Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.so äußerst wenige Sinn für repräsentativen Werth. Was auch für sich gar nichts ist, wird doch Beytrag zur Charakteristik irgend einer Gattung seyn, und in dieser Rücksicht könnte man sagen: Niemand sey uninteressant. Die Demonstrazionen der Philosophie sind eben Demonstrazionen im Sinne der militärischen Kunstsprache. Mit den Dedukzionen steht es auch nicht besser wie mit den politischen; auch in den Wissenschaften besetzt man erst ein Terrain, und beweist dann hinterdrein sein Recht daran. Auf die Definizionen läßt sich anwenden, was Chamfort von den Freunden sagte, die man so in der Welt hat. Es giebt drey Arten von Erklärungen in der Wissenschaft: Erklärungen, die uns ein Licht oder einen Wink geben; Erklärungen, die nichts erklären; und Erklärungen, die alles verdunkeln. Die rechten Definizionen lassen sich gar nicht aus dem Stegreife machen, sondern müßen einem von selbst kommen; eine Definizion die nicht witzig ist, taugt nichts, und von jedem Jndividium giebt es doch unendlich viele reale Definizionen. Die nothwendigen Förmlichkeiten der Kunstphilosophie arten aus in Etikette und Luxus. Als Legitimazion und Probe der Virtuosität haben sie ihren Zweck und Werth, wie die Bravourarien der Sänger, und das Lateinschreiben der Philologen. Auch machen sie nicht wenig rhetorischen Effekt. Die Hauptsache aber bleibt doch immer, daß man etwas weiß, und daß man es sagt. Es beweisen oder gar erklären so aͤußerst wenige Sinn fuͤr repraͤsentativen Werth. Was auch fuͤr sich gar nichts ist, wird doch Beytrag zur Charakteristik irgend einer Gattung seyn, und in dieser Ruͤcksicht koͤnnte man sagen: Niemand sey uninteressant. Die Demonstrazionen der Philosophie sind eben Demonstrazionen im Sinne der militaͤrischen Kunstsprache. Mit den Dedukzionen steht es auch nicht besser wie mit den politischen; auch in den Wissenschaften besetzt man erst ein Terrain, und beweist dann hinterdrein sein Recht daran. Auf die Definizionen laͤßt sich anwenden, was Chamfort von den Freunden sagte, die man so in der Welt hat. Es giebt drey Arten von Erklaͤrungen in der Wissenschaft: Erklaͤrungen, die uns ein Licht oder einen Wink geben; Erklaͤrungen, die nichts erklaͤren; und Erklaͤrungen, die alles verdunkeln. Die rechten Definizionen lassen sich gar nicht aus dem Stegreife machen, sondern muͤßen einem von selbst kommen; eine Definizion die nicht witzig ist, taugt nichts, und von jedem Jndividium giebt es doch unendlich viele reale Definizionen. Die nothwendigen Foͤrmlichkeiten der Kunstphilosophie arten aus in Etikette und Luxus. Als Legitimazion und Probe der Virtuositaͤt haben sie ihren Zweck und Werth, wie die Bravourarien der Saͤnger, und das Lateinschreiben der Philologen. Auch machen sie nicht wenig rhetorischen Effekt. Die Hauptsache aber bleibt doch immer, daß man etwas weiß, und daß man es sagt. Es beweisen oder gar erklaͤren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0210" n="21"/> so aͤußerst wenige Sinn fuͤr repraͤsentativen Werth. Was auch fuͤr sich gar nichts ist, wird doch Beytrag zur Charakteristik irgend einer Gattung seyn, und in dieser Ruͤcksicht koͤnnte man sagen: Niemand sey uninteressant.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die Demonstrazionen der Philosophie sind eben Demonstrazionen im Sinne der militaͤrischen Kunstsprache. Mit den Dedukzionen steht es auch nicht besser wie mit den politischen; auch in den Wissenschaften besetzt man erst ein Terrain, und beweist dann hinterdrein sein Recht daran. Auf die Definizionen laͤßt sich anwenden, was Chamfort von den Freunden sagte, die man so in der Welt hat. Es giebt drey Arten von Erklaͤrungen in der Wissenschaft: Erklaͤrungen, die uns ein Licht oder einen Wink geben; Erklaͤrungen, die nichts erklaͤren; und Erklaͤrungen, die alles verdunkeln. Die rechten Definizionen lassen sich gar nicht aus dem Stegreife machen, sondern muͤßen einem von selbst kommen; eine Definizion die nicht witzig ist, taugt nichts, und von jedem Jndividium giebt es doch unendlich viele reale Definizionen. Die nothwendigen Foͤrmlichkeiten der Kunstphilosophie arten aus in Etikette und Luxus. Als Legitimazion und Probe der Virtuositaͤt haben sie ihren Zweck und Werth, wie die Bravourarien der Saͤnger, und das Lateinschreiben der Philologen. Auch machen sie nicht wenig rhetorischen Effekt. Die Hauptsache aber bleibt doch immer, daß man etwas weiß, und daß man es sagt. Es beweisen oder gar erklaͤren<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0210]
so aͤußerst wenige Sinn fuͤr repraͤsentativen Werth. Was auch fuͤr sich gar nichts ist, wird doch Beytrag zur Charakteristik irgend einer Gattung seyn, und in dieser Ruͤcksicht koͤnnte man sagen: Niemand sey uninteressant.
Die Demonstrazionen der Philosophie sind eben Demonstrazionen im Sinne der militaͤrischen Kunstsprache. Mit den Dedukzionen steht es auch nicht besser wie mit den politischen; auch in den Wissenschaften besetzt man erst ein Terrain, und beweist dann hinterdrein sein Recht daran. Auf die Definizionen laͤßt sich anwenden, was Chamfort von den Freunden sagte, die man so in der Welt hat. Es giebt drey Arten von Erklaͤrungen in der Wissenschaft: Erklaͤrungen, die uns ein Licht oder einen Wink geben; Erklaͤrungen, die nichts erklaͤren; und Erklaͤrungen, die alles verdunkeln. Die rechten Definizionen lassen sich gar nicht aus dem Stegreife machen, sondern muͤßen einem von selbst kommen; eine Definizion die nicht witzig ist, taugt nichts, und von jedem Jndividium giebt es doch unendlich viele reale Definizionen. Die nothwendigen Foͤrmlichkeiten der Kunstphilosophie arten aus in Etikette und Luxus. Als Legitimazion und Probe der Virtuositaͤt haben sie ihren Zweck und Werth, wie die Bravourarien der Saͤnger, und das Lateinschreiben der Philologen. Auch machen sie nicht wenig rhetorischen Effekt. Die Hauptsache aber bleibt doch immer, daß man etwas weiß, und daß man es sagt. Es beweisen oder gar erklaͤren
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