Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.diese kritische Epistel über den Gegenstand des gestrigen Gesprächs zu lesen. Jch hätte es gleich gestern sagen können, was ich sagen will; oder vielmehr ich konnte es nicht, meiner Stimmung und der Umstände wegen. Mit welchem Gegner hatten Sie zu thun, Amalia? -- Freylich versteht er das, wovon die Rede war, recht sehr wohl und wie sichs für einen tüchtigen Virtuosen nicht anders gebührt. Er würde also darüber sprechen können so gut wie irgend einer, wenn er nur überhaupt sprechen könnte. Dieses haben ihm die Götter versagt; er ist, wie ich schon sagte, ein Virtuose und damit gut; die Grazien sind leider ausgeblieben. Da er nun so gar nicht ahnden konnte, was Sie im innersten Sinne meynten, und das äußerliche Recht so ganz auf seiner Seite war, so hatte ich nichts angelegeners, als mit ganzer Stärke für Sie zu streiten, damit nur das gesellige Gleichgewicht nicht völlig zerstört würde. Und überdem ists mir natürlicher, wenn es ja seyn muß, schriftliche Belehrungen zu geben als mündliche, die nach meinem Gefühl die Heiligkeit des Gesprächs entweihen. Das unsrige fing damit an, daß Sie behaupteten, Friedrich Richters Romane seyen keine Romane, sondern ein buntes Allerley von kränklichem Witz. Die wenige Geschichte sey zu schlecht dargestellt um für Geschichte zu gelten, man müsse sie nur errathen. Wenn man aber auch alle zusammennehmen und sie rein erzählen wolle, würde das doch höchstens Bekenntnisse diese kritische Epistel uͤber den Gegenstand des gestrigen Gespraͤchs zu lesen. Jch haͤtte es gleich gestern sagen koͤnnen, was ich sagen will; oder vielmehr ich konnte es nicht, meiner Stimmung und der Umstaͤnde wegen. Mit welchem Gegner hatten Sie zu thun, Amalia? — Freylich versteht er das, wovon die Rede war, recht sehr wohl und wie sichs fuͤr einen tuͤchtigen Virtuosen nicht anders gebuͤhrt. Er wuͤrde also daruͤber sprechen koͤnnen so gut wie irgend einer, wenn er nur uͤberhaupt sprechen koͤnnte. Dieses haben ihm die Goͤtter versagt; er ist, wie ich schon sagte, ein Virtuose und damit gut; die Grazien sind leider ausgeblieben. Da er nun so gar nicht ahnden konnte, was Sie im innersten Sinne meynten, und das aͤußerliche Recht so ganz auf seiner Seite war, so hatte ich nichts angelegeners, als mit ganzer Staͤrke fuͤr Sie zu streiten, damit nur das gesellige Gleichgewicht nicht voͤllig zerstoͤrt wuͤrde. Und uͤberdem ists mir natuͤrlicher, wenn es ja seyn muß, schriftliche Belehrungen zu geben als muͤndliche, die nach meinem Gefuͤhl die Heiligkeit des Gespraͤchs entweihen. Das unsrige fing damit an, daß Sie behaupteten, Friedrich Richters Romane seyen keine Romane, sondern ein buntes Allerley von kraͤnklichem Witz. Die wenige Geschichte sey zu schlecht dargestellt um fuͤr Geschichte zu gelten, man muͤsse sie nur errathen. Wenn man aber auch alle zusammennehmen und sie rein erzaͤhlen wolle, wuͤrde das doch hoͤchstens Bekenntnisse <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0121" n="113"/> diese kritische Epistel uͤber den Gegenstand des gestrigen Gespraͤchs zu lesen.</p><lb/> <p>Jch haͤtte es gleich gestern sagen koͤnnen, was ich sagen will; oder vielmehr ich konnte es nicht, meiner Stimmung und der Umstaͤnde wegen. Mit welchem Gegner hatten Sie zu thun, Amalia? — Freylich versteht er das, wovon die Rede war, recht sehr wohl und wie sichs fuͤr einen tuͤchtigen Virtuosen nicht anders gebuͤhrt. Er wuͤrde also daruͤber sprechen koͤnnen so gut wie irgend einer, wenn er nur uͤberhaupt sprechen koͤnnte. Dieses haben ihm die Goͤtter versagt; er ist, wie ich schon sagte, ein Virtuose und damit gut; die Grazien sind leider ausgeblieben. Da er nun so gar nicht ahnden konnte, was Sie im innersten Sinne meynten, und das aͤußerliche Recht so ganz auf seiner Seite war, so hatte ich nichts angelegeners, als mit ganzer Staͤrke fuͤr Sie zu streiten, damit nur das gesellige Gleichgewicht nicht voͤllig zerstoͤrt wuͤrde. Und uͤberdem ists mir natuͤrlicher, wenn es ja seyn muß, schriftliche Belehrungen zu geben als muͤndliche, die nach meinem Gefuͤhl die Heiligkeit des Gespraͤchs entweihen.</p><lb/> <p>Das unsrige fing damit an, daß Sie behaupteten, Friedrich Richters Romane seyen keine Romane, sondern ein buntes Allerley von kraͤnklichem Witz. Die wenige Geschichte sey zu schlecht dargestellt um fuͤr Geschichte zu gelten, man muͤsse sie nur errathen. Wenn man aber auch alle zusammennehmen und sie rein erzaͤhlen wolle, wuͤrde das doch hoͤchstens Bekenntnisse </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [113/0121]
diese kritische Epistel uͤber den Gegenstand des gestrigen Gespraͤchs zu lesen.
Jch haͤtte es gleich gestern sagen koͤnnen, was ich sagen will; oder vielmehr ich konnte es nicht, meiner Stimmung und der Umstaͤnde wegen. Mit welchem Gegner hatten Sie zu thun, Amalia? — Freylich versteht er das, wovon die Rede war, recht sehr wohl und wie sichs fuͤr einen tuͤchtigen Virtuosen nicht anders gebuͤhrt. Er wuͤrde also daruͤber sprechen koͤnnen so gut wie irgend einer, wenn er nur uͤberhaupt sprechen koͤnnte. Dieses haben ihm die Goͤtter versagt; er ist, wie ich schon sagte, ein Virtuose und damit gut; die Grazien sind leider ausgeblieben. Da er nun so gar nicht ahnden konnte, was Sie im innersten Sinne meynten, und das aͤußerliche Recht so ganz auf seiner Seite war, so hatte ich nichts angelegeners, als mit ganzer Staͤrke fuͤr Sie zu streiten, damit nur das gesellige Gleichgewicht nicht voͤllig zerstoͤrt wuͤrde. Und uͤberdem ists mir natuͤrlicher, wenn es ja seyn muß, schriftliche Belehrungen zu geben als muͤndliche, die nach meinem Gefuͤhl die Heiligkeit des Gespraͤchs entweihen.
Das unsrige fing damit an, daß Sie behaupteten, Friedrich Richters Romane seyen keine Romane, sondern ein buntes Allerley von kraͤnklichem Witz. Die wenige Geschichte sey zu schlecht dargestellt um fuͤr Geschichte zu gelten, man muͤsse sie nur errathen. Wenn man aber auch alle zusammennehmen und sie rein erzaͤhlen wolle, wuͤrde das doch hoͤchstens Bekenntnisse
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |