Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.in Gewändern, die noch unterhalb der Füße in Falten fliegen, und in welchen der schlanke Körper, bis auf die Theile worin der geistige Ausdruck wohnt, das Gesicht und die entzückt verbreiteten oder über die Brust gefalteten Arme, fast verschwindet; so daß sie auf ein paar Blättern, wo sie einen zahlreichen Kreis in lauter ähnlichen Stellungen schließen, die Glorie in der Mitte gleichsam wie Seufzerchen der innigsten und demuthvollsten Andacht umschweben. Da im Paradiso und zum Theil schon im Purgatorio zuweilen lange Stellen mit Gesprächen über theologische Gegenstände angefüllt sind, so hat sich der Zeichner, der einmal das Gedicht Gesang für Gesang begleiten wollte, freyere Hand gelassen: was figürlich und mystisch zu nehmen ist, sinnlich vorgestellt, oder auch wohl ein bloß episodisches Bild, eine Metapher, zum unabhängigen Gegenstande ausgebildet. Seine Entwürfe sind dann nicht sowohl Komposizionen der angeführten Zeilen des Dichters, als eigne durch sie veranlaßte pittoreske Fantasien, und als solche zu beurtheilen. Zu der ersten Art gehört es, wenn der Geist des Forese, dem die inbrünstigen Gebete seiner hinterlassenen Wittwe Nella dazu verhalfen, schneller durch die Kreise der Büßung hindurch zu gelangen, vor der niedergeworfnen Beterin sichtlich gen Himmel steigt. Auf einem andern Blatte treibt ein kolossalisches Gerippe, wovon nur der Kopf und eine Hand sichtbar ist, Kinder mit den unbefangensten Gebehrden durch die Luft schwimmend vor sich her; dieß sind "die "harmlosen Kleinen, die der Zahn des Todes gebissen, in Gewaͤndern, die noch unterhalb der Fuͤße in Falten fliegen, und in welchen der schlanke Koͤrper, bis auf die Theile worin der geistige Ausdruck wohnt, das Gesicht und die entzuͤckt verbreiteten oder uͤber die Brust gefalteten Arme, fast verschwindet; so daß sie auf ein paar Blaͤttern, wo sie einen zahlreichen Kreis in lauter aͤhnlichen Stellungen schließen, die Glorie in der Mitte gleichsam wie Seufzerchen der innigsten und demuthvollsten Andacht umschweben. Da im Paradiso und zum Theil schon im Purgatorio zuweilen lange Stellen mit Gespraͤchen uͤber theologische Gegenstaͤnde angefuͤllt sind, so hat sich der Zeichner, der einmal das Gedicht Gesang fuͤr Gesang begleiten wollte, freyere Hand gelassen: was figuͤrlich und mystisch zu nehmen ist, sinnlich vorgestellt, oder auch wohl ein bloß episodisches Bild, eine Metapher, zum unabhaͤngigen Gegenstande ausgebildet. Seine Entwuͤrfe sind dann nicht sowohl Komposizionen der angefuͤhrten Zeilen des Dichters, als eigne durch sie veranlaßte pittoreske Fantasien, und als solche zu beurtheilen. Zu der ersten Art gehoͤrt es, wenn der Geist des Forese, dem die inbruͤnstigen Gebete seiner hinterlassenen Wittwe Nella dazu verhalfen, schneller durch die Kreise der Buͤßung hindurch zu gelangen, vor der niedergeworfnen Beterin sichtlich gen Himmel steigt. Auf einem andern Blatte treibt ein kolossalisches Gerippe, wovon nur der Kopf und eine Hand sichtbar ist, Kinder mit den unbefangensten Gebehrden durch die Luft schwimmend vor sich her; dieß sind “die “harmlosen Kleinen, die der Zahn des Todes gebissen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0228" n="218"/> in Gewaͤndern, die noch unterhalb der Fuͤße in Falten fliegen, und in welchen der schlanke Koͤrper, bis auf die Theile worin der geistige Ausdruck wohnt, das Gesicht und die entzuͤckt verbreiteten oder uͤber die Brust gefalteten Arme, fast verschwindet; so daß sie auf ein paar Blaͤttern, wo sie einen zahlreichen Kreis in lauter aͤhnlichen Stellungen schließen, die Glorie in der Mitte gleichsam wie Seufzerchen der innigsten und demuthvollsten Andacht umschweben.</p><lb/> <p>Da im Paradiso und zum Theil schon im Purgatorio zuweilen lange Stellen mit Gespraͤchen uͤber theologische Gegenstaͤnde angefuͤllt sind, so hat sich der Zeichner, der einmal das Gedicht Gesang fuͤr Gesang begleiten wollte, freyere Hand gelassen: was figuͤrlich und mystisch zu nehmen ist, sinnlich vorgestellt, oder auch wohl ein bloß episodisches Bild, eine Metapher, zum unabhaͤngigen Gegenstande ausgebildet. Seine Entwuͤrfe sind dann nicht sowohl Komposizionen der angefuͤhrten Zeilen des Dichters, als eigne durch sie veranlaßte pittoreske Fantasien, und als solche zu beurtheilen. Zu der ersten Art gehoͤrt es, wenn der Geist des Forese, dem die inbruͤnstigen Gebete seiner hinterlassenen Wittwe Nella dazu verhalfen, schneller durch die Kreise der Buͤßung hindurch zu gelangen, vor der niedergeworfnen Beterin sichtlich gen Himmel steigt. Auf einem andern Blatte treibt ein kolossalisches Gerippe, wovon nur der Kopf und eine Hand sichtbar ist, Kinder mit den unbefangensten Gebehrden durch die Luft schwimmend vor sich her; dieß sind “die “harmlosen Kleinen, die der Zahn des Todes gebissen, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [218/0228]
in Gewaͤndern, die noch unterhalb der Fuͤße in Falten fliegen, und in welchen der schlanke Koͤrper, bis auf die Theile worin der geistige Ausdruck wohnt, das Gesicht und die entzuͤckt verbreiteten oder uͤber die Brust gefalteten Arme, fast verschwindet; so daß sie auf ein paar Blaͤttern, wo sie einen zahlreichen Kreis in lauter aͤhnlichen Stellungen schließen, die Glorie in der Mitte gleichsam wie Seufzerchen der innigsten und demuthvollsten Andacht umschweben.
Da im Paradiso und zum Theil schon im Purgatorio zuweilen lange Stellen mit Gespraͤchen uͤber theologische Gegenstaͤnde angefuͤllt sind, so hat sich der Zeichner, der einmal das Gedicht Gesang fuͤr Gesang begleiten wollte, freyere Hand gelassen: was figuͤrlich und mystisch zu nehmen ist, sinnlich vorgestellt, oder auch wohl ein bloß episodisches Bild, eine Metapher, zum unabhaͤngigen Gegenstande ausgebildet. Seine Entwuͤrfe sind dann nicht sowohl Komposizionen der angefuͤhrten Zeilen des Dichters, als eigne durch sie veranlaßte pittoreske Fantasien, und als solche zu beurtheilen. Zu der ersten Art gehoͤrt es, wenn der Geist des Forese, dem die inbruͤnstigen Gebete seiner hinterlassenen Wittwe Nella dazu verhalfen, schneller durch die Kreise der Buͤßung hindurch zu gelangen, vor der niedergeworfnen Beterin sichtlich gen Himmel steigt. Auf einem andern Blatte treibt ein kolossalisches Gerippe, wovon nur der Kopf und eine Hand sichtbar ist, Kinder mit den unbefangensten Gebehrden durch die Luft schwimmend vor sich her; dieß sind “die “harmlosen Kleinen, die der Zahn des Todes gebissen,
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