Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Louise. O ja! Sie enthält alles, was den Mahler angeht, und was ich übergehen mußte, weil ich es nicht verstehe, und weil grade dabey Worte ohne den Anblick nicht helfen. Jch habe Jhnen also nicht genug gesagt? Reinhold. Jch wollte Jhnen nur bemerklich machen, daß das nicht artistische Schildern von Gemählden doch in so fern einseitig wird, als es immer hauptsächlich vom Ausdrucke ausgeht und ausgehen muß. Louise. Freylich muß ich mich an den innern Menschen wenden, wenn ich seine Einbildungskraft interessiren will, ein noch nicht gesehenes Kunstwerk in sich zu erschaffen. Was schadet es auch? Jch kann das Mittel doch nicht wieder zum Zweck machen wollen. Bey einem ächten Kunstwerke kann ich es mir nicht anders denken, als daß die ganze Darstellung nach ihrem Hauptgegenstande bestimmt wird, daß also Farbengebung und Helldunkel durch innige Beziehungen mit der Handlung, dem Charakter der Zeichnung und dem Ausdrucke zusammenhängt. Und vielleicht war nie ein Künstler harmonischer als Correggio. Reinhold. Sie glauben also, was er nur durch die mühsamste Behandlung erreichte, indem er die Kupfertafel immer von neuem überdeckte, und dann die Unebenheiten wieder abschliff, daß die Farben so kunstlos hingegossen scheinen, wie die Magdalena selbst: dies habe Correggio als Mittel des wahrsten Ausdrucks gesucht? Louise. O ja! Sie enthaͤlt alles, was den Mahler angeht, und was ich uͤbergehen mußte, weil ich es nicht verstehe, und weil grade dabey Worte ohne den Anblick nicht helfen. Jch habe Jhnen also nicht genug gesagt? Reinhold. Jch wollte Jhnen nur bemerklich machen, daß das nicht artistische Schildern von Gemaͤhlden doch in so fern einseitig wird, als es immer hauptsaͤchlich vom Ausdrucke ausgeht und ausgehen muß. Louise. Freylich muß ich mich an den innern Menschen wenden, wenn ich seine Einbildungskraft interessiren will, ein noch nicht gesehenes Kunstwerk in sich zu erschaffen. Was schadet es auch? Jch kann das Mittel doch nicht wieder zum Zweck machen wollen. Bey einem aͤchten Kunstwerke kann ich es mir nicht anders denken, als daß die ganze Darstellung nach ihrem Hauptgegenstande bestimmt wird, daß also Farbengebung und Helldunkel durch innige Beziehungen mit der Handlung, dem Charakter der Zeichnung und dem Ausdrucke zusammenhaͤngt. Und vielleicht war nie ein Kuͤnstler harmonischer als Correggio. Reinhold. Sie glauben also, was er nur durch die muͤhsamste Behandlung erreichte, indem er die Kupfertafel immer von neuem uͤberdeckte, und dann die Unebenheiten wieder abschliff, daß die Farben so kunstlos hingegossen scheinen, wie die Magdalena selbst: dies habe Correggio als Mittel des wahrsten Ausdrucks gesucht? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0102" n="94"/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. O ja! Sie enthaͤlt alles, was den Mahler angeht, und was ich uͤbergehen mußte, weil ich es nicht verstehe, und weil grade dabey Worte ohne den Anblick nicht helfen. Jch habe Jhnen also nicht genug gesagt?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Jch wollte Jhnen nur bemerklich machen, daß das nicht artistische Schildern von Gemaͤhlden doch in so fern einseitig wird, als es immer hauptsaͤchlich vom Ausdrucke ausgeht und ausgehen muß.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Freylich muß ich mich an den innern Menschen wenden, wenn ich seine Einbildungskraft interessiren will, ein noch nicht gesehenes Kunstwerk in sich zu erschaffen. Was schadet es auch? Jch kann das Mittel doch nicht wieder zum Zweck machen wollen. Bey einem aͤchten Kunstwerke kann ich es mir nicht anders denken, als daß die ganze Darstellung nach ihrem Hauptgegenstande bestimmt wird, daß also Farbengebung und Helldunkel durch innige Beziehungen mit der Handlung, dem Charakter der Zeichnung und dem Ausdrucke zusammenhaͤngt. Und vielleicht war nie ein Kuͤnstler harmonischer als Correggio.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Sie glauben also, was er nur durch die muͤhsamste Behandlung erreichte, indem er die Kupfertafel immer von neuem uͤberdeckte, und dann die Unebenheiten wieder abschliff, daß die Farben so kunstlos hingegossen scheinen, wie die Magdalena selbst: dies habe Correggio als Mittel des wahrsten Ausdrucks gesucht?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0102]
Louise. O ja! Sie enthaͤlt alles, was den Mahler angeht, und was ich uͤbergehen mußte, weil ich es nicht verstehe, und weil grade dabey Worte ohne den Anblick nicht helfen. Jch habe Jhnen also nicht genug gesagt?
Reinhold. Jch wollte Jhnen nur bemerklich machen, daß das nicht artistische Schildern von Gemaͤhlden doch in so fern einseitig wird, als es immer hauptsaͤchlich vom Ausdrucke ausgeht und ausgehen muß.
Louise. Freylich muß ich mich an den innern Menschen wenden, wenn ich seine Einbildungskraft interessiren will, ein noch nicht gesehenes Kunstwerk in sich zu erschaffen. Was schadet es auch? Jch kann das Mittel doch nicht wieder zum Zweck machen wollen. Bey einem aͤchten Kunstwerke kann ich es mir nicht anders denken, als daß die ganze Darstellung nach ihrem Hauptgegenstande bestimmt wird, daß also Farbengebung und Helldunkel durch innige Beziehungen mit der Handlung, dem Charakter der Zeichnung und dem Ausdrucke zusammenhaͤngt. Und vielleicht war nie ein Kuͤnstler harmonischer als Correggio.
Reinhold. Sie glauben also, was er nur durch die muͤhsamste Behandlung erreichte, indem er die Kupfertafel immer von neuem uͤberdeckte, und dann die Unebenheiten wieder abschliff, daß die Farben so kunstlos hingegossen scheinen, wie die Magdalena selbst: dies habe Correggio als Mittel des wahrsten Ausdrucks gesucht?
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/102>, abgerufen am 16.02.2025. |