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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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sich Geld oder Ehre oder irgend etwas anderes sey das Gut, das sie sich wünschen.

Wollte der Mensch nicht der Zeit voran eilen, wäre er mit dem Worte Liebe nicht bekannt, so würde einen jeden die Empfindung rühren und keine einzige Stelle keines einzigen Dichters würde auf seine Empfindung anwendbar seyn; denn es würde für jeden eine eigene Liebe entstehen, und es würde vielleicht jeder als ein eigener Dichter auftreten. Das Beispiel der bisherigen Dichter rechtfertigt mich. Jst nicht jedes Liebe so verschieden, daß auch nicht eine Strophe von dem Liede des einen in das des andern hineingetragen werden könnte. Von den Dichtern, die Liebe, Wein und Braten besingen, ist nicht die Rede; ihnen schmeckt keins auf die wahre, das heißt auf die ihnen natürliche Art, und darum sprechen sie so schlecht von allen.

So wie keine Blume ohne Farbe gedacht werden kann, so ist kein Mensch ohne Poesie und sie mangelt nur denen, die sie durch die Poesie verbreiten, oder vielmehr sie mangelt ihnen doch nicht, sondern es ist nur, als wenn man den Blumen die Farbe durch Scheidewasser auszieht. Sehr viele Blumen stehn nun geruchlos und in unscheinbaren Farben da, und dies ist die grössere Anzahl unter den Menschen, möchte ich sie diejenigen nennen, die ihre innere Poesie nicht mittheilen können; allen ist es nicht gegeben, durch einen süssen Duft die vorübergehenden zu erfreuen.

Ein wahrer Dichter muß mich jedes Wesen, das

sich Geld oder Ehre oder irgend etwas anderes sey das Gut, das sie sich wuͤnschen.

Wollte der Mensch nicht der Zeit voran eilen, waͤre er mit dem Worte Liebe nicht bekannt, so wuͤrde einen jeden die Empfindung ruͤhren und keine einzige Stelle keines einzigen Dichters wuͤrde auf seine Empfindung anwendbar seyn; denn es wuͤrde fuͤr jeden eine eigene Liebe entstehen, und es wuͤrde vielleicht jeder als ein eigener Dichter auftreten. Das Beispiel der bisherigen Dichter rechtfertigt mich. Jst nicht jedes Liebe so verschieden, daß auch nicht eine Strophe von dem Liede des einen in das des andern hineingetragen werden koͤnnte. Von den Dichtern, die Liebe, Wein und Braten besingen, ist nicht die Rede; ihnen schmeckt keins auf die wahre, das heißt auf die ihnen natuͤrliche Art, und darum sprechen sie so schlecht von allen.

So wie keine Blume ohne Farbe gedacht werden kann, so ist kein Mensch ohne Poesie und sie mangelt nur denen, die sie durch die Poesie verbreiten, oder vielmehr sie mangelt ihnen doch nicht, sondern es ist nur, als wenn man den Blumen die Farbe durch Scheidewasser auszieht. Sehr viele Blumen stehn nun geruchlos und in unscheinbaren Farben da, und dies ist die groͤssere Anzahl unter den Menschen, moͤchte ich sie diejenigen nennen, die ihre innere Poesie nicht mittheilen koͤnnen; allen ist es nicht gegeben, durch einen suͤssen Duft die voruͤbergehenden zu erfreuen.

Ein wahrer Dichter muß mich jedes Wesen, das

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[207/0219] sich Geld oder Ehre oder irgend etwas anderes sey das Gut, das sie sich wuͤnschen. Wollte der Mensch nicht der Zeit voran eilen, waͤre er mit dem Worte Liebe nicht bekannt, so wuͤrde einen jeden die Empfindung ruͤhren und keine einzige Stelle keines einzigen Dichters wuͤrde auf seine Empfindung anwendbar seyn; denn es wuͤrde fuͤr jeden eine eigene Liebe entstehen, und es wuͤrde vielleicht jeder als ein eigener Dichter auftreten. Das Beispiel der bisherigen Dichter rechtfertigt mich. Jst nicht jedes Liebe so verschieden, daß auch nicht eine Strophe von dem Liede des einen in das des andern hineingetragen werden koͤnnte. Von den Dichtern, die Liebe, Wein und Braten besingen, ist nicht die Rede; ihnen schmeckt keins auf die wahre, das heißt auf die ihnen natuͤrliche Art, und darum sprechen sie so schlecht von allen. So wie keine Blume ohne Farbe gedacht werden kann, so ist kein Mensch ohne Poesie und sie mangelt nur denen, die sie durch die Poesie verbreiten, oder vielmehr sie mangelt ihnen doch nicht, sondern es ist nur, als wenn man den Blumen die Farbe durch Scheidewasser auszieht. Sehr viele Blumen stehn nun geruchlos und in unscheinbaren Farben da, und dies ist die groͤssere Anzahl unter den Menschen, moͤchte ich sie diejenigen nennen, die ihre innere Poesie nicht mittheilen koͤnnen; allen ist es nicht gegeben, durch einen suͤssen Duft die voruͤbergehenden zu erfreuen. Ein wahrer Dichter muß mich jedes Wesen, das

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/219>, abgerufen am 22.11.2024.