Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.legt ihr die linke Hand auf die Schulter. Helena steht nach vorn, mit eben dieser vom Paris abgewandt, nach dem sie jedoch über die Achsel hinsieht, die Finger der rechten Hand an der Wange, überlegt sie mit züchtig lüsterner Miene. Nicht weniger zart ist die andre Hälfte der Geschichte gedacht: der wackre Hektor tritt in voller Rüstung, den Schild auf den Rücken geworfen, herein, nnd redet seinen Bruder bestrafend an; am andern Ende sitzt Helena im Sessel zurückgelehnt, und giebt ihrem Schwager in der Stille Recht. Der schöne Paris, bis auf die Sohlen und die Phrygische Mütze nackt, steht in der Mitte, auf den Bogen gestützt, den er eben geglättet hat, und hört die Vorwürfe mit gesenktem Haupte an. Das Naive und Drollige in manchen Homerischen Erzählungen muß der Künstler ganz im richtigen Sinne gefühlt haben, so leise giebt er es an, ohne dem Edlen Abbruch zu thun. Wie außer sich vor Bestürzung und Schmerz ist die verwundete Venus, die von der Jris an beyden Händen zum Olymp gehoben wird, während Mars, ebenfalls verwundet, seitwärts sitzt! Grade so verzweifelt eine schöne Göttin, die man in den Finger geritzt hat. Nachher, wie die für Troja kämpfenden Götter luftschreitend wider ihre Gegner ziehn, und in dem regen Gewühl vorn an Diana und Apollo den Bogen spannen und Mars die Lanze schwingt, ist Venus durch Schaden gewitzigt und hält sich ganz im Hintertreffen. -- Eine ungemein artige Gruppe ist die, wo Eurynome und Thetis, jene ganz nackt, diese nur unterwärts von einem losen Gewande bedeckt, gegen einander knieend den kleinen vom Himmel herabgeschleuderten legt ihr die linke Hand auf die Schulter. Helena steht nach vorn, mit eben dieser vom Paris abgewandt, nach dem sie jedoch uͤber die Achsel hinsieht, die Finger der rechten Hand an der Wange, uͤberlegt sie mit zuͤchtig luͤsterner Miene. Nicht weniger zart ist die andre Haͤlfte der Geschichte gedacht: der wackre Hektor tritt in voller Ruͤstung, den Schild auf den Ruͤcken geworfen, herein, nnd redet seinen Bruder bestrafend an; am andern Ende sitzt Helena im Sessel zuruͤckgelehnt, und giebt ihrem Schwager in der Stille Recht. Der schoͤne Paris, bis auf die Sohlen und die Phrygische Muͤtze nackt, steht in der Mitte, auf den Bogen gestuͤtzt, den er eben geglaͤttet hat, und hoͤrt die Vorwuͤrfe mit gesenktem Haupte an. Das Naive und Drollige in manchen Homerischen Erzaͤhlungen muß der Kuͤnstler ganz im richtigen Sinne gefuͤhlt haben, so leise giebt er es an, ohne dem Edlen Abbruch zu thun. Wie außer sich vor Bestuͤrzung und Schmerz ist die verwundete Venus, die von der Jris an beyden Haͤnden zum Olymp gehoben wird, waͤhrend Mars, ebenfalls verwundet, seitwaͤrts sitzt! Grade so verzweifelt eine schoͤne Goͤttin, die man in den Finger geritzt hat. Nachher, wie die fuͤr Troja kaͤmpfenden Goͤtter luftschreitend wider ihre Gegner ziehn, und in dem regen Gewuͤhl vorn an Diana und Apollo den Bogen spannen und Mars die Lanze schwingt, ist Venus durch Schaden gewitzigt und haͤlt sich ganz im Hintertreffen. — Eine ungemein artige Gruppe ist die, wo Eurynome und Thetis, jene ganz nackt, diese nur unterwaͤrts von einem losen Gewande bedeckt, gegen einander knieend den kleinen vom Himmel herabgeschleuderten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0248" n="238"/> legt ihr die linke Hand auf die Schulter. Helena steht nach vorn, mit eben dieser vom Paris abgewandt, nach dem sie jedoch uͤber die Achsel hinsieht, die Finger der rechten Hand an der Wange, uͤberlegt sie mit zuͤchtig luͤsterner Miene. Nicht weniger zart ist die andre Haͤlfte der Geschichte gedacht: der wackre Hektor tritt in voller Ruͤstung, den Schild auf den Ruͤcken geworfen, herein, nnd redet seinen Bruder bestrafend an; am andern Ende sitzt Helena im Sessel zuruͤckgelehnt, und giebt ihrem Schwager in der Stille Recht. Der schoͤne Paris, bis auf die Sohlen und die Phrygische Muͤtze nackt, steht in der Mitte, auf den Bogen gestuͤtzt, den er eben geglaͤttet hat, und hoͤrt die Vorwuͤrfe mit gesenktem Haupte an. Das Naive und Drollige in manchen Homerischen Erzaͤhlungen muß der Kuͤnstler ganz im richtigen Sinne gefuͤhlt haben, so leise giebt er es an, ohne dem Edlen Abbruch zu thun. Wie außer sich vor Bestuͤrzung und Schmerz ist die verwundete Venus, die von der Jris an beyden Haͤnden zum Olymp gehoben wird, waͤhrend Mars, ebenfalls verwundet, seitwaͤrts sitzt! Grade so verzweifelt eine schoͤne Goͤttin, die man in den Finger geritzt hat. Nachher, wie die fuͤr Troja kaͤmpfenden Goͤtter luftschreitend wider ihre Gegner ziehn, und in dem regen Gewuͤhl vorn an Diana und Apollo den Bogen spannen und Mars die Lanze schwingt, ist Venus durch Schaden gewitzigt und haͤlt sich ganz im Hintertreffen. — Eine ungemein artige Gruppe ist die, wo Eurynome und Thetis, jene ganz nackt, diese nur unterwaͤrts von einem losen Gewande bedeckt, gegen einander knieend den kleinen vom Himmel herabgeschleuderten </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [238/0248]
legt ihr die linke Hand auf die Schulter. Helena steht nach vorn, mit eben dieser vom Paris abgewandt, nach dem sie jedoch uͤber die Achsel hinsieht, die Finger der rechten Hand an der Wange, uͤberlegt sie mit zuͤchtig luͤsterner Miene. Nicht weniger zart ist die andre Haͤlfte der Geschichte gedacht: der wackre Hektor tritt in voller Ruͤstung, den Schild auf den Ruͤcken geworfen, herein, nnd redet seinen Bruder bestrafend an; am andern Ende sitzt Helena im Sessel zuruͤckgelehnt, und giebt ihrem Schwager in der Stille Recht. Der schoͤne Paris, bis auf die Sohlen und die Phrygische Muͤtze nackt, steht in der Mitte, auf den Bogen gestuͤtzt, den er eben geglaͤttet hat, und hoͤrt die Vorwuͤrfe mit gesenktem Haupte an. Das Naive und Drollige in manchen Homerischen Erzaͤhlungen muß der Kuͤnstler ganz im richtigen Sinne gefuͤhlt haben, so leise giebt er es an, ohne dem Edlen Abbruch zu thun. Wie außer sich vor Bestuͤrzung und Schmerz ist die verwundete Venus, die von der Jris an beyden Haͤnden zum Olymp gehoben wird, waͤhrend Mars, ebenfalls verwundet, seitwaͤrts sitzt! Grade so verzweifelt eine schoͤne Goͤttin, die man in den Finger geritzt hat. Nachher, wie die fuͤr Troja kaͤmpfenden Goͤtter luftschreitend wider ihre Gegner ziehn, und in dem regen Gewuͤhl vorn an Diana und Apollo den Bogen spannen und Mars die Lanze schwingt, ist Venus durch Schaden gewitzigt und haͤlt sich ganz im Hintertreffen. — Eine ungemein artige Gruppe ist die, wo Eurynome und Thetis, jene ganz nackt, diese nur unterwaͤrts von einem losen Gewande bedeckt, gegen einander knieend den kleinen vom Himmel herabgeschleuderten
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/248>, abgerufen am 16.02.2025. |