Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

ist halsstarrig: wir sind desto biegsamer; sie ist hart und rauh: wir thun alles für die Wahl milder gefälliger Töne; wir verstehen uns sogar im Nothfalle zu Wortspielen, einer Sache, wozu die Deutsche Sprache am allerungeschicktesten ist, weil sie immer nur arbeiten, niemals spielen will. Wo sind denn nun die gepriesenen Wundervorzüge, die unsere Sprache an sich, zur einzig berufnen Dollmetscherin aller übrigen machen sollen? Ein Wörterreichthum, der gar nicht so überschwenglich ist, daß er nicht beim Uebersetzen oft Armuth sollte fühlen lassen; die Fähigkeit zusammenzusetzen, und hie und da neu abzuleiten; eine etwas freyere Wortstellung, als in einigen andern modernen Sprachen gilt, und endlich metrische Bildsamkeit. Mit dieser geht es ganz natürlich zu, da unsre Poesie von der Zeit der Provenzalen an meist immer fremden Mustern gefolgt ist. Daß die gelungene Einführung der alten Sylbenmaße (wie eingeschränkt und mangelhaft ihre Nachahmung auch noch ist), vielmehr dem Eifer und Sinn dafür, und den Bemühungen einzelner Dichter, als dem Bau der Sprache selbst zugeschrieben werden muß, habe ich an einem andern Orte gezeigt. Jn Ansehung der modernen Versarten war seit Opiz alles nach Französischen und Holländischen Regeln gemodelt; erst allmählig und nach vielem Widerstande hat man Englische und Jtaliänische Weise darin aufgenommen. Jch weiß noch, daß mich korrekte Kunstrichter sehr getadelt haben, weil ich in einigen Sonetten nach dem Petrarca, von denen übrigens nicht mehr die Rede seyn kann, lauter weibliche Reime gebraucht hatte. Jetzt wird uns niemand mehr dieß Recht streitig machen,

ist halsstarrig: wir sind desto biegsamer; sie ist hart und rauh: wir thun alles fuͤr die Wahl milder gefaͤlliger Toͤne; wir verstehen uns sogar im Nothfalle zu Wortspielen, einer Sache, wozu die Deutsche Sprache am allerungeschicktesten ist, weil sie immer nur arbeiten, niemals spielen will. Wo sind denn nun die gepriesenen Wundervorzuͤge, die unsere Sprache an sich, zur einzig berufnen Dollmetscherin aller uͤbrigen machen sollen? Ein Woͤrterreichthum, der gar nicht so uͤberschwenglich ist, daß er nicht beim Uebersetzen oft Armuth sollte fuͤhlen lassen; die Faͤhigkeit zusammenzusetzen, und hie und da neu abzuleiten; eine etwas freyere Wortstellung, als in einigen andern modernen Sprachen gilt, und endlich metrische Bildsamkeit. Mit dieser geht es ganz natuͤrlich zu, da unsre Poesie von der Zeit der Provenzalen an meist immer fremden Mustern gefolgt ist. Daß die gelungene Einfuͤhrung der alten Sylbenmaße (wie eingeschraͤnkt und mangelhaft ihre Nachahmung auch noch ist), vielmehr dem Eifer und Sinn dafuͤr, und den Bemuͤhungen einzelner Dichter, als dem Bau der Sprache selbst zugeschrieben werden muß, habe ich an einem andern Orte gezeigt. Jn Ansehung der modernen Versarten war seit Opiz alles nach Franzoͤsischen und Hollaͤndischen Regeln gemodelt; erst allmaͤhlig und nach vielem Widerstande hat man Englische und Jtaliaͤnische Weise darin aufgenommen. Jch weiß noch, daß mich korrekte Kunstrichter sehr getadelt haben, weil ich in einigen Sonetten nach dem Petrarca, von denen uͤbrigens nicht mehr die Rede seyn kann, lauter weibliche Reime gebraucht hatte. Jetzt wird uns niemand mehr dieß Recht streitig machen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0293" n="283"/>
ist halsstarrig: wir sind desto biegsamer; sie ist hart und rauh: wir thun alles fu&#x0364;r die Wahl milder gefa&#x0364;lliger To&#x0364;ne; wir verstehen uns sogar im Nothfalle zu Wortspielen, einer Sache, wozu die Deutsche Sprache am allerungeschicktesten ist, weil sie immer nur arbeiten, niemals spielen will. Wo sind denn nun die gepriesenen Wundervorzu&#x0364;ge, die unsere Sprache an sich, zur einzig berufnen Dollmetscherin aller u&#x0364;brigen machen sollen? Ein Wo&#x0364;rterreichthum, der gar nicht so u&#x0364;berschwenglich ist, daß er nicht beim Uebersetzen oft Armuth sollte fu&#x0364;hlen lassen; die Fa&#x0364;higkeit zusammenzusetzen, und hie und da neu abzuleiten; eine etwas freyere Wortstellung, als in einigen andern modernen Sprachen gilt, und endlich metrische Bildsamkeit. Mit dieser geht es ganz natu&#x0364;rlich zu, da unsre Poesie von der Zeit der Provenzalen an meist immer fremden Mustern gefolgt ist. Daß die gelungene Einfu&#x0364;hrung der alten Sylbenmaße (wie eingeschra&#x0364;nkt und mangelhaft ihre Nachahmung auch noch ist), vielmehr dem Eifer und Sinn dafu&#x0364;r, und den Bemu&#x0364;hungen einzelner Dichter, als dem Bau der Sprache selbst zugeschrieben werden muß, habe ich an einem andern Orte gezeigt. Jn Ansehung der modernen Versarten war seit Opiz alles nach Franzo&#x0364;sischen und Holla&#x0364;ndischen Regeln gemodelt; erst allma&#x0364;hlig und nach vielem Widerstande hat man Englische und Jtalia&#x0364;nische Weise darin aufgenommen. Jch weiß noch, daß mich korrekte Kunstrichter sehr getadelt haben, weil ich in einigen Sonetten nach dem Petrarca, von denen u&#x0364;brigens nicht mehr die Rede seyn kann, lauter weibliche Reime gebraucht hatte. Jetzt wird uns niemand mehr dieß Recht streitig machen,
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0293] ist halsstarrig: wir sind desto biegsamer; sie ist hart und rauh: wir thun alles fuͤr die Wahl milder gefaͤlliger Toͤne; wir verstehen uns sogar im Nothfalle zu Wortspielen, einer Sache, wozu die Deutsche Sprache am allerungeschicktesten ist, weil sie immer nur arbeiten, niemals spielen will. Wo sind denn nun die gepriesenen Wundervorzuͤge, die unsere Sprache an sich, zur einzig berufnen Dollmetscherin aller uͤbrigen machen sollen? Ein Woͤrterreichthum, der gar nicht so uͤberschwenglich ist, daß er nicht beim Uebersetzen oft Armuth sollte fuͤhlen lassen; die Faͤhigkeit zusammenzusetzen, und hie und da neu abzuleiten; eine etwas freyere Wortstellung, als in einigen andern modernen Sprachen gilt, und endlich metrische Bildsamkeit. Mit dieser geht es ganz natuͤrlich zu, da unsre Poesie von der Zeit der Provenzalen an meist immer fremden Mustern gefolgt ist. Daß die gelungene Einfuͤhrung der alten Sylbenmaße (wie eingeschraͤnkt und mangelhaft ihre Nachahmung auch noch ist), vielmehr dem Eifer und Sinn dafuͤr, und den Bemuͤhungen einzelner Dichter, als dem Bau der Sprache selbst zugeschrieben werden muß, habe ich an einem andern Orte gezeigt. Jn Ansehung der modernen Versarten war seit Opiz alles nach Franzoͤsischen und Hollaͤndischen Regeln gemodelt; erst allmaͤhlig und nach vielem Widerstande hat man Englische und Jtaliaͤnische Weise darin aufgenommen. Jch weiß noch, daß mich korrekte Kunstrichter sehr getadelt haben, weil ich in einigen Sonetten nach dem Petrarca, von denen uͤbrigens nicht mehr die Rede seyn kann, lauter weibliche Reime gebraucht hatte. Jetzt wird uns niemand mehr dieß Recht streitig machen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/293
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/293>, abgerufen am 22.11.2024.