Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Sachen in diesem Geschmack. Andern, z.B. den Szenen aus dem Doolin von Kininger und John, thäte man Unrecht, sie anders als mit den besseren Englischen Produkten zu vergleichen. Jm Ganzen bleibt es aber bey der einmal genommenen Wendung, und ich habe die gegründete Klage führen hören: die Gedichte würden durch begleitende Kupferstiche prosaisch; eine Gefahr, wovor freylich die sogenannten beliebten Romane gesichert sind. Aber wie mißglückt es meistens, wenn einmal die Reihe Szenen in die Taschenbücher zu liefern auch solche Dichtungen trifft, die nicht bloß den zärtlichen Herzen gelten. Was soll man dazu sagen, wenn Chodowiecky in Herrmann und Dorothea nichts als Ochsenköpfe und aufgeworfene Nasen sieht? Die Grazien einer gewissen Philine auf dem Sopha scheinen mir an einem ganz andern Ort zu Hause zu seyn, als im Wilhelm Meister; nur daß man selbst in den Winkeln einer verfeinerten großen Stadt noch mehr äußere Anständigkeit erwarten dürfte. Allein ich gestehe gern, darüber nicht kompetent zu seyn: man sollte den Prediger Jenisch befragen, der, wie bekannt, ein eignes Buch über Philinens Philinität geschrieben hat, ob er sie hier getroffen findet. Auch was die Wahl der Szenen betrifft, sieht man in diesem Fache ganz eingelernte Zeichner nicht selten im Blinden tappen. Einige glauben nicht fehl treffen zu können, wenn sie nur eine edle Handlung wählen. Schon Hagedorn, der sonst im Praktischen so einsichtsvoll ist, giebt diesen Rath, und sucht mit solchen sentimentalen Grundsätzen dem derben aber wahrhaft künstlerischen Sachen in diesem Geschmack. Andern, z.B. den Szenen aus dem Doolin von Kininger und John, thaͤte man Unrecht, sie anders als mit den besseren Englischen Produkten zu vergleichen. Jm Ganzen bleibt es aber bey der einmal genommenen Wendung, und ich habe die gegruͤndete Klage fuͤhren hoͤren: die Gedichte wuͤrden durch begleitende Kupferstiche prosaisch; eine Gefahr, wovor freylich die sogenannten beliebten Romane gesichert sind. Aber wie mißgluͤckt es meistens, wenn einmal die Reihe Szenen in die Taschenbuͤcher zu liefern auch solche Dichtungen trifft, die nicht bloß den zaͤrtlichen Herzen gelten. Was soll man dazu sagen, wenn Chodowiecky in Herrmann und Dorothea nichts als Ochsenkoͤpfe und aufgeworfene Nasen sieht? Die Grazien einer gewissen Philine auf dem Sopha scheinen mir an einem ganz andern Ort zu Hause zu seyn, als im Wilhelm Meister; nur daß man selbst in den Winkeln einer verfeinerten großen Stadt noch mehr aͤußere Anstaͤndigkeit erwarten duͤrfte. Allein ich gestehe gern, daruͤber nicht kompetent zu seyn: man sollte den Prediger Jenisch befragen, der, wie bekannt, ein eignes Buch uͤber Philinens Philinitaͤt geschrieben hat, ob er sie hier getroffen findet. Auch was die Wahl der Szenen betrifft, sieht man in diesem Fache ganz eingelernte Zeichner nicht selten im Blinden tappen. Einige glauben nicht fehl treffen zu koͤnnen, wenn sie nur eine edle Handlung waͤhlen. Schon Hagedorn, der sonst im Praktischen so einsichtsvoll ist, giebt diesen Rath, und sucht mit solchen sentimentalen Grundsaͤtzen dem derben aber wahrhaft kuͤnstlerischen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0209" n="199"/> Sachen in diesem Geschmack. Andern, z.B. den Szenen aus dem Doolin von Kininger und John, thaͤte man Unrecht, sie anders als mit den besseren Englischen Produkten zu vergleichen.</p><lb/> <p>Jm Ganzen bleibt es aber bey der einmal genommenen Wendung, und ich habe die gegruͤndete Klage fuͤhren hoͤren: die Gedichte wuͤrden durch begleitende Kupferstiche prosaisch; eine Gefahr, wovor freylich die sogenannten beliebten Romane gesichert sind. Aber wie mißgluͤckt es meistens, wenn einmal die Reihe Szenen in die Taschenbuͤcher zu liefern auch solche Dichtungen trifft, die nicht bloß den zaͤrtlichen Herzen gelten. Was soll man dazu sagen, wenn Chodowiecky in Herrmann und Dorothea nichts als Ochsenkoͤpfe und aufgeworfene Nasen sieht? Die Grazien einer gewissen Philine auf dem Sopha scheinen mir an einem ganz andern Ort zu Hause zu seyn, als im Wilhelm Meister; nur daß man selbst in den Winkeln einer verfeinerten großen Stadt noch mehr aͤußere Anstaͤndigkeit erwarten duͤrfte. Allein ich gestehe gern, daruͤber nicht kompetent zu seyn: man sollte den Prediger Jenisch befragen, der, wie bekannt, ein eignes Buch uͤber Philinens Philinitaͤt geschrieben hat, ob er sie hier getroffen findet.</p><lb/> <p>Auch was die Wahl der Szenen betrifft, sieht man in diesem Fache ganz eingelernte Zeichner nicht selten im Blinden tappen. Einige glauben nicht fehl treffen zu koͤnnen, wenn sie nur eine edle Handlung waͤhlen. Schon Hagedorn, der sonst im Praktischen so einsichtsvoll ist, giebt diesen Rath, und sucht mit solchen sentimentalen Grundsaͤtzen dem derben aber wahrhaft kuͤnstlerischen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [199/0209]
Sachen in diesem Geschmack. Andern, z.B. den Szenen aus dem Doolin von Kininger und John, thaͤte man Unrecht, sie anders als mit den besseren Englischen Produkten zu vergleichen.
Jm Ganzen bleibt es aber bey der einmal genommenen Wendung, und ich habe die gegruͤndete Klage fuͤhren hoͤren: die Gedichte wuͤrden durch begleitende Kupferstiche prosaisch; eine Gefahr, wovor freylich die sogenannten beliebten Romane gesichert sind. Aber wie mißgluͤckt es meistens, wenn einmal die Reihe Szenen in die Taschenbuͤcher zu liefern auch solche Dichtungen trifft, die nicht bloß den zaͤrtlichen Herzen gelten. Was soll man dazu sagen, wenn Chodowiecky in Herrmann und Dorothea nichts als Ochsenkoͤpfe und aufgeworfene Nasen sieht? Die Grazien einer gewissen Philine auf dem Sopha scheinen mir an einem ganz andern Ort zu Hause zu seyn, als im Wilhelm Meister; nur daß man selbst in den Winkeln einer verfeinerten großen Stadt noch mehr aͤußere Anstaͤndigkeit erwarten duͤrfte. Allein ich gestehe gern, daruͤber nicht kompetent zu seyn: man sollte den Prediger Jenisch befragen, der, wie bekannt, ein eignes Buch uͤber Philinens Philinitaͤt geschrieben hat, ob er sie hier getroffen findet.
Auch was die Wahl der Szenen betrifft, sieht man in diesem Fache ganz eingelernte Zeichner nicht selten im Blinden tappen. Einige glauben nicht fehl treffen zu koͤnnen, wenn sie nur eine edle Handlung waͤhlen. Schon Hagedorn, der sonst im Praktischen so einsichtsvoll ist, giebt diesen Rath, und sucht mit solchen sentimentalen Grundsaͤtzen dem derben aber wahrhaft kuͤnstlerischen
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