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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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Die zarte Weiblichkeit in Gedanken und Dichtungen, die auf den Bildern der Angelika Kaufmann anzieht, hat sich bey den Figuren mitunter auf eine unerlaubte Art eingeschlichen: ihren Jünglingen sieht es aus den Augen, daß sie gar zu gern einen Mädchenbusen hätten, und wo möglich auch solche Hüften. Vielleicht waren sich die Griechischen Mahlerinnen dieser Gränze oder Klippe ihres Talentes bewußt. Unter den wenigen, die Plinius nennt, führt er von der Timarete, Jrene und Lala nur weibliche Figuren an.



Da man jetzt überall moralische Nutzanwendungen verlangt, so wird man auch die Nützlichkeit der Porträtmahlerey durch eine Beziehung auf häusliches Glück darthun müssen. Mancher, der sich an seiner Frau ein wenig müde gesehen, findet seine ersten Regungen vor den reineren Zügen ihres Bildnisses wieder.



Der Ursprung der Griechischen Elegie, sagt man, liege in der lydischen Doppelflöte. Sollte er nicht nächstdem auch in der menschlichen Natur zu suchen seyn?



Für Empiriker, die sich auch bis zum Streben nach Gründlichkeit und bis zum Glauben an einen großen Mann erheben können, wird die Fichtische Wissenschaftslehre doch nie mehr seyn als das dritte Heft von dem philosophischen Journal, die Konstituzion.



Die zarte Weiblichkeit in Gedanken und Dichtungen, die auf den Bildern der Angelika Kaufmann anzieht, hat sich bey den Figuren mitunter auf eine unerlaubte Art eingeschlichen: ihren Juͤnglingen sieht es aus den Augen, daß sie gar zu gern einen Maͤdchenbusen haͤtten, und wo moͤglich auch solche Huͤften. Vielleicht waren sich die Griechischen Mahlerinnen dieser Graͤnze oder Klippe ihres Talentes bewußt. Unter den wenigen, die Plinius nennt, fuͤhrt er von der Timarete, Jrene und Lala nur weibliche Figuren an.



Da man jetzt uͤberall moralische Nutzanwendungen verlangt, so wird man auch die Nuͤtzlichkeit der Portraͤtmahlerey durch eine Beziehung auf haͤusliches Gluͤck darthun muͤssen. Mancher, der sich an seiner Frau ein wenig muͤde gesehen, findet seine ersten Regungen vor den reineren Zuͤgen ihres Bildnisses wieder.



Der Ursprung der Griechischen Elegie, sagt man, liege in der lydischen Doppelfloͤte. Sollte er nicht naͤchstdem auch in der menschlichen Natur zu suchen seyn?



Fuͤr Empiriker, die sich auch bis zum Streben nach Gruͤndlichkeit und bis zum Glauben an einen großen Mann erheben koͤnnen, wird die Fichtische Wissenschaftslehre doch nie mehr seyn als das dritte Heft von dem philosophischen Journal, die Konstituzion.



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[88/0277] Die zarte Weiblichkeit in Gedanken und Dichtungen, die auf den Bildern der Angelika Kaufmann anzieht, hat sich bey den Figuren mitunter auf eine unerlaubte Art eingeschlichen: ihren Juͤnglingen sieht es aus den Augen, daß sie gar zu gern einen Maͤdchenbusen haͤtten, und wo moͤglich auch solche Huͤften. Vielleicht waren sich die Griechischen Mahlerinnen dieser Graͤnze oder Klippe ihres Talentes bewußt. Unter den wenigen, die Plinius nennt, fuͤhrt er von der Timarete, Jrene und Lala nur weibliche Figuren an. Da man jetzt uͤberall moralische Nutzanwendungen verlangt, so wird man auch die Nuͤtzlichkeit der Portraͤtmahlerey durch eine Beziehung auf haͤusliches Gluͤck darthun muͤssen. Mancher, der sich an seiner Frau ein wenig muͤde gesehen, findet seine ersten Regungen vor den reineren Zuͤgen ihres Bildnisses wieder. Der Ursprung der Griechischen Elegie, sagt man, liege in der lydischen Doppelfloͤte. Sollte er nicht naͤchstdem auch in der menschlichen Natur zu suchen seyn? Fuͤr Empiriker, die sich auch bis zum Streben nach Gruͤndlichkeit und bis zum Glauben an einen großen Mann erheben koͤnnen, wird die Fichtische Wissenschaftslehre doch nie mehr seyn als das dritte Heft von dem philosophischen Journal, die Konstituzion.

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/277>, abgerufen am 01.06.2024.