Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

es erklären, daß die Ruhe nach der Arbeit und die Freuden einer guten Tafel als Hauptmomente unvermerkt immer wieder kommen, und daß die Affekten und mehreres andere, was im Gemüth vorkommt, ordentlich als Verdauungsmittel behandelt werden. Man würde offenbar unrecht thun, dies anders und wol gar charakteristischer zu nehmen.

Eben so hat Kant in Rücksicht der Form zwei Foderungen an die Anthropologie gemacht, deren Vereinigung er eben auch nur als etwas unmögliches hat darstellen wollen: nemlich daß sie systematisch und zugleich auch populär seyn soll, ein Wort, dessen Bedeutung an dieser Stelle er zum Glück selbst angegeben hat. Hier ist über dem Bestreben nach dem Populären das Systematische untergegangen, und aus angeborner Tendenz zum Systematischen, ist statt des Populären oft nur der leere Raum, wo es hineingelegt werden könnte, übrig geblieben. Unter dem Untergang des Systematischen verstehe ich nicht jene bereits erwähnte, auf den ersten Anblick sichtbare Verwirrung im Einzelnen. Freilich ist kein Eintheilungsprincip durchgeführt, die Unterabtheilungen gehn wunderbar hin und her, Ueberschrift und Jnhalt sind einander öfters ganz fremd; eine Einrichtung, bei welcher dem aufmerksamen Leser nichts so sehr auffällt, als der ein Paar Male besonders vorkommende Titel: zerstreute Anmerkungen. Dem Allen aber könnte durch eine Revision und Umkehrung des Buchs, durch einige Zusätze und mehrere Weglassungen oft wiederholter Dinge, die auch einmal gesagt überflüssig sind, leicht abgeholfen werden; und dennoch würde es von dieser

es erklaͤren, daß die Ruhe nach der Arbeit und die Freuden einer guten Tafel als Hauptmomente unvermerkt immer wieder kommen, und daß die Affekten und mehreres andere, was im Gemuͤth vorkommt, ordentlich als Verdauungsmittel behandelt werden. Man wuͤrde offenbar unrecht thun, dies anders und wol gar charakteristischer zu nehmen.

Eben so hat Kant in Ruͤcksicht der Form zwei Foderungen an die Anthropologie gemacht, deren Vereinigung er eben auch nur als etwas unmoͤgliches hat darstellen wollen: nemlich daß sie systematisch und zugleich auch populaͤr seyn soll, ein Wort, dessen Bedeutung an dieser Stelle er zum Gluͤck selbst angegeben hat. Hier ist uͤber dem Bestreben nach dem Populaͤren das Systematische untergegangen, und aus angeborner Tendenz zum Systematischen, ist statt des Populaͤren oft nur der leere Raum, wo es hineingelegt werden koͤnnte, uͤbrig geblieben. Unter dem Untergang des Systematischen verstehe ich nicht jene bereits erwaͤhnte, auf den ersten Anblick sichtbare Verwirrung im Einzelnen. Freilich ist kein Eintheilungsprincip durchgefuͤhrt, die Unterabtheilungen gehn wunderbar hin und her, Ueberschrift und Jnhalt sind einander oͤfters ganz fremd; eine Einrichtung, bei welcher dem aufmerksamen Leser nichts so sehr auffaͤllt, als der ein Paar Male besonders vorkommende Titel: zerstreute Anmerkungen. Dem Allen aber koͤnnte durch eine Revision und Umkehrung des Buchs, durch einige Zusaͤtze und mehrere Weglassungen oft wiederholter Dinge, die auch einmal gesagt uͤberfluͤssig sind, leicht abgeholfen werden; und dennoch wuͤrde es von dieser

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0314" n="304"/>
es erkla&#x0364;ren, daß die Ruhe nach der Arbeit und die Freuden einer guten Tafel als Hauptmomente unvermerkt immer wieder kommen, und daß die Affekten und mehreres andere, was im Gemu&#x0364;th vorkommt, ordentlich als Verdauungsmittel behandelt werden. Man wu&#x0364;rde offenbar unrecht thun, dies anders und wol gar charakteristischer zu nehmen.</p><lb/>
          <p>Eben so hat Kant in Ru&#x0364;cksicht der Form zwei Foderungen an die Anthropologie gemacht, deren Vereinigung er eben auch nur als etwas unmo&#x0364;gliches hat darstellen wollen: nemlich daß sie systematisch und zugleich auch popula&#x0364;r seyn soll, ein Wort, dessen Bedeutung an dieser Stelle er zum Glu&#x0364;ck selbst angegeben hat. Hier ist u&#x0364;ber dem Bestreben nach dem Popula&#x0364;ren das Systematische untergegangen, und aus angeborner Tendenz zum Systematischen, ist statt des Popula&#x0364;ren oft nur der leere Raum, wo es hineingelegt werden ko&#x0364;nnte, u&#x0364;brig geblieben. Unter dem Untergang des Systematischen verstehe ich nicht jene bereits erwa&#x0364;hnte, auf den ersten Anblick sichtbare Verwirrung im Einzelnen. Freilich ist kein Eintheilungsprincip durchgefu&#x0364;hrt, die Unterabtheilungen gehn wunderbar hin und her, Ueberschrift und Jnhalt sind einander o&#x0364;fters ganz fremd; eine Einrichtung, bei welcher dem aufmerksamen Leser nichts so sehr auffa&#x0364;llt, als der ein Paar Male besonders vorkommende Titel: zerstreute Anmerkungen. Dem Allen aber ko&#x0364;nnte durch eine Revision und Umkehrung des Buchs, durch einige Zusa&#x0364;tze und mehrere Weglassungen oft wiederholter Dinge, die auch einmal gesagt u&#x0364;berflu&#x0364;ssig sind, leicht abgeholfen werden; und dennoch wu&#x0364;rde es von dieser
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0314] es erklaͤren, daß die Ruhe nach der Arbeit und die Freuden einer guten Tafel als Hauptmomente unvermerkt immer wieder kommen, und daß die Affekten und mehreres andere, was im Gemuͤth vorkommt, ordentlich als Verdauungsmittel behandelt werden. Man wuͤrde offenbar unrecht thun, dies anders und wol gar charakteristischer zu nehmen. Eben so hat Kant in Ruͤcksicht der Form zwei Foderungen an die Anthropologie gemacht, deren Vereinigung er eben auch nur als etwas unmoͤgliches hat darstellen wollen: nemlich daß sie systematisch und zugleich auch populaͤr seyn soll, ein Wort, dessen Bedeutung an dieser Stelle er zum Gluͤck selbst angegeben hat. Hier ist uͤber dem Bestreben nach dem Populaͤren das Systematische untergegangen, und aus angeborner Tendenz zum Systematischen, ist statt des Populaͤren oft nur der leere Raum, wo es hineingelegt werden koͤnnte, uͤbrig geblieben. Unter dem Untergang des Systematischen verstehe ich nicht jene bereits erwaͤhnte, auf den ersten Anblick sichtbare Verwirrung im Einzelnen. Freilich ist kein Eintheilungsprincip durchgefuͤhrt, die Unterabtheilungen gehn wunderbar hin und her, Ueberschrift und Jnhalt sind einander oͤfters ganz fremd; eine Einrichtung, bei welcher dem aufmerksamen Leser nichts so sehr auffaͤllt, als der ein Paar Male besonders vorkommende Titel: zerstreute Anmerkungen. Dem Allen aber koͤnnte durch eine Revision und Umkehrung des Buchs, durch einige Zusaͤtze und mehrere Weglassungen oft wiederholter Dinge, die auch einmal gesagt uͤberfluͤssig sind, leicht abgeholfen werden; und dennoch wuͤrde es von dieser

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/314
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/314>, abgerufen am 22.11.2024.