Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.aber ist ängstlich und kindisch verlegen, und diese nur scheinbare Offenheit kümmert sich nicht, ob Jemand da ist und wer, sondern strömt ihren Stoff aus ins Weite und nach allen Richtungen wie eine elektrische Spitze. Eine andre langweilige Offenheit, der mehr mit Hörern gedient ist, ist die der Enthusiasten die aus reinem Eifer für das Reich Gottes sich selbst vortragen, erläutern und übersetzen, weil sie glauben Normal-Seelen zu seyn, an denen alles lehrreich und erbaulich ist. Heinrich Stilling mag leicht der vollkommenste unter diesen seyn; und wie ist er nun ganz herunter? Mit dem was wir nur haben, können wir uns ohne so große Gefahr viel freygebiger zeigen. Erfahrungen und Erkenntnisse deren Erwerbung an lokalen und temporellen Verhältnissen abhängt, darf keiner nur für sich haben wollen; sie müßen für jeden rechtlichen Mann immer bereit liegen. Es giebt freylich eine nicht eben beneidenswerthe Art, auch Meinungen, Gefühle und Grundsätze nur so zu haben, und mit wem es so steht, der hat natürlich für seine unbedeutende Offenheit einen weit größern Spielraum. Dagegen sind diejenigen sehr übel daran, bey denen Eigenthümlichkeit des Sinnes und Karakters überall ins Spiel kommt. Jhnen muß man erlauben, auch mit dem was andren nur lose anzuhängen pflegt zurückhaltender zu seyn, bis vollendete Kenntniß ihrer selbst und der andern ihnen den sichern Takt giebt, die Sache, worauf es den Leuten allein ankommt von ihrer individuellen Ansicht durchaus zu trennen und zu jedem Stoff, die ihnen fremde, Jenen aber so erwünschte aber ist aͤngstlich und kindisch verlegen, und diese nur scheinbare Offenheit kuͤmmert sich nicht, ob Jemand da ist und wer, sondern stroͤmt ihren Stoff aus ins Weite und nach allen Richtungen wie eine elektrische Spitze. Eine andre langweilige Offenheit, der mehr mit Hoͤrern gedient ist, ist die der Enthusiasten die aus reinem Eifer fuͤr das Reich Gottes sich selbst vortragen, erlaͤutern und uͤbersetzen, weil sie glauben Normal-Seelen zu seyn, an denen alles lehrreich und erbaulich ist. Heinrich Stilling mag leicht der vollkommenste unter diesen seyn; und wie ist er nun ganz herunter? Mit dem was wir nur haben, koͤnnen wir uns ohne so große Gefahr viel freygebiger zeigen. Erfahrungen und Erkenntnisse deren Erwerbung an lokalen und temporellen Verhaͤltnissen abhaͤngt, darf keiner nur fuͤr sich haben wollen; sie muͤßen fuͤr jeden rechtlichen Mann immer bereit liegen. Es giebt freylich eine nicht eben beneidenswerthe Art, auch Meinungen, Gefuͤhle und Grundsaͤtze nur so zu haben, und mit wem es so steht, der hat natuͤrlich fuͤr seine unbedeutende Offenheit einen weit groͤßern Spielraum. Dagegen sind diejenigen sehr uͤbel daran, bey denen Eigenthuͤmlichkeit des Sinnes und Karakters uͤberall ins Spiel kommt. Jhnen muß man erlauben, auch mit dem was andren nur lose anzuhaͤngen pflegt zuruͤckhaltender zu seyn, bis vollendete Kenntniß ihrer selbst und der andern ihnen den sichern Takt giebt, die Sache, worauf es den Leuten allein ankommt von ihrer individuellen Ansicht durchaus zu trennen und zu jedem Stoff, die ihnen fremde, Jenen aber so erwuͤnschte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0287" n="98"/> aber ist aͤngstlich und kindisch verlegen, und diese nur scheinbare Offenheit kuͤmmert sich nicht, ob Jemand da ist und wer, sondern stroͤmt ihren Stoff aus ins Weite und nach allen Richtungen wie eine elektrische Spitze. Eine andre langweilige Offenheit, der mehr mit Hoͤrern gedient ist, ist die der Enthusiasten die aus reinem Eifer fuͤr das Reich Gottes sich selbst vortragen, erlaͤutern und uͤbersetzen, weil sie glauben Normal-Seelen zu seyn, an denen alles lehrreich und erbaulich ist. Heinrich Stilling mag leicht der vollkommenste unter diesen seyn; und wie ist er nun ganz herunter? Mit dem was wir nur haben, koͤnnen wir uns ohne so große Gefahr viel freygebiger zeigen. Erfahrungen und Erkenntnisse deren Erwerbung an lokalen und temporellen Verhaͤltnissen abhaͤngt, darf keiner nur fuͤr sich haben wollen; sie muͤßen fuͤr jeden rechtlichen Mann immer bereit liegen. Es giebt freylich eine nicht eben beneidenswerthe Art, auch Meinungen, Gefuͤhle und Grundsaͤtze nur so zu haben, und mit wem es so steht, der hat natuͤrlich fuͤr seine unbedeutende Offenheit einen weit groͤßern Spielraum. Dagegen sind diejenigen sehr uͤbel daran, bey denen Eigenthuͤmlichkeit des Sinnes und Karakters uͤberall ins Spiel kommt. Jhnen muß man erlauben, auch mit dem was andren nur lose anzuhaͤngen pflegt zuruͤckhaltender zu seyn, bis vollendete Kenntniß ihrer selbst und der andern ihnen den sichern Takt giebt, die Sache, worauf es den Leuten allein ankommt von ihrer individuellen Ansicht durchaus zu trennen und zu jedem Stoff, die ihnen fremde, Jenen aber so erwuͤnschte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0287]
aber ist aͤngstlich und kindisch verlegen, und diese nur scheinbare Offenheit kuͤmmert sich nicht, ob Jemand da ist und wer, sondern stroͤmt ihren Stoff aus ins Weite und nach allen Richtungen wie eine elektrische Spitze. Eine andre langweilige Offenheit, der mehr mit Hoͤrern gedient ist, ist die der Enthusiasten die aus reinem Eifer fuͤr das Reich Gottes sich selbst vortragen, erlaͤutern und uͤbersetzen, weil sie glauben Normal-Seelen zu seyn, an denen alles lehrreich und erbaulich ist. Heinrich Stilling mag leicht der vollkommenste unter diesen seyn; und wie ist er nun ganz herunter? Mit dem was wir nur haben, koͤnnen wir uns ohne so große Gefahr viel freygebiger zeigen. Erfahrungen und Erkenntnisse deren Erwerbung an lokalen und temporellen Verhaͤltnissen abhaͤngt, darf keiner nur fuͤr sich haben wollen; sie muͤßen fuͤr jeden rechtlichen Mann immer bereit liegen. Es giebt freylich eine nicht eben beneidenswerthe Art, auch Meinungen, Gefuͤhle und Grundsaͤtze nur so zu haben, und mit wem es so steht, der hat natuͤrlich fuͤr seine unbedeutende Offenheit einen weit groͤßern Spielraum. Dagegen sind diejenigen sehr uͤbel daran, bey denen Eigenthuͤmlichkeit des Sinnes und Karakters uͤberall ins Spiel kommt. Jhnen muß man erlauben, auch mit dem was andren nur lose anzuhaͤngen pflegt zuruͤckhaltender zu seyn, bis vollendete Kenntniß ihrer selbst und der andern ihnen den sichern Takt giebt, die Sache, worauf es den Leuten allein ankommt von ihrer individuellen Ansicht durchaus zu trennen und zu jedem Stoff, die ihnen fremde, Jenen aber so erwuͤnschte
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