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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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Enge, und verlischt leise in sich selbst, wie es schon so oft in den Künsten geschah.

Eine gebildete Philosophie muß zwar auch eine natürliche, aber doch auch eine künstliche seyn. Da es nun, wie sich gezeigt hat, eben die Bildung der Philosophie ist, um die es Dir zu thun war: so hast Du sehr Recht, Dich nicht mit Deiner Naturphilosophie begnügen zu wollen, sondern das Höchste mit Ernst zu versuchen. Aber wie wird es möglich seyn, diesen Entschluß ausführbar zu machen?

Zu den sogenannten populären Philosophen hast Du kein Zutrauen. Und welchen Deutschen oder Engländischen der Art dürfte ich Dir wohl vorschlagen, da Voltaire´s Witz und Rousseau´s Beredsamkeit Dich über die häufige Gemeinheit der Gesinnungen und Ansichten in ihnen nicht hat verblenden können? Die zwey oder drey von unsrer Nazion, welche dieser Vorwurf nicht treffen würde, sind grade solche die nur Streifzüge in das Gebiet der Philosophie gethan haben und Deinem Bedürfnisse wenig Gnüge leisten könnten.

Die Abstraction ist ein künstlicher Zustand. Dies ist kein Grund gegen sie, denn es ist dem Menschen gewiß natürlich, sich dann und wann auch in künstliche Zustände zu versetzen. Aber es erklärt warum auch ihr Ausdruck künstlich ist. Man könnte es sogar zum Kennzeichen der strengen eigentlichen Philosophie machen, die nur Philosophie seyn will, und die übrigen Theile der menschlichen Thätigkeit vor der Hand bey Seite setzt, daß sie dem rohen menschlichen Sinne ohne

Enge, und verlischt leise in sich selbst, wie es schon so oft in den Kuͤnsten geschah.

Eine gebildete Philosophie muß zwar auch eine natuͤrliche, aber doch auch eine kuͤnstliche seyn. Da es nun, wie sich gezeigt hat, eben die Bildung der Philosophie ist, um die es Dir zu thun war: so hast Du sehr Recht, Dich nicht mit Deiner Naturphilosophie begnuͤgen zu wollen, sondern das Hoͤchste mit Ernst zu versuchen. Aber wie wird es moͤglich seyn, diesen Entschluß ausfuͤhrbar zu machen?

Zu den sogenannten populaͤren Philosophen hast Du kein Zutrauen. Und welchen Deutschen oder Englaͤndischen der Art duͤrfte ich Dir wohl vorschlagen, da Voltaire´s Witz und Rousseau´s Beredsamkeit Dich uͤber die haͤufige Gemeinheit der Gesinnungen und Ansichten in ihnen nicht hat verblenden koͤnnen? Die zwey oder drey von unsrer Nazion, welche dieser Vorwurf nicht treffen wuͤrde, sind grade solche die nur Streifzuͤge in das Gebiet der Philosophie gethan haben und Deinem Beduͤrfnisse wenig Gnuͤge leisten koͤnnten.

Die Abstraction ist ein kuͤnstlicher Zustand. Dies ist kein Grund gegen sie, denn es ist dem Menschen gewiß natuͤrlich, sich dann und wann auch in kuͤnstliche Zustaͤnde zu versetzen. Aber es erklaͤrt warum auch ihr Ausdruck kuͤnstlich ist. Man koͤnnte es sogar zum Kennzeichen der strengen eigentlichen Philosophie machen, die nur Philosophie seyn will, und die uͤbrigen Theile der menschlichen Thaͤtigkeit vor der Hand bey Seite setzt, daß sie dem rohen menschlichen Sinne ohne

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[29/0037] Enge, und verlischt leise in sich selbst, wie es schon so oft in den Kuͤnsten geschah. Eine gebildete Philosophie muß zwar auch eine natuͤrliche, aber doch auch eine kuͤnstliche seyn. Da es nun, wie sich gezeigt hat, eben die Bildung der Philosophie ist, um die es Dir zu thun war: so hast Du sehr Recht, Dich nicht mit Deiner Naturphilosophie begnuͤgen zu wollen, sondern das Hoͤchste mit Ernst zu versuchen. Aber wie wird es moͤglich seyn, diesen Entschluß ausfuͤhrbar zu machen? Zu den sogenannten populaͤren Philosophen hast Du kein Zutrauen. Und welchen Deutschen oder Englaͤndischen der Art duͤrfte ich Dir wohl vorschlagen, da Voltaire´s Witz und Rousseau´s Beredsamkeit Dich uͤber die haͤufige Gemeinheit der Gesinnungen und Ansichten in ihnen nicht hat verblenden koͤnnen? Die zwey oder drey von unsrer Nazion, welche dieser Vorwurf nicht treffen wuͤrde, sind grade solche die nur Streifzuͤge in das Gebiet der Philosophie gethan haben und Deinem Beduͤrfnisse wenig Gnuͤge leisten koͤnnten. Die Abstraction ist ein kuͤnstlicher Zustand. Dies ist kein Grund gegen sie, denn es ist dem Menschen gewiß natuͤrlich, sich dann und wann auch in kuͤnstliche Zustaͤnde zu versetzen. Aber es erklaͤrt warum auch ihr Ausdruck kuͤnstlich ist. Man koͤnnte es sogar zum Kennzeichen der strengen eigentlichen Philosophie machen, die nur Philosophie seyn will, und die uͤbrigen Theile der menschlichen Thaͤtigkeit vor der Hand bey Seite setzt, daß sie dem rohen menschlichen Sinne ohne

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/37>, abgerufen am 29.03.2024.