist noch in dem Fragment, welches allerdings misverstanden werden konnte. Es liegt in dem Wort Tendenzen, und da faͤngt nun auch schon die Jronie an. Es kann dieses nemlich so verstanden werden, als hielte ich die Wissenschaftslehre zum Beyspiel auch nur fuͤr eine Tendenz, fuͤr einen vorlaͤufigen Versuch wie Kants Kritik der reinen Vernunft, den ich selbst etwa besser auszufuͤhren und endlich zn beendigen gesonnen sey, oder als wollte ich, um es in der Kunstsprache, welche fuͤr diese Vorstellungsart die gewoͤhnliche und auch die schicklichste ist, zu sagen, mich auf Fichte's Schultern stellen, wie dieser auf Reinholds Schultern, Reinhold auf Kants Schultern, dieser auf Leibnizens Schultern steht, und so ins unendliche fort bis zur urspruͤnglichen Schulter. — Jch wußte das recht gut, aber ich dachte, ich wollte es doch einmal versuchen, ob mir wohl jemand einen solchen schlechten Gedanken andichten werde. Niemand scheint es bemerkt zu haben. Warum soll ich Misverstaͤndnisse darbieten, wenn niemand sie ergreifen will? Jch lasse demnach die Jronie fahren und erklaͤre gerade heraus, das Wort bedeute in dem Dialekt der Fragmente, alles sey nur noch Tendenz, das Zeitalter sey das Zeitalter der Tendenzen. Ob ich nun der Meynung sey, alle diese Tendenzen wuͤrden durch mich selbst in Richtigkeit und
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/356>, abgerufen am 16.02.2025. |