Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Verbindet die Extreme, so habt ihr die wahre Mitte. Als schönste Blüthe der besondern Organisazion ist Poesie sehr lokal; die Philosophie verschiedner Planeten mag nicht so sehr verschieden seyn. Moralität ohne Sinn für Paradoxie ist gemein. Ehre ist die Mystik der Rechtlichkeit. Alles Denken des religiösen Menschen ist etymologisch, ein Zurückführen aller Begriffe auf die ursprüngliche Anschauung, auf das Eigenthümliche. Es giebt nur Einen Sinn, und in dem Einen liegen alle; der geistigste ist der ursprüngliche, die andern sind abgeleitet. Hier sind wir einig, weil wir eines Sinns sind; hier aber nicht, weil es mir oder dir an Sinn fehlt. Wer hat Recht, und wie können wir eins werden? Nur durch die Bildung, die jeden besondern Sinn zu dem allgemeinen unendlichen erweitert; und durch den Glauben an diesen Sinn, oder an die Religion sind wir es schon jetzt, noch ehe wir es werden. Jede Beziehung des Menschen aufs Unendliche ist Religion, nämlich des Menschen in der ganzen Fülle seiner Menschheit. Wenn der Mathematiker Verbindet die Extreme, so habt ihr die wahre Mitte. Als schoͤnste Bluͤthe der besondern Organisazion ist Poesie sehr lokal; die Philosophie verschiedner Planeten mag nicht so sehr verschieden seyn. Moralitaͤt ohne Sinn fuͤr Paradoxie ist gemein. Ehre ist die Mystik der Rechtlichkeit. Alles Denken des religioͤsen Menschen ist etymologisch, ein Zuruͤckfuͤhren aller Begriffe auf die urspruͤngliche Anschauung, auf das Eigenthuͤmliche. Es giebt nur Einen Sinn, und in dem Einen liegen alle; der geistigste ist der urspruͤngliche, die andern sind abgeleitet. Hier sind wir einig, weil wir eines Sinns sind; hier aber nicht, weil es mir oder dir an Sinn fehlt. Wer hat Recht, und wie koͤnnen wir eins werden? Nur durch die Bildung, die jeden besondern Sinn zu dem allgemeinen unendlichen erweitert; und durch den Glauben an diesen Sinn, oder an die Religion sind wir es schon jetzt, noch ehe wir es werden. Jede Beziehung des Menschen aufs Unendliche ist Religion, naͤmlich des Menschen in der ganzen Fuͤlle seiner Menschheit. Wenn der Mathematiker <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0025" n="17"/> <p>Verbindet die Extreme, so habt ihr die wahre Mitte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Als schoͤnste Bluͤthe der besondern Organisazion ist Poesie sehr lokal; die Philosophie verschiedner Planeten mag nicht so sehr verschieden seyn.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Moralitaͤt ohne Sinn fuͤr Paradoxie ist gemein.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ehre ist die Mystik der Rechtlichkeit.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Alles Denken des religioͤsen Menschen ist etymologisch, ein Zuruͤckfuͤhren aller Begriffe auf die urspruͤngliche Anschauung, auf das Eigenthuͤmliche.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Es giebt nur Einen Sinn, und in dem Einen liegen alle; der geistigste ist der urspruͤngliche, die andern sind abgeleitet.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Hier sind wir einig, weil wir eines Sinns sind; hier aber nicht, weil es mir oder dir an Sinn fehlt. Wer hat Recht, und wie koͤnnen wir eins werden? Nur durch die Bildung, die jeden besondern Sinn zu dem allgemeinen unendlichen erweitert; und durch den Glauben an diesen Sinn, oder an die Religion sind wir es schon jetzt, noch ehe wir es werden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Jede Beziehung des Menschen aufs Unendliche ist Religion, naͤmlich des Menschen in der ganzen Fuͤlle seiner Menschheit. Wenn der Mathematiker </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [17/0025]
Verbindet die Extreme, so habt ihr die wahre Mitte.
Als schoͤnste Bluͤthe der besondern Organisazion ist Poesie sehr lokal; die Philosophie verschiedner Planeten mag nicht so sehr verschieden seyn.
Moralitaͤt ohne Sinn fuͤr Paradoxie ist gemein.
Ehre ist die Mystik der Rechtlichkeit.
Alles Denken des religioͤsen Menschen ist etymologisch, ein Zuruͤckfuͤhren aller Begriffe auf die urspruͤngliche Anschauung, auf das Eigenthuͤmliche.
Es giebt nur Einen Sinn, und in dem Einen liegen alle; der geistigste ist der urspruͤngliche, die andern sind abgeleitet.
Hier sind wir einig, weil wir eines Sinns sind; hier aber nicht, weil es mir oder dir an Sinn fehlt. Wer hat Recht, und wie koͤnnen wir eins werden? Nur durch die Bildung, die jeden besondern Sinn zu dem allgemeinen unendlichen erweitert; und durch den Glauben an diesen Sinn, oder an die Religion sind wir es schon jetzt, noch ehe wir es werden.
Jede Beziehung des Menschen aufs Unendliche ist Religion, naͤmlich des Menschen in der ganzen Fuͤlle seiner Menschheit. Wenn der Mathematiker
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/25>, abgerufen am 27.07.2024. |