Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.bemerken wir die viereckigen Felsen vom Königstein und Lilienstein. Aber wie groß erscheint der Himmel? wie groß das Meer? Das Auge an sich kennt nur die scheinbare Größe der Gegenstände in ihrem Verhältnisse unter einander: ein naher Raubvogel, der ein entferntes Wölkchen verdeckt, ist ihm eben so groß. Auf die Entfernungen schließen wir nur aus den gedämpfteren Farben und verlohrneren Umrissen; und so berechnen wir die wahre Größe, indem wir nahe bekannte Gegenstände, einen Baum, eine menschliche Figur als Maßstab zu Hülfe nehmen. Dergleichen setzt der Landschafter in den Vorgrund hin. Waller. Muß sie aber doch beträchtlich verkleinern. Reinhold. So entfernt er sie auch zugleich; nur etwa einigen Kräutern und Blumen ganz am Rande des Bildes giebt er ihre volle Bestimmtheit. Da in diesem Zweige der Kunst die Luftperspektiv vorzüglich zu Hause ist, so hat sie das Mittel ganz in ihrer Gewalt, auf einem kleinen Raume das Große groß darzustellen. Es läßt sich sogar denken, daß sie in das Kolossalische überginge. Louise. Lassen Sie ihn, Reinhold. Er hat es gegen die Landschaftmahlerey, weil die Alten wenig daraus gemacht haben, und weil er die beschreibende Poesie verabscheut. Vielleicht kommt in den folgenden Beschreibungen etwas vor, was dienen kann, ihn zu widerlegen. "Jch sah drey Landschaften neben einander, von Salvator Rosa, Claude Lorrain und Ruisdael. bemerken wir die viereckigen Felsen vom Koͤnigstein und Lilienstein. Aber wie groß erscheint der Himmel? wie groß das Meer? Das Auge an sich kennt nur die scheinbare Groͤße der Gegenstaͤnde in ihrem Verhaͤltnisse unter einander: ein naher Raubvogel, der ein entferntes Woͤlkchen verdeckt, ist ihm eben so groß. Auf die Entfernungen schließen wir nur aus den gedaͤmpfteren Farben und verlohrneren Umrissen; und so berechnen wir die wahre Groͤße, indem wir nahe bekannte Gegenstaͤnde, einen Baum, eine menschliche Figur als Maßstab zu Huͤlfe nehmen. Dergleichen setzt der Landschafter in den Vorgrund hin. Waller. Muß sie aber doch betraͤchtlich verkleinern. Reinhold. So entfernt er sie auch zugleich; nur etwa einigen Kraͤutern und Blumen ganz am Rande des Bildes giebt er ihre volle Bestimmtheit. Da in diesem Zweige der Kunst die Luftperspektiv vorzuͤglich zu Hause ist, so hat sie das Mittel ganz in ihrer Gewalt, auf einem kleinen Raume das Große groß darzustellen. Es laͤßt sich sogar denken, daß sie in das Kolossalische uͤberginge. Louise. Lassen Sie ihn, Reinhold. Er hat es gegen die Landschaftmahlerey, weil die Alten wenig daraus gemacht haben, und weil er die beschreibende Poesie verabscheut. Vielleicht kommt in den folgenden Beschreibungen etwas vor, was dienen kann, ihn zu widerlegen. “Jch sah drey Landschaften neben einander, von Salvator Rosa, Claude Lorrain und Ruisdael. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0064" n="56"/> bemerken wir die viereckigen Felsen vom Koͤnigstein und Lilienstein. Aber wie groß erscheint der Himmel? wie groß das Meer? Das Auge an sich kennt nur die scheinbare Groͤße der Gegenstaͤnde in ihrem Verhaͤltnisse unter einander: ein naher Raubvogel, der ein entferntes Woͤlkchen verdeckt, ist ihm eben so groß. Auf die Entfernungen schließen wir nur aus den gedaͤmpfteren Farben und verlohrneren Umrissen; und so berechnen wir die wahre Groͤße, indem wir nahe bekannte Gegenstaͤnde, einen Baum, eine menschliche Figur als Maßstab zu Huͤlfe nehmen. Dergleichen setzt der Landschafter in den Vorgrund hin.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Muß sie aber doch betraͤchtlich verkleinern.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. So entfernt er sie auch zugleich; nur etwa einigen Kraͤutern und Blumen ganz am Rande des Bildes giebt er ihre volle Bestimmtheit. Da in diesem Zweige der Kunst die Luftperspektiv vorzuͤglich zu Hause ist, so hat sie das Mittel ganz in ihrer Gewalt, auf einem kleinen Raume das Große groß darzustellen. Es laͤßt sich sogar denken, daß sie in das Kolossalische uͤberginge.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Lassen Sie ihn, Reinhold. Er hat es gegen die Landschaftmahlerey, weil die Alten wenig daraus gemacht haben, und weil er die beschreibende Poesie verabscheut. Vielleicht kommt in den folgenden Beschreibungen etwas vor, was dienen kann, ihn zu widerlegen.</p><lb/> <p>“Jch sah drey Landschaften neben einander, von <hi rendition="#g">Salvator Rosa</hi>, <hi rendition="#g">Claude Lorrain</hi> und <hi rendition="#g">Ruisdael</hi>. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0064]
bemerken wir die viereckigen Felsen vom Koͤnigstein und Lilienstein. Aber wie groß erscheint der Himmel? wie groß das Meer? Das Auge an sich kennt nur die scheinbare Groͤße der Gegenstaͤnde in ihrem Verhaͤltnisse unter einander: ein naher Raubvogel, der ein entferntes Woͤlkchen verdeckt, ist ihm eben so groß. Auf die Entfernungen schließen wir nur aus den gedaͤmpfteren Farben und verlohrneren Umrissen; und so berechnen wir die wahre Groͤße, indem wir nahe bekannte Gegenstaͤnde, einen Baum, eine menschliche Figur als Maßstab zu Huͤlfe nehmen. Dergleichen setzt der Landschafter in den Vorgrund hin.
Waller. Muß sie aber doch betraͤchtlich verkleinern.
Reinhold. So entfernt er sie auch zugleich; nur etwa einigen Kraͤutern und Blumen ganz am Rande des Bildes giebt er ihre volle Bestimmtheit. Da in diesem Zweige der Kunst die Luftperspektiv vorzuͤglich zu Hause ist, so hat sie das Mittel ganz in ihrer Gewalt, auf einem kleinen Raume das Große groß darzustellen. Es laͤßt sich sogar denken, daß sie in das Kolossalische uͤberginge.
Louise. Lassen Sie ihn, Reinhold. Er hat es gegen die Landschaftmahlerey, weil die Alten wenig daraus gemacht haben, und weil er die beschreibende Poesie verabscheut. Vielleicht kommt in den folgenden Beschreibungen etwas vor, was dienen kann, ihn zu widerlegen.
“Jch sah drey Landschaften neben einander, von Salvator Rosa, Claude Lorrain und Ruisdael.
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