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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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anfangs beynahe schlicht, nachher in dünnen Wellen über die Schultern herab. Jhre Kleidung ist ein dunkelgrüner Mantel, wovon wenig zu sehen, über einem noch dunkleren grünen Gewand, das fast wie schwarz aussieht, und von einem vorn geknüpften rothen Bande umgürtet wird. An den Armen, vom Ellbogen an, kommt ein Unterkleid von Goldstoff zum Vorschein. Sie hält das Kind hinter den still übereinander gelegten wunderschönen Händen, an denen die Finger unbeschreiblich zart auslaufen, und die Grübchen die feinste ja seelenvollste Bewegung ausdrücken. Die rechte sieht man ganz ausgestreckt bis auf den Daumen, von der linken unterwärts einige Finger, und dahinter die Beine des Kindes; das dreyfache Fleisch ist durch die Abstufung der Schatten vortrefflich gesondert. Jch halte diese Maria nicht für ein Porträt, sondern aus der Jdee gemahlt. Sie ist aber keine Jtaliänische Madonna, sondern eine deutsche liebe Frau, zu der solche Frauen wie die neben ihr knieenden mit Zuversicht beten können. Jn dem Jesus ist nichts hohes, auch nichts fröhliches, aber eine rührende Kindlichkeit. Er lehnt sein Köpfchen auf der einen Hand an den Hals der Mutter, als suchte er, fast überdrüssig, seine liebste Zuflucht auf; die andre ist wie zum Segnen ausgestreckt, und erscheint daher verkürzt, der ganze Körper aber nach Verhältniß der übrigen Figuren, die alle unter Lebensgröße sind, sehr klein.

Der bewundernswürdige Fleiß in den Beywerken ist nicht zerstreuend: die viereckigen Zierrathen des

anfangs beynahe schlicht, nachher in duͤnnen Wellen uͤber die Schultern herab. Jhre Kleidung ist ein dunkelgruͤner Mantel, wovon wenig zu sehen, uͤber einem noch dunkleren gruͤnen Gewand, das fast wie schwarz aussieht, und von einem vorn geknuͤpften rothen Bande umguͤrtet wird. An den Armen, vom Ellbogen an, kommt ein Unterkleid von Goldstoff zum Vorschein. Sie haͤlt das Kind hinter den still uͤbereinander gelegten wunderschoͤnen Haͤnden, an denen die Finger unbeschreiblich zart auslaufen, und die Gruͤbchen die feinste ja seelenvollste Bewegung ausdruͤcken. Die rechte sieht man ganz ausgestreckt bis auf den Daumen, von der linken unterwaͤrts einige Finger, und dahinter die Beine des Kindes; das dreyfache Fleisch ist durch die Abstufung der Schatten vortrefflich gesondert. Jch halte diese Maria nicht fuͤr ein Portraͤt, sondern aus der Jdee gemahlt. Sie ist aber keine Jtaliaͤnische Madonna, sondern eine deutsche liebe Frau, zu der solche Frauen wie die neben ihr knieenden mit Zuversicht beten koͤnnen. Jn dem Jesus ist nichts hohes, auch nichts froͤhliches, aber eine ruͤhrende Kindlichkeit. Er lehnt sein Koͤpfchen auf der einen Hand an den Hals der Mutter, als suchte er, fast uͤberdruͤssig, seine liebste Zuflucht auf; die andre ist wie zum Segnen ausgestreckt, und erscheint daher verkuͤrzt, der ganze Koͤrper aber nach Verhaͤltniß der uͤbrigen Figuren, die alle unter Lebensgroͤße sind, sehr klein.

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[74/0082] anfangs beynahe schlicht, nachher in duͤnnen Wellen uͤber die Schultern herab. Jhre Kleidung ist ein dunkelgruͤner Mantel, wovon wenig zu sehen, uͤber einem noch dunkleren gruͤnen Gewand, das fast wie schwarz aussieht, und von einem vorn geknuͤpften rothen Bande umguͤrtet wird. An den Armen, vom Ellbogen an, kommt ein Unterkleid von Goldstoff zum Vorschein. Sie haͤlt das Kind hinter den still uͤbereinander gelegten wunderschoͤnen Haͤnden, an denen die Finger unbeschreiblich zart auslaufen, und die Gruͤbchen die feinste ja seelenvollste Bewegung ausdruͤcken. Die rechte sieht man ganz ausgestreckt bis auf den Daumen, von der linken unterwaͤrts einige Finger, und dahinter die Beine des Kindes; das dreyfache Fleisch ist durch die Abstufung der Schatten vortrefflich gesondert. Jch halte diese Maria nicht fuͤr ein Portraͤt, sondern aus der Jdee gemahlt. Sie ist aber keine Jtaliaͤnische Madonna, sondern eine deutsche liebe Frau, zu der solche Frauen wie die neben ihr knieenden mit Zuversicht beten koͤnnen. Jn dem Jesus ist nichts hohes, auch nichts froͤhliches, aber eine ruͤhrende Kindlichkeit. Er lehnt sein Koͤpfchen auf der einen Hand an den Hals der Mutter, als suchte er, fast uͤberdruͤssig, seine liebste Zuflucht auf; die andre ist wie zum Segnen ausgestreckt, und erscheint daher verkuͤrzt, der ganze Koͤrper aber nach Verhaͤltniß der uͤbrigen Figuren, die alle unter Lebensgroͤße sind, sehr klein. Der bewundernswuͤrdige Fleiß in den Beywerken ist nicht zerstreuend: die viereckigen Zierrathen des

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/82>, abgerufen am 03.05.2024.