Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.9.
Der Born wird häufig rings von ihm umgangen,Und wie ein Blinder tappt er, weil er ruft. Wie oft, indem er wähnt, sie zu umfangen, Greift er mit seinen Armen leere Luft. Sie ist indeß schon weit davon gegangen, Und ruht sich erst bey einer Felsengruft, Geräumig, tief in einen Berg gegründet, Wo sie an Nahrung ihr Bedürfniß findet. 10.
Ein alter Hirt, der eine große HeerdeVon Stuten hat, pflegt hier sich einzustellen. Jm Thale irrend weideten die Pferde Das zarte Gras am Rande frischer Quellen, Und sengte dann des Mittags Glut die Erde, So wurden sie rings um die Höhl' in Ställen Davor bewahrt: hier weilt Angelica Den ganzen Tag, derweil sie niemand sah. 11.
Am Abend glaubt sie neugestärkt zu seyn,Jhr scheint nicht nöthig, hier zu übernachten. Sie wickelt sich in grobe Tücher ein, Allzu verschieden von den heitern Trachten, Die sonst von allen Farben, zart und fein, Die Dienerinnen ihr zum Schmuck erdachten. Und doch, die niedre Hüll' um ihren Leib, Erscheint sie als ein schön und edles Weib. 9.
Der Born wird haͤufig rings von ihm umgangen,Und wie ein Blinder tappt er, weil er ruft. Wie oft, indem er waͤhnt, sie zu umfangen, Greift er mit seinen Armen leere Luft. Sie ist indeß schon weit davon gegangen, Und ruht sich erst bey einer Felsengruft, Geraͤumig, tief in einen Berg gegruͤndet, Wo sie an Nahrung ihr Beduͤrfniß findet. 10.
Ein alter Hirt, der eine große HeerdeVon Stuten hat, pflegt hier sich einzustellen. Jm Thale irrend weideten die Pferde Das zarte Gras am Rande frischer Quellen, Und sengte dann des Mittags Glut die Erde, So wurden sie rings um die Hoͤhl' in Staͤllen Davor bewahrt: hier weilt Angelica Den ganzen Tag, derweil sie niemand sah. 11.
Am Abend glaubt sie neugestaͤrkt zu seyn,Jhr scheint nicht noͤthig, hier zu uͤbernachten. Sie wickelt sich in grobe Tuͤcher ein, Allzu verschieden von den heitern Trachten, Die sonst von allen Farben, zart und fein, Die Dienerinnen ihr zum Schmuck erdachten. Und doch, die niedre Huͤll' um ihren Leib, Erscheint sie als ein schoͤn und edles Weib. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0262" n="252"/> <lg n="9"> <head> <hi rendition="#c">9.</hi> </head> <l>Der Born wird haͤufig rings von ihm umgangen,</l><lb/> <l>Und wie ein Blinder tappt er, weil er ruft.</l><lb/> <l>Wie oft, indem er waͤhnt, sie zu umfangen,</l><lb/> <l>Greift er mit seinen Armen leere Luft.</l><lb/> <l>Sie ist indeß schon weit davon gegangen,</l><lb/> <l>Und ruht sich erst bey einer Felsengruft,</l><lb/> <l>Geraͤumig, tief in einen Berg gegruͤndet,</l><lb/> <l>Wo sie an Nahrung ihr Beduͤrfniß findet.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <head> <hi rendition="#c">10.</hi> </head> <l>Ein alter Hirt, der eine große Heerde</l><lb/> <l>Von Stuten hat, pflegt hier sich einzustellen.</l><lb/> <l>Jm Thale irrend weideten die Pferde</l><lb/> <l>Das zarte Gras am Rande frischer Quellen,</l><lb/> <l>Und sengte dann des Mittags Glut die Erde,</l><lb/> <l>So wurden sie rings um die Hoͤhl' in Staͤllen</l><lb/> <l>Davor bewahrt: hier weilt Angelica</l><lb/> <l>Den ganzen Tag, derweil sie niemand sah.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <head> <hi rendition="#c">11.</hi> </head> <l>Am Abend glaubt sie neugestaͤrkt zu seyn,</l><lb/> <l>Jhr scheint nicht noͤthig, hier zu uͤbernachten.</l><lb/> <l>Sie wickelt sich in grobe Tuͤcher ein,</l><lb/> <l>Allzu verschieden von den heitern Trachten,</l><lb/> <l>Die sonst von allen Farben, zart und fein,</l><lb/> <l>Die Dienerinnen ihr zum Schmuck erdachten.</l><lb/> <l>Und doch, die niedre Huͤll' um ihren Leib,</l><lb/> <l>Erscheint sie als ein schoͤn und edles Weib.</l> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [252/0262]
9. Der Born wird haͤufig rings von ihm umgangen,
Und wie ein Blinder tappt er, weil er ruft.
Wie oft, indem er waͤhnt, sie zu umfangen,
Greift er mit seinen Armen leere Luft.
Sie ist indeß schon weit davon gegangen,
Und ruht sich erst bey einer Felsengruft,
Geraͤumig, tief in einen Berg gegruͤndet,
Wo sie an Nahrung ihr Beduͤrfniß findet.
10. Ein alter Hirt, der eine große Heerde
Von Stuten hat, pflegt hier sich einzustellen.
Jm Thale irrend weideten die Pferde
Das zarte Gras am Rande frischer Quellen,
Und sengte dann des Mittags Glut die Erde,
So wurden sie rings um die Hoͤhl' in Staͤllen
Davor bewahrt: hier weilt Angelica
Den ganzen Tag, derweil sie niemand sah.
11. Am Abend glaubt sie neugestaͤrkt zu seyn,
Jhr scheint nicht noͤthig, hier zu uͤbernachten.
Sie wickelt sich in grobe Tuͤcher ein,
Allzu verschieden von den heitern Trachten,
Die sonst von allen Farben, zart und fein,
Die Dienerinnen ihr zum Schmuck erdachten.
Und doch, die niedre Huͤll' um ihren Leib,
Erscheint sie als ein schoͤn und edles Weib.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/262 |
Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/262>, abgerufen am 16.02.2025. |