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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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Die Bekenntnisse der schönen Seele überraschen im Gegentheil durch ihre unbefangene Einzelheit scheinbare Beziehungslosigkeit auf das Ganze und in den früheren Theilen des Romans beispiellose Willkührlichkeit der Verflechtung mit dem Ganzen, oder vielmehr der Aufnahme in dasselbe. Genauer erwogen aber dürfte Wilhelm auch wohl vor seiner Verheirathung nicht ohne alle Verwandtschaft mit der Tante seyn, wie ihre Bekenntnisse mit dem ganzen Buch. Es sind doch auch Lehrjahre, in denen nichts gelernt wird, als zu existiren, nach seinen besondern Grundsätzen oder seiner unabänderlichen Natur zu leben; und wenn Wilhelm uns nur durch die Fähigkeit, sich für alles zu interessiren, interessant bleibt, so darf auch die Tante durch die Art, wie sie sich für sich selbst interessirt, Ansprüche darauf machen, ihr Gefühl mitzutheilen. Ja sie lebt im Grunde auch theatralisch; nur mit dem Unterschiede, daß sie die sämmtlichen Rollen vereinigt, die in dem gräflichen Schlosse, wo alle agirten und Komödie mit sich spielten, unter viele Figuren vertheilt waren, und daß ihr Jnnres die Bühne bildet, auf der sie Schauspieler und Zuschauer zugleich ist und auch noch die Jntriguen in der Coulisse besorgt. Sie steht beständig vor dem Spiegel des Gewissens, und ist beschäftigt, ihr Gemüth zu putzen und zu schmücken. Überhaupt ist in ihr das äußerste Maß der Jnnerlichkeit erreicht, wie es doch auch geschehen mußte, da das Werk von Anfang an einen so entschiednen Hang offenbarte, das Jnnre und das Aeußre scharf zu trennen und

Die Bekenntnisse der schoͤnen Seele uͤberraschen im Gegentheil durch ihre unbefangene Einzelheit scheinbare Beziehungslosigkeit auf das Ganze und in den fruͤheren Theilen des Romans beispiellose Willkuͤhrlichkeit der Verflechtung mit dem Ganzen, oder vielmehr der Aufnahme in dasselbe. Genauer erwogen aber duͤrfte Wilhelm auch wohl vor seiner Verheirathung nicht ohne alle Verwandtschaft mit der Tante seyn, wie ihre Bekenntnisse mit dem ganzen Buch. Es sind doch auch Lehrjahre, in denen nichts gelernt wird, als zu existiren, nach seinen besondern Grundsaͤtzen oder seiner unabaͤnderlichen Natur zu leben; und wenn Wilhelm uns nur durch die Faͤhigkeit, sich fuͤr alles zu interessiren, interessant bleibt, so darf auch die Tante durch die Art, wie sie sich fuͤr sich selbst interessirt, Anspruͤche darauf machen, ihr Gefuͤhl mitzutheilen. Ja sie lebt im Grunde auch theatralisch; nur mit dem Unterschiede, daß sie die saͤmmtlichen Rollen vereinigt, die in dem graͤflichen Schlosse, wo alle agirten und Komoͤdie mit sich spielten, unter viele Figuren vertheilt waren, und daß ihr Jnnres die Buͤhne bildet, auf der sie Schauspieler und Zuschauer zugleich ist und auch noch die Jntriguen in der Coulisse besorgt. Sie steht bestaͤndig vor dem Spiegel des Gewissens, und ist beschaͤftigt, ihr Gemuͤth zu putzen und zu schmuͤcken. Überhaupt ist in ihr das aͤußerste Maß der Jnnerlichkeit erreicht, wie es doch auch geschehen mußte, da das Werk von Anfang an einen so entschiednen Hang offenbarte, das Jnnre und das Aeußre scharf zu trennen und

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[171/0360] Die Bekenntnisse der schoͤnen Seele uͤberraschen im Gegentheil durch ihre unbefangene Einzelheit scheinbare Beziehungslosigkeit auf das Ganze und in den fruͤheren Theilen des Romans beispiellose Willkuͤhrlichkeit der Verflechtung mit dem Ganzen, oder vielmehr der Aufnahme in dasselbe. Genauer erwogen aber duͤrfte Wilhelm auch wohl vor seiner Verheirathung nicht ohne alle Verwandtschaft mit der Tante seyn, wie ihre Bekenntnisse mit dem ganzen Buch. Es sind doch auch Lehrjahre, in denen nichts gelernt wird, als zu existiren, nach seinen besondern Grundsaͤtzen oder seiner unabaͤnderlichen Natur zu leben; und wenn Wilhelm uns nur durch die Faͤhigkeit, sich fuͤr alles zu interessiren, interessant bleibt, so darf auch die Tante durch die Art, wie sie sich fuͤr sich selbst interessirt, Anspruͤche darauf machen, ihr Gefuͤhl mitzutheilen. Ja sie lebt im Grunde auch theatralisch; nur mit dem Unterschiede, daß sie die saͤmmtlichen Rollen vereinigt, die in dem graͤflichen Schlosse, wo alle agirten und Komoͤdie mit sich spielten, unter viele Figuren vertheilt waren, und daß ihr Jnnres die Buͤhne bildet, auf der sie Schauspieler und Zuschauer zugleich ist und auch noch die Jntriguen in der Coulisse besorgt. Sie steht bestaͤndig vor dem Spiegel des Gewissens, und ist beschaͤftigt, ihr Gemuͤth zu putzen und zu schmuͤcken. Überhaupt ist in ihr das aͤußerste Maß der Jnnerlichkeit erreicht, wie es doch auch geschehen mußte, da das Werk von Anfang an einen so entschiednen Hang offenbarte, das Jnnre und das Aeußre scharf zu trennen und

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/360>, abgerufen am 24.11.2024.