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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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Sind Sie ausgesöhnt, Waller?

Waller. Mir däucht, Sie erheben die Darstellung zu sehr gegen die Natur, da Sie doch durch Jhre Schilderung jene zum Theil wieder in diese verwandeln.

Louise. Das letzte ist wahr: seit ich mich mit diesen Dingen viel beschäftige, sehe ich eine wirkliche Gegend mehr als Gemählde, und ein Landschaftsstück suche ich mir zu einer wahren Aussicht zu machen. Aber wie können Sie mir das erste vorwerfen, da Sie immer davon ausgehen, der menschliche Geist schreibe der umgebenden Welt sein Gesetz vor, und schaffe und modle sie nach sich?

Reinhold. Jch muß Louisen vertheidigen. Es versteht sich von selbst, lieber Freund, und wir geben es gleich zu, daß die Kunst als bloße Abschrift der Natur gegen das ewige Regen und Weben derselben unendlich zurückstehen müßte. Eben deswegen soll sie den Abgang durch etwas von wesentlich verschiedner Art ersetzen. Der Künstler kann die landschaftliche Natur nur durch Wahl und Zusammenstellung verbessern, nicht an sich erhöhen. Dagegen leiht er dem Anschauer seinen erhöhten Sinn für sie, oder vielmehr er stellt den allgemeinen Sinn her, wie er ursprünglich beschaffen ist. Er lehrt uns sehen. Drollig genug, daß man es in dem Grade verlernen kann. Aber wann sieht man auch einmal um des Sehens willen? Es geschieht immer in andern Geschäften. Man rühmt den Sinn des Auges als den edelsten, und den Verständigen mag er es deswegen seyn, weil er zur Erkenntniß so behülflich ist, dem großen Haufen gewiß nur wegen seiner Brauchbarkeit

Sind Sie ausgesoͤhnt, Waller?

Waller. Mir daͤucht, Sie erheben die Darstellung zu sehr gegen die Natur, da Sie doch durch Jhre Schilderung jene zum Theil wieder in diese verwandeln.

Louise. Das letzte ist wahr: seit ich mich mit diesen Dingen viel beschaͤftige, sehe ich eine wirkliche Gegend mehr als Gemaͤhlde, und ein Landschaftsstuͤck suche ich mir zu einer wahren Aussicht zu machen. Aber wie koͤnnen Sie mir das erste vorwerfen, da Sie immer davon ausgehen, der menschliche Geist schreibe der umgebenden Welt sein Gesetz vor, und schaffe und modle sie nach sich?

Reinhold. Jch muß Louisen vertheidigen. Es versteht sich von selbst, lieber Freund, und wir geben es gleich zu, daß die Kunst als bloße Abschrift der Natur gegen das ewige Regen und Weben derselben unendlich zuruͤckstehen muͤßte. Eben deswegen soll sie den Abgang durch etwas von wesentlich verschiedner Art ersetzen. Der Kuͤnstler kann die landschaftliche Natur nur durch Wahl und Zusammenstellung verbessern, nicht an sich erhoͤhen. Dagegen leiht er dem Anschauer seinen erhoͤhten Sinn fuͤr sie, oder vielmehr er stellt den allgemeinen Sinn her, wie er urspruͤnglich beschaffen ist. Er lehrt uns sehen. Drollig genug, daß man es in dem Grade verlernen kann. Aber wann sieht man auch einmal um des Sehens willen? Es geschieht immer in andern Geschaͤften. Man ruͤhmt den Sinn des Auges als den edelsten, und den Verstaͤndigen mag er es deswegen seyn, weil er zur Erkenntniß so behuͤlflich ist, dem großen Haufen gewiß nur wegen seiner Brauchbarkeit

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[62/0070] Sind Sie ausgesoͤhnt, Waller? Waller. Mir daͤucht, Sie erheben die Darstellung zu sehr gegen die Natur, da Sie doch durch Jhre Schilderung jene zum Theil wieder in diese verwandeln. Louise. Das letzte ist wahr: seit ich mich mit diesen Dingen viel beschaͤftige, sehe ich eine wirkliche Gegend mehr als Gemaͤhlde, und ein Landschaftsstuͤck suche ich mir zu einer wahren Aussicht zu machen. Aber wie koͤnnen Sie mir das erste vorwerfen, da Sie immer davon ausgehen, der menschliche Geist schreibe der umgebenden Welt sein Gesetz vor, und schaffe und modle sie nach sich? Reinhold. Jch muß Louisen vertheidigen. Es versteht sich von selbst, lieber Freund, und wir geben es gleich zu, daß die Kunst als bloße Abschrift der Natur gegen das ewige Regen und Weben derselben unendlich zuruͤckstehen muͤßte. Eben deswegen soll sie den Abgang durch etwas von wesentlich verschiedner Art ersetzen. Der Kuͤnstler kann die landschaftliche Natur nur durch Wahl und Zusammenstellung verbessern, nicht an sich erhoͤhen. Dagegen leiht er dem Anschauer seinen erhoͤhten Sinn fuͤr sie, oder vielmehr er stellt den allgemeinen Sinn her, wie er urspruͤnglich beschaffen ist. Er lehrt uns sehen. Drollig genug, daß man es in dem Grade verlernen kann. Aber wann sieht man auch einmal um des Sehens willen? Es geschieht immer in andern Geschaͤften. Man ruͤhmt den Sinn des Auges als den edelsten, und den Verstaͤndigen mag er es deswegen seyn, weil er zur Erkenntniß so behuͤlflich ist, dem großen Haufen gewiß nur wegen seiner Brauchbarkeit

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/70>, abgerufen am 24.11.2024.