Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Fülle, die auch die unerklärlichern Züge der charakterisirten Jndividuen wieder giebt; das sind die wesentlichen Eigenschaften des historischen Styls. Die wesentlichste von allen ist Adel, Pracht, Würde. Vornehm wird der historische Styl durch die Gleichartigkeit und Reinheit einheimischer Worte von ächtem Stamm, und durch Auswahl der bedeutendsten, gewichtigsten und kostbarsten; durch groß gezeichneten, und deutlich, lieber zu hart als unklar, artikulirten Periodenbau, wie der des Thucydides; durch nackte Gediegenheit, erhabene Eil und großartige Fröhlichkeit der Stimmung und Farbe, nach Art des Caesar; besonders aber durch jene innige und hohe Bildung eines Tacitus, welche die trocknen Fakta der reinen Empirie so poetisiren, urbanisiren und zur Philosophie erheben läutern und generalisiren muß, als sey sie von Einem der zugleich ein vollendeter Denker, Künstler, und Held wäre, aufgefaßt, und vielfach durchgearbeitet, ohne daß doch irgendwo rohe Poesie, reine Philosophie oder isolirter Witz die Harmonie störte. Das alles muß in der Historie verschmolzen seyn, wie auch die Bilder und Antithesen nur angedeutet oder wieder aufgelöst seyn müßen, damit der schwebende und fließende Ausdruck dem lebendigen Werden der beweglichen Gestalten entspreche. Man wundert sich immer mißtrauisch, wenn man zu wissen scheint: das und das wird so seyn. Und doch ist es grade eben so wunderbar, daß wir wissen können: das und das ist so; was niemanden auffällt weil es immer geschieht. Fuͤlle, die auch die unerklaͤrlichern Zuͤge der charakterisirten Jndividuen wieder giebt; das sind die wesentlichen Eigenschaften des historischen Styls. Die wesentlichste von allen ist Adel, Pracht, Wuͤrde. Vornehm wird der historische Styl durch die Gleichartigkeit und Reinheit einheimischer Worte von aͤchtem Stamm, und durch Auswahl der bedeutendsten, gewichtigsten und kostbarsten; durch groß gezeichneten, und deutlich, lieber zu hart als unklar, artikulirten Periodenbau, wie der des Thucydides; durch nackte Gediegenheit, erhabene Eil und großartige Froͤhlichkeit der Stimmung und Farbe, nach Art des Caesar; besonders aber durch jene innige und hohe Bildung eines Tacitus, welche die trocknen Fakta der reinen Empirie so poetisiren, urbanisiren und zur Philosophie erheben laͤutern und generalisiren muß, als sey sie von Einem der zugleich ein vollendeter Denker, Kuͤnstler, und Held waͤre, aufgefaßt, und vielfach durchgearbeitet, ohne daß doch irgendwo rohe Poesie, reine Philosophie oder isolirter Witz die Harmonie stoͤrte. Das alles muß in der Historie verschmolzen seyn, wie auch die Bilder und Antithesen nur angedeutet oder wieder aufgeloͤst seyn muͤßen, damit der schwebende und fließende Ausdruck dem lebendigen Werden der beweglichen Gestalten entspreche. Man wundert sich immer mißtrauisch, wenn man zu wissen scheint: das und das wird so seyn. Und doch ist es grade eben so wunderbar, daß wir wissen koͤnnen: das und das ist so; was niemanden auffaͤllt weil es immer geschieht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0246" n="57"/> Fuͤlle, die auch die unerklaͤrlichern Zuͤge der charakterisirten Jndividuen wieder giebt; das sind die wesentlichen Eigenschaften des historischen Styls. Die wesentlichste von allen ist Adel, Pracht, Wuͤrde. Vornehm wird der historische Styl durch die Gleichartigkeit und Reinheit einheimischer Worte von aͤchtem Stamm, und durch Auswahl der bedeutendsten, gewichtigsten und kostbarsten; durch groß gezeichneten, und deutlich, lieber zu hart als unklar, artikulirten Periodenbau, wie der des Thucydides; durch nackte Gediegenheit, erhabene Eil und großartige Froͤhlichkeit der Stimmung und Farbe, nach Art des Caesar; besonders aber durch jene innige und hohe Bildung eines Tacitus, welche die trocknen Fakta der reinen Empirie so poetisiren, urbanisiren und zur Philosophie erheben laͤutern und generalisiren muß, als sey sie von Einem der zugleich ein vollendeter Denker, Kuͤnstler, und Held waͤre, aufgefaßt, und vielfach durchgearbeitet, ohne daß doch irgendwo rohe Poesie, reine Philosophie oder isolirter Witz die Harmonie stoͤrte. Das alles muß in der Historie verschmolzen seyn, wie auch die Bilder und Antithesen nur angedeutet oder wieder aufgeloͤst seyn muͤßen, damit der schwebende und fließende Ausdruck dem lebendigen Werden der beweglichen Gestalten entspreche.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Man wundert sich immer mißtrauisch, wenn man zu wissen scheint: das und das wird so seyn. Und doch ist es grade eben so wunderbar, daß wir wissen koͤnnen: das und das ist so; was niemanden auffaͤllt weil es immer geschieht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [57/0246]
Fuͤlle, die auch die unerklaͤrlichern Zuͤge der charakterisirten Jndividuen wieder giebt; das sind die wesentlichen Eigenschaften des historischen Styls. Die wesentlichste von allen ist Adel, Pracht, Wuͤrde. Vornehm wird der historische Styl durch die Gleichartigkeit und Reinheit einheimischer Worte von aͤchtem Stamm, und durch Auswahl der bedeutendsten, gewichtigsten und kostbarsten; durch groß gezeichneten, und deutlich, lieber zu hart als unklar, artikulirten Periodenbau, wie der des Thucydides; durch nackte Gediegenheit, erhabene Eil und großartige Froͤhlichkeit der Stimmung und Farbe, nach Art des Caesar; besonders aber durch jene innige und hohe Bildung eines Tacitus, welche die trocknen Fakta der reinen Empirie so poetisiren, urbanisiren und zur Philosophie erheben laͤutern und generalisiren muß, als sey sie von Einem der zugleich ein vollendeter Denker, Kuͤnstler, und Held waͤre, aufgefaßt, und vielfach durchgearbeitet, ohne daß doch irgendwo rohe Poesie, reine Philosophie oder isolirter Witz die Harmonie stoͤrte. Das alles muß in der Historie verschmolzen seyn, wie auch die Bilder und Antithesen nur angedeutet oder wieder aufgeloͤst seyn muͤßen, damit der schwebende und fließende Ausdruck dem lebendigen Werden der beweglichen Gestalten entspreche.
Man wundert sich immer mißtrauisch, wenn man zu wissen scheint: das und das wird so seyn. Und doch ist es grade eben so wunderbar, daß wir wissen koͤnnen: das und das ist so; was niemanden auffaͤllt weil es immer geschieht.
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