Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Nackt die Glieder geübt, eh sie der Liebe gedacht. Einfach ruhte des Doriers Säul', in Jonischer Weichheit Wand sich ihr Knauf, Korinth krönt ihn mit blättrigem Schmuck. Wann sie das Ziel erreicht, beharrten sie; Lehren der Nachwelt Spricht die gebietende Form, ob an der Urne sie sey, Ob am mächtigen Bau: im Schutt zerrissener Trümmern Stehet die Ordnung fest und der Verhältnisse Maaß. Als der gemahlten Tafel noch wenige Farben genügten, Purpur noch Jndisches Blau blüht' an der kostbaren Wand, Heiterte erst Polygnotos den alten Ernst der Gestalt auf; Lächeln verhieß, wie des Tags Röthe, Bewegung und Reiz. Zeuxis sammelte wählend die unverschleyerte Schönheit, Herrlich baut' er den Leib, aber die Seele noch schwieg. Leiseren Umriß zog Parrhasios; fliehende Gränzen Lockten das Auge sich nach um das gerundete Bild. Sinnvoll barg und verrieth noch mehr als er zeigte, Timanthes, Leid und das tiefste Gemüth rief Aristides hervor. Allzubescheidene Hand des Protogenes! immer noch weilend Am Vollendeten selbst; leichteren Schwung und Vertraun Lehrt' ihn der Mahler von Kos, dem vor den bewunderten Meistern Anmuth, jedes Bemühns Blüthe, sich eigen ergab. Nackt die Glieder geuͤbt, eh sie der Liebe gedacht. Einfach ruhte des Doriers Saͤul', in Jonischer Weichheit Wand sich ihr Knauf, Korinth kroͤnt ihn mit blaͤttrigem Schmuck. Wann sie das Ziel erreicht, beharrten sie; Lehren der Nachwelt Spricht die gebietende Form, ob an der Urne sie sey, Ob am maͤchtigen Bau: im Schutt zerrissener Truͤmmern Stehet die Ordnung fest und der Verhaͤltnisse Maaß. Als der gemahlten Tafel noch wenige Farben genuͤgten, Purpur noch Jndisches Blau bluͤht' an der kostbaren Wand, Heiterte erst Polygnotos den alten Ernst der Gestalt auf; Laͤcheln verhieß, wie des Tags Roͤthe, Bewegung und Reiz. Zeuxis sammelte waͤhlend die unverschleyerte Schoͤnheit, Herrlich baut' er den Leib, aber die Seele noch schwieg. Leiseren Umriß zog Parrhasios; fliehende Graͤnzen Lockten das Auge sich nach um das gerundete Bild. Sinnvoll barg und verrieth noch mehr als er zeigte, Timanthes, Leid und das tiefste Gemuͤth rief Aristides hervor. Allzubescheidene Hand des Protogenes! immer noch weilend Am Vollendeten selbst; leichteren Schwung und Vertraun Lehrt' ihn der Mahler von Kos, dem vor den bewunderten Meistern Anmuth, jedes Bemuͤhns Bluͤthe, sich eigen ergab. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0196" n="186"/> <l>Nackt die Glieder geuͤbt, eh sie der Liebe gedacht.</l><lb/> <l>Einfach ruhte des Doriers Saͤul', in Jonischer Weichheit</l><lb/> <l>Wand sich ihr Knauf, Korinth kroͤnt ihn mit blaͤttrigem Schmuck.</l><lb/> <l>Wann sie das Ziel erreicht, beharrten sie; Lehren der Nachwelt</l><lb/> <l>Spricht die gebietende Form, ob an der Urne sie sey,</l><lb/> <l>Ob am maͤchtigen Bau: im Schutt zerrissener Truͤmmern</l><lb/> <l>Stehet die Ordnung fest und der Verhaͤltnisse Maaß.</l><lb/> <l>Als der gemahlten Tafel noch wenige Farben genuͤgten,</l><lb/> <l>Purpur noch Jndisches Blau bluͤht' an der kostbaren Wand,</l><lb/> <l>Heiterte erst Polygnotos den alten Ernst der Gestalt auf;</l><lb/> <l>Laͤcheln verhieß, wie des Tags Roͤthe, Bewegung und Reiz.</l><lb/> <l>Zeuxis sammelte waͤhlend die unverschleyerte Schoͤnheit,</l><lb/> <l>Herrlich baut' er den Leib, aber die Seele noch schwieg.</l><lb/> <l>Leiseren Umriß zog Parrhasios; fliehende Graͤnzen</l><lb/> <l>Lockten das Auge sich nach um das gerundete Bild.</l><lb/> <l>Sinnvoll barg und verrieth noch mehr als er zeigte, Timanthes,</l><lb/> <l>Leid und das tiefste Gemuͤth rief Aristides hervor.</l><lb/> <l>Allzubescheidene Hand des Protogenes! immer noch weilend</l><lb/> <l>Am Vollendeten selbst; leichteren Schwung und Vertraun</l><lb/> <l>Lehrt' ihn der Mahler von Kos, dem vor den bewunderten Meistern</l><lb/> <l>Anmuth, jedes Bemuͤhns Bluͤthe, sich eigen ergab.</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [186/0196]
Nackt die Glieder geuͤbt, eh sie der Liebe gedacht.
Einfach ruhte des Doriers Saͤul', in Jonischer Weichheit
Wand sich ihr Knauf, Korinth kroͤnt ihn mit blaͤttrigem Schmuck.
Wann sie das Ziel erreicht, beharrten sie; Lehren der Nachwelt
Spricht die gebietende Form, ob an der Urne sie sey,
Ob am maͤchtigen Bau: im Schutt zerrissener Truͤmmern
Stehet die Ordnung fest und der Verhaͤltnisse Maaß.
Als der gemahlten Tafel noch wenige Farben genuͤgten,
Purpur noch Jndisches Blau bluͤht' an der kostbaren Wand,
Heiterte erst Polygnotos den alten Ernst der Gestalt auf;
Laͤcheln verhieß, wie des Tags Roͤthe, Bewegung und Reiz.
Zeuxis sammelte waͤhlend die unverschleyerte Schoͤnheit,
Herrlich baut' er den Leib, aber die Seele noch schwieg.
Leiseren Umriß zog Parrhasios; fliehende Graͤnzen
Lockten das Auge sich nach um das gerundete Bild.
Sinnvoll barg und verrieth noch mehr als er zeigte, Timanthes,
Leid und das tiefste Gemuͤth rief Aristides hervor.
Allzubescheidene Hand des Protogenes! immer noch weilend
Am Vollendeten selbst; leichteren Schwung und Vertraun
Lehrt' ihn der Mahler von Kos, dem vor den bewunderten Meistern
Anmuth, jedes Bemuͤhns Bluͤthe, sich eigen ergab.
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